Szene

Kunst-Profi Matt über Hitlers Geburtshaus

"Kontaminierung statt Dekontaminierung" fordert Gerald Matt für Hitlers Geburtshaus in Braunau am Inn/OÖ.

Heute Redaktion
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So sieht Hitlers Geburtshaus jetzt vor dem Umbau aus.
So sieht Hitlers Geburtshaus jetzt vor dem Umbau aus.
imago images

Österreichs Regierung will Adolf Hitlers Geburtshaus zu einer Polizeiwache umbauen und durch diesen Umbau "neutralisieren": So soll jede Erinnerung in Braunau an den Diktator und Massenmörder ausgelöscht, "dekontaminiert" werden. Den Wettbewerb hierzu hat das renommierte Vorarlberger Architekturbüro "Marte.Marte" gewonnen. So hehr das politische Anliegen, das Haus als (Neo-)Nazi-Wallfahrtsstätte verschwinden zu lassen, auch sein mag, so sehr ist dieses Bemühen zum Scheitern verurteilt. Radikaler wäre der Abriss des Hauses gewesen, aber auch der hätte für Ewiggestrige die mythische Zuordnung des Ortes nicht beseitigt.

Man beließ es dabei, das ungeliebte und enteignete "Hitlerhaus" nicht abzureißen, sondern es so zu "dekonstruieren", dass es nicht wiedererkennbar ist. Und so sieht der Siegerentwurf die Rückführung des Gebäudes aus dem 17. Jahrhundert auf die historische Fassade mit zwei Giebeln vor. Diese Entscheidung mag auch in Zeiten stupider Denkmalstürmerei modisch zeitgemäß, politisch korrekt und vordergründig vernünftig sein. Um aus dem moralisch "schlechten" ein "gutes Bauwerk" zu machen, sollte auch die vor dem Haus installierte Gedenktafel mit der Inschrift "Für Frieden, Freiheit und Demokratie. Nie wieder Faschismus. Millionen Tote mahnen" entsorgt werden und ihre museale (letzte) Ruhestätte im Wiener Haus der Geschichte finden. Proteste verhinderten dies.

An einer Konfrontation mit Geschichte, ihren Verbrechern und Verbrechen und ihren Verwerfungen scheint kein Interesse mehr zu bestehen. Vielleicht kann man einer zart besaiteten und gleichzeitig moralisch dauerempörten Gesellschaft nicht mehr zumuten als die Beseitigung unangenehmer Erinnerungen. Wer jedoch glaubt, Geschichte könne ungeschehen gemacht werden, wenn man ihre Zeugnisse verschwinden lässt, täuscht sich. Gefragt ist nicht Dekontaminierung, sondern Kontaminierung. Orte wie das "Hitlerhaus" müssen Menetekel sein, Orte der Verstörung und des Mahnens, die die Monstrositäten unserer Geschichte wach halten und jede Form der Glorifizierung unmöglich machen. Was auch immer mit dem Haus geschieht, Adolf Hitler wird damit weder aus der Welt noch aus der Geschichte verschwinden, weder in Braunau noch sonstwo.

Gerald Matt