Österreich

Kührer: Der große Tag der Geschworenen

Heute Redaktion
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Freispruch oder (lebens-)lange Haft? Heute wird im Mordprozess Julia Kührer das Urteil über Michael Kollitsch (51) gesprochen. Für die Geschworenen ein Fall zum Nägelbeißen. Vor den Beratungen wurden aber noch ein weiterer Zeuge und eine weitere Gutachterin gehört.

Freispruch oder (lebens-)lange Haft? Heute wird im Mordprozess Julia Kührer das Urteil über Michael Kollitsch (51) gesprochen. Für die Geschworenen ein Fall zum Nägelbeißen. Vor den Beratungen wurden aber noch ein weiterer Zeuge und eine weitere Gutachterin gehört.

Am Landesgericht Korneuburg geht derzeit der Prozess im Fall Julia Kührer ins Finale. Der Richtersenat stimmte gleich zu Prozessbeginn jenen Anträgen zu, wonach eine weitere Gutachterin angehört wurde. Ebenso wie ein Polizist, der in die Ermittlungen mit einem Leichenspürhund involviert war.

Der 51-jährige Verdächtige wurde gebeten, in der Mitte des Saals Platz zu nehmen. Der Richter wandte sich an Michael Kollitsch: "Ich nehme an, Sie bleiben bei Ihrer Verantwortung?" "Ja" sagte der Angeklagte leise.

Fragen nach Mord und Drogen

Nach Abschluss der Verlesungen las Richter Helmut Neumar die beiden Fragen vor, die die Geschworenen beantworten müssen. Die Hauptfrage lautet der Anklage folgend auf Mord. Formuliert wurde dahin gehend, ob Michael K. schuldig sei, das Mädchen vorsätzlich gewaltsam getötet zu haben - auf eine nicht mehr feststellbare Weise, wobei ein anhand der festgestellten Kieferverletzungen anzunehmender Schlag ins Gesicht angeführt wurde. Die zweite Frage behandelt die Suchtgiftabgabe von Metamphetamin ("Crystal Meth") an Julia Kührer.

Angeklagter ist "hochgradig sexualisiertes Muskelpaket"

Dann stellte Staatsanwalt Christian Pawle dar, welche Vielzahl an Beweisen und Gutachten, verbunden mit der Motivlage und einem fehlenden Alibi, aus seiner Sicht für die Schuld des Angeklagten sprechen: Julia war ein gesundes 16-jähriges Mädchen, so Pawle, Michael K. ein hochgradig sexualisiertes Muskelpaket, ein "Mister Pit Bull, einmalig hart und brutal", wie der "Free-Fighter" selbst inseriert habe. "Wer, wenn nicht er, soll für Julias Tod verantwortlich sein", so Pawle abschließend eindringlich.

Der Verteidiger hat sich in seinem Schlussplädoyer mit der Feststellung an die Geschworenen gewandt, ihre Aufgabe sei viel schwieriger als es auf den ersten Blick scheine. Es gehe nämlich darum, die Aussagen der Zeugen nach ihrem Wahrheitsgehalt zu bewerten, verwies Rifaat auf zahlreiche Ungereimtheiten. Vieles in dem Fall sei Spekulation.

Letzte Zeugen vor Urteil

Zuvor sagte eie Sachverständige Katja Sterflinger, sie habe anhand von Schimmelpilzen auf einem in dem Erdkeller befindlichen, angesengten Hocker den Brandzeitpunkt auf den Herbst 2006 datiert - also auf einen Zeitpunkt, zu dem der Angeklagte nicht mehr dort wohnte. Er hatte Dietmannsdorf im September 2006 verlassen. Ein beantragter Lokalaugenschein wurde abgewiesen.

"Meine Berechnungen haben ergeben, dass der Hocker bereits seit etwa 4,6 Jahren von Schimmelpilz besiedelt war", sagte Sterflinger. Dazu sei noch ein Zeitraum hinzuzurechnen, in dem sich der Pilz gebildet hat. Dieser sei nicht genau feststellbar, liege aber zwischen ein paar Wochen bis maximal einem halben Jahr. Folglich habe sich der Hocker in etwa seit Oktober 2006 im Keller befunden.

Spürhund zeigte "reges Interesse"

Der Diensthundeführer sagte aus, dass er im Juni 2011 mit seinem Leichenspürhund die Videothek in Pulkau auf Blutspuren untersucht hat. Das Tier hatte damals "reges Interesse" gezeigt, das heißt, dass es auf einen Geruch gestoßen war, der anders war als alles andere im Raum. Im Unterschied dazu gibt es aber auch das sogenannte Anzeigeverhalten, wenn der Hund tatsächlich Blutspuren wittert. Dies habe das Tier nicht gezeigt.

Der Richter wollte wissen, ob "reges Interesse" ein zwingender Hinweis auf Blut sei. Dies verneinte der Zeuge. "Kann Mäusekot oder Alkohol also schon ausreichen, dass der Hund interessiert ist?", lautete die nächste Frage. "Ja, es genügt, wenn ein Stein verrückt wird und dadurch ein anderer Geruch entstanden ist."

Todesursache nicht mehr feststellbar

Der 51-Jährige bestritt seit seiner Festnahme und auch an den vergangenen sechs Verhandlungstagen jeden Zusammenhang. Die Anklage stützt sich auf Indizien, darunter eine DNA-Spur des Mannes auf Resten einer Decke, in die die Leiche des Mädchens eingewickelt war. Die Todesursache war nicht mehr feststellbar, Verletzungen im Kieferbereich weisen laut Gutachten aber auf eine Gewalteinwirkung hin.

Der Angeklagte hat nicht die besten Karten. Denn Julias verkohlte Leiche wurde in seinem Keller gefunden. Überdies gelang es Staatsanwalt Christian Pawle mit einer Reihe von Zeugen, Kollitsch als sexuelles Monstrum darzustellen. Aber: Es gibt keinen Beweis dafür, dass Julia ermordet wurde (denkbar ist auch ein Drogentod).

Freispruch, wenn vier Geschworene zweifeln

Deshalb kann es laut Verteidiger Rifaat "kein Mordurteil geben". Und: "Mein Mandant wusste, dass die Polizei zu ihm kommt. Wer lässt da eine Leiche im Keller liegen?" Weiters gibt es auf der Decke eine zweite DNA-Spur. Zweifel von vier Geschworenen reichen für einen Freispruch.

Red.