EU-Naturschutzgesetz

Länder finden keine Einigung zum Renaturierungsgesetz

Österreichs Standpunkt bei dem EU-Gesetz ist weiterhin ungeklärt. Umweltministerin Gewessler pocht auf eine Zustimmung, die Länder sind sich uneinig.

Heute For Future
Länder finden keine Einigung zum Renaturierungsgesetz
Landesrätin Susanne Rosenkranz (FPÖ), Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) und Landesrätin Sara Schaar am Freitag anlässlich einer Pressekonferenz im Rahmen der Landesumweltkonferenz in Weissensee.
PETER LINDNER / APA / picturedesk.com

Die Naturschutzreferenten der Länder haben sich am Freitag bei ihrer Konferenz am Kärntner Weissensee nicht zu einer Entscheidung durchringen können, wie ihre Haltung zum Renaturierungsgesetz aussieht. "Am Ende haben die Länder keine Entscheidung getroffen – weder zum Inhalt noch zum Prozess", sagte Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) nach der Konferenz.

Laut Gewessler bleibe die große Frage offen: "Stehen die Länder hinter der bisherigen Stellungnahme oder stehen sie auf Seite des Naturschutzes? Diese Klarstellung fehlt." Die Initiative aus Wien und Kärnten, die angekündigt haben, ihren Widerstand gegen das Gesetz aufzugeben, sei "gut und wichtig", denn es gehe "um eines der wichtigsten Gesetze." Nun müssten aber Nägel mit Köpfen gemacht werden – Wien und Kärnten müssten "auch den letzten und entscheidenden Schritt machen".

Auf Nachfrage, wie Gewessler abstimmen werde, wenn es beim Status quo bleibt, erklärte die Ministerin: "Mein Ziel ist, dass Österreich für die Verordnung stimmt", berichtete die "Kleine Zeitung". Aber: "Die Stellungnahme der Länder ist rechtlich bindend. Es ist ein zentraler Schritt, der aussteht, und deshalb ersuche ich die Landeshauptleute Michael Ludwig und Peter Kaiser (beide SPÖ) um Klarstellung."

Türkis-grüner Streit um Renaturierung

Bei einem Ende der einheitlichen Stellungnahme der Bundesländer zum EU-Renaturierungsgesetz wäre laut Gewessler keine Zustimmung von anderen Ressorts bei einer Abstimmung im EU-Rat nötig.

"Wenn Landwirtschaftsminister Totschnig in Brüssel ohne mein Einvernehmen bei der Landwirtschaftspolitik, bei der gemeinsamen Agrarpolitik die Umweltschutzstandards abschwächen kann, dann muss das ja wohl umgekehrt auch möglich sein", so Gewessler im Ö1-Morgenjournal vom Freitag.

Es sei "langjährige und gelebte Praxis, dass die zuständigen Ministerinnen und Minister am Rat entscheiden und ich sehe auch keinen Grund, warum wir das hier anders machen sollten", sagte Gewessler. Dies hätten auch Juristen bestätigt. "Was mich bindet, ist die Länderstellungnahme", so die Umweltministerin am Freitag gegenüber Ö1.

Die ÖVP hat sich weiterhin ablehnend gegenüber dem EU-Renaturierungsgesetz gezeigt. Bundeskanzler Karl Nehammer bezeichnete die Verordnung als "dramatisches Beispiel für den Überregulierungswahn in Brüssel", Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (beide ÖVP) betonte in der "ZIB 2" von Donnerstag, dass bei einem möglichen Ende der einheitlichen Stellungnahme der Bundesländer die Verordnung auch sein Ressort betreffe – und er nicht zustimmen könne.

ÖVP-Verfassungsministerin Karoline Edtstadler ortet gar einen Rechtsbruch. "Sollte Bundesministerin Gewessler zustimmen, würde sie österreichisches Recht brechen", sagte Europaministerin Karoline Edtstadler gegenüber "Heute".

Umweltschützer kritisieren Blockade

Dem vielfach vorgebrachten Argument "Die zusätzliche Bürokratisierung würde Gesamtkosten von mindestens 154 Milliarden Euro verursachen" (bis zum Jahr 2070 laut einer EU-Hochrechnung, Anm.) wird in einem vom WWF Österreich erstellten Faktencheck ein berechneter Nutzen von 1.860 Milliarden Euro entgegengestellt.

Jeder Euro, der ausgegeben wird, komme zwölffach zurück, betonte der Biodiversitätsforscher Franz Essl unlängst bei einer Pressekonferenz in Wien. Volkswirtschaftlich betrachtet zahle sich Renaturierung daher aus. Österreich könne zudem mit einem guten Renaturierungsplan sehr viel Geld aus Brüssel abrufen.

Durch das EU-Renaturierungsgesetz sollen laut dem WWF auch keine Landnutzer enteignet werden, zum Beispiel über die Stilllegung von Ackerflächen. "Verpflichtende Stilllegungen sind in der Verordnung nicht vorgesehen", betonte Joschka Brangs, Biodiversitätssprecher des WWF Österreich. In vielen Fällen sei sogar eine aktive Landbewirtschaftung wie Beweidung notwendig, damit die Renaturierung funktioniere. Er widersprach auch dem Einwand, dass die Maßnahmen den Hochwasserschutz gefährdeten.

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    HEUTE/Helmut Graf

    Auf den Punkt gebracht

    • Die Bundesländer konnten sich nicht auf einen Standpunkt zum Renaturierungsgesetz einigen, während Umweltministerin Gewessler auf Zustimmung drängt
    • Wien und Kärnten haben angekündigt, ihren Widerstand aufzugeben, aber die Länder haben noch keine Entscheidung getroffen
    • Die ÖVP bleibt weiterhin ablehnend gegenüber dem Gesetz, während Umweltschützer die Blockade kritisieren und betonen, dass Renaturierung sich volkswirtschaftlich auszahlt
    red
    Akt.