Szene

Lacher für absichtlich falsch singende Maria Bill

Heute Redaktion
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Als wohl schlechteste Opernsängerin der Welt ging Florence Foster Jenkins in die Geschichte ein; als mit gnadenloser Selbstüberschätzung ausgestattete, aber überaus liebenswerte Diva wurde sie am Sonntagabend im Wiener Volkstheater von Maria Bill zum Leben erweckt und sorgte für Lacher im Publikum.

In "Glorious!" aus der Feder des englischen Dramatikers Peter Quilter darf die große Bill unter der Regie von Volkstheater-Direktor Michael Schottenberg großartig falsch singen. Gelacht wurde zuweilen viel, für zwei Stunden Theaterunterhaltung reicht Skurrilität alleine dann aber doch nicht.

Reiche Diva ohne Talent brachte es zu ausverkauften Hallen

"Wenn du’s beim ersten Mal nicht hinkriegst, wird’s beim zweiten Mal auch nicht besser", sagt Florence Foster Jenkins und lässt die "Glöckchenarie" aus Delibes’ "Lakmé" nach nur einem Durchgang auf Schallplatte pressen. Und das, nachdem sie keinen Ton getroffen und mehrfach aus dem Rhythmus gekommen war. Mit musikalischem Talent war die selbst ernannte Diva nicht gesegnet, doch aber mit einem beachtlichen Erbe, das ihr ermöglichte, sich im reifen Alter den Traum einer Gesangskarriere zu erfüllen und u.a. einmal jährlich im luxuriösen Ballsaal des Hotels Ritz-Carlton aufzutreten. "Glorious!" beginnt mit dem ersten Treffen zwischen der bereits zur schillernden New Yorker Persönlichkeit aufgestiegenen Jenkins mit dem skeptischen, sie künftig begleitenden Pianisten Cosme McMoon (charmant: Till Firit) und endet ein Monat vor ihrem Tod mit dem legendären Auftritt im Alter von 76 Jahren in der berühmten Carnegie Hall 1944. Das Konzert damals war binnen zwei Stunden ausverkauft, obwohl das Publikum wusste, was sie erwartet.

Mit viel Liebe und Absurdität gemacht

Vor einer detailverliebten Kulisse vom extravaganten Salon über das triste amerikanische Tonstudio bis zum opulent dekorierten Ballsaal gibt Maria Bill die Jenkins in extravaganten Kostümen als skurrile, von Häme aber nicht unberührte Dame, die den theatralischen Auftritt und das Rampenlicht sucht. Stellt die Schauspielerin und Sängerin mit Schweizer Wurzeln sonst ihr Können bei Liederabenden mit Chansons von Edith Piaf oder Jacques Brel unter Beweis, krächzt und quietscht sie nun auf der Bühne, lässt Opernarien wie Gejaule und Valverdes spanischsprachiges "Clavelitos" wie Fantasiegeschwurbel klingen, verzieht ihr Gesicht göttlich beim Ansatz hoher Töne, gestikuliert dramatisch und freut sich überbordend. Auch als talentierte Musikerin gekonnt falsch zu singen, muss erstmal gelernt sein.

Absurdes Hunde-Begräbnis und tolle Maria Bill

Die Lacher des Publikums sind Bill bei jeder Gesangseinlage sicher; Ronald Kuste bleibt daneben als gescheiterter Schauspieler St. Clair Bayfield ebenso farblos wie Inge Maux als Jenkins’ Vertraute mit Schoßhündchen unterm Arm. So unterhaltsam die Einführung der skurrilen Geschichte bis zur sehnsüchtig erwarteten ersten Gesangseinlage Bills ist, so sehr lässt das Stück daraufhin nach: Mit der Verbildlichung kleiner Anekdoten und einem absurden Hunde-Begräbnis wird der Abend gedehnt. Jenkins’ Nähe zu Stars wie Cole Porter wird über eine lang gezogene Grußkarten-Verlesung verdeutlicht, während die kurze Studioaufnahme mit dem Gerücht aufgepeppt wird, Jenkins hätte bei einem Autounfall zum "hohen F" gefunden und dieses fortan mit einem Schlag auf die eigene Stirn bei Auftritten reproduziert.

Heute hätte eine originelle Figur wie Florence Foster Jenkins wohl durch einen Auftritt in einer US-Castingshow Kultstatus erlangt. Von der Jury verhöhnt, von Zusehern als lebensfrohe Träumerin geliebt. Millionen Klicks auf Youtube hätte es für ein paar amüsante Minuten gegeben – für rund zwei Stunden Theaterunterhaltung reicht es aber dann doch nicht.

"Glorious!" von Peter Quilter, Deutsch von Horst Johannig

Regie: Michael Schottenberg

Mit: Maria Bill, Till Firit, Ronald Kuste, Inge Maux, u.a.

Weitere Termine am 3., 13., 15. 19., 24. Und 29.10. sowie 26.12.

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