Fussball
Krisen-Klub Tottenham feuert "Heiligen Geist" Nuno
Nuno Espirito Santo, der Mann mit dem klingenden Namen und dem Rauschebart, ist nach nur zehn Ligaspielen bei Tottenham Hotspur Geschichte.
Nach Startrainer Jose Mourinho ist auch sein portugiesischer Landsmann und Nachfolger in Tottenham gescheitert. Nuno Espirito Santo, zu Deutsch der "Heilige Geist", wurde gefeuert. Die Spurs haben die Entscheidung am Montag offiziell verkündet. Nach zehn Premier-League-Runden ist Schluss.
Schräg: Nach drei Spieltagen waren die Spurs Erster, Espirito Santo wurde von der Liga zum Trainer des Monats ausgezeichnet. Die Ergebnisse täuschten über die Probleme der Londoner hinweg. Tottenham gewann gegen Manchester City, Wolverhampton und Watford jeweils mit 1:0. Der Offensiv-Minimalismus sollte sich fortsetzen, der Erfolg nicht.
Der rasche Absturz
Es folgten empfindliche Niederlagen in drei London-Derbys in Folge: 0:3 gegen Crystal Palace, 0:3 gegen Chelsea, 1:3 gegen Erzrivale Arsenal. Das 3:2 gegen Newcastle kaufte Espirito Santo noch ein wenig Zeit. Gegen West Ham setzte es die vierte Niederlage gegen einen Londoner Klub (0:1). Das blamable 0:3 daheim gegen Manchester United war am Samstag der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.
Die Red Devils sind selbst in der Krise, hatten am Wochenende zuvor 0:5 gegen Liverpool verloren, sich in der Defensive bisher löchrig präsentiert. Die Spurs verzeichneten im eigenen Stadion mit ihren Stürmer-Stars Harry Kane und Son Heung-min keinen einzigen Schuss aufs gegnerische Tor.
Alarmierend: Beim Stand von 0:1 war Tottenham noch gut im Spiel. Zu verdanken hatten das die Spurs ihrem blendend aufgelegten Angreifer Lucas Moura. Der Brasilianer gewann Bälle, wirbelte im Mittelfeld, spielte Chancen für Son heraus, die dieser verstolperte. In der 55. Minute nahm ihn Espirito Santo, der zwei Wochen zuvor einmal ohne einen einzigen Wechsel ausgekommen war, aus dem Spiel. Das Stadion buhte. Vereinzelt waren Sprechchöre zu hören: "Nuno, du weißt nicht, was du tust." Ohne Lucas waren die Hausherren dann auf verlorenem Posten, strahlten keine Gefahr mehr aus.
Scheitern mit Ansage
Nuno und die Spurs – ein Missverständnis! Der Portugiese war im Sommer die x-te Trainerwahl, nachdem es von den Wunschkandidaten Mauricio Pochettino (PSG), Erik ten Hag (Ajax), Antonio Conte Absagen gegeben hatte. Mit weiteren Namen wie Paulo Fonseca oder Gennaro Gattuso hatte man nach Verhandlungen keine Einigung erzielt.
Mit Espirito Santo wurde schließlich eine Notlösung von den Wolverhampton Wanderers geholt. Mit den Wolves konnte der Trainer zwar in den Vorjahren beachtliche Erfolge feiern, immer wieder die Großen der Premier League ärgern, den Europacup-Einzug fixieren. Espirito Santo spielte mit ihnen aber einen Fußball, der mit dem Kader der Spurs nur bedingt kompatibel ist. Er spezialisierte sich auf Umschaltmomente, baute auf eine kompakte Defensive und hatte das Fundament einer funktionierenden Einheit.
Espirito Santos Verfehlungen
Bei den Spurs hatte diese Art Fußball zu spielen gleich im Auftaktmatch gegen City Erfolg, als man den Vorjahresmeister mit 1:0 schlug. Aber: Seither musste der Trainer einsehen, dass keine andere Mannschaft, auf die er danach traf, derart viele Räume anbot. Alle Gegner, inklusive den großen Teams Chelsea und United, verteidigten gegen Tottenham tief. Die kleineren Teams sowieso. Dabei stieß der Stratege offenbar an seine Grenzen. Die Spurs fanden keine Rezepte, gegen tief verteidigende Mannschaften Chancen zu erarbeiten. In zehn Runden halten sie bei neun Treffern. So viele hatte Son zu diesem Zeitpunkt in der Vorsaison alleine auf seinem Torkonto.
Die eingeschworene Einheit, auf die der Coach in Wolverhampton zurückgreifen konnte, fand er in Nordlondon nicht vor. Es galt zunächst, Neuzugänge wie Cristian Romero, Emerson Royal oder Brian Gil zu integrieren. Superstar Harry Kane hatte nach der EURO deutlich gemacht, gerne zu Manchester City zu wechseln. Der Klub hatte Angebote in Höhe von rund 150 Millionen Euro abgelehnt. Kane wirkt nach der herausragenden letzten Saison nun wie ein Schatten seiner selbst. Der englische Teamkapitän ist ein Fremdkörper im Team. Das kongeniale Zusammenspiel mit Son klappt nicht mehr wie gewohnt. Angeblich auch, weil Son und Co. nicht erfreut über das Vorgehen ihres Führungsspielers sind. Die Chemie ist dahin. Zumindest vorerst. Zur Erinnerung: Kane hatte den Saisonstart wegen eines verlängerten Urlaubs verpasst – mutmaßlich ein Trainingsstreik, um seinen Wechsel zu erzwingen.
Espirito Santo waren die neuen Aufgaben, die bei einem Klub dieser Größe auf ihn warteten, offenkundig nicht gewachsen.
Conte wieder Favorit
Jetzt beginnt die Suche nach einem Nachfolger von Neuem. Im Sommer war sie zur Farce verkommen. Der Druck auf Boss Daniel Levy ist also groß. Er wird den neuen Trainer gemeinsam mit Sportdirektor Fabio Paratici suchen. Der langjährige Juve-Sportdirektor hat ausgezeichnet Kontakte in sein Heimatland Italien. Es verwundert daher nicht, dass bereits in den vergangenen Tagen Gerüchte um einen neuerlichen Versuch, Inters Meistertrainer Antonio Conte anzuwerben, aufgetaucht sind. Denkbar wäre auch, dass Ryan Mason wie schon nach der Mourinho-Entlassung interimistisch einspringt, ehe der passende Kandidat gefunden ist.
Was für den verfügbaren Conte spricht: seine Vita. Er hatte schon bei vielen Top-Klubs zumindest kurzfristigen Erfolg. Die Spurs lechzen nach 13 titellosen Jahren nach einem Grund zum Jubeln. Im Sommer hatte der Klub allerdings noch Bedenken, dass seine defensive Herangehensweise nicht zur "Spurs-DNA", dem Angriffs-Fußball, passen würde. Diesbezüglich sind die Berührungsängste angesichts des bisher Gezeigten wohl kleiner geworden.