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Lampedusa: Flüchtlinge zündeten Boot selbst an

Heute Redaktion
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Bild: ANSA

Auf der italienischen Insel Lampedusa spitzt sich das tragische Flüchtlingsdrama zu. Einsatzkräfte haben nahe der Küste Donnerstagabend weitere 40 Leichen aus dem Mittelmeer geborgen. Damit steigt die Zahl der Todesopfer auf mehr als 100. Nach dem Untergang eines Bootes mit rund 500 Flüchtlingen an Bord werden seit Donnerstagfrüh immer noch mehr als 200 Menschen vermisst. Am Freitag musste die Suche wegen zu rauer See unterbrochen werden.

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Zwei Fischerboote hatten Alarm geschlagen, nachdem sie das in Brand geratene Flüchtlingsboot gesichtet hatten. Daraufhin hatte die Küstenwache zur Rettung Schiffe entsandt. Die Flüchtlinge stammten größtenteils aus Eritrea und Somalia und waren in Libyen Richtung Lampedusa aufgebrochen.

Decken angezündet

Einige Überlebende berichteten, sie hätten ein Feuer an Deck entfacht, in der Hoffnung, vorbeifahrende Schiffe auf sich aufmerksam zu machen. Dabei merkten sie nicht, dass sich Benzin in der Nähe befand. Das Boot geriet in Flammen, in Panik geratene Migranten sprangen ins Wasser. Dabei kippte das ganze Boot um und sank später.

Schwierige Suche

Die Suche nach den Vermissten ging auch in der Nacht auf Freitag weiter. Trotz schwieriger Wetterlage und starken Winds suchten Tauchermannschaften weiterhin nach Leichen neben und im Wrack des Bootes, das sich in einer Tiefe von 40 Metern befindet. Bisher wurden 111 Leichen geborgen, 155 Migranten wurden gerettet.

Wegen rauer See mussten die Tauchermannschaften ihre Suche Freitagmittag aber unterbrechen. Die Bedingungen für eine Fortsetzung seien nicht vorhanden, sagte ein Sprecher der Rettungseinheiten. Die Behörden vermuten, dass die Bilanz der Flüchtlingstragödie auf über 300 Todesopfer wachsen wird.

Särge aus Sizilien werden geliefert

Der italienische Innenminister Angelino Alfano betonte, dass die Bilanz der Todesopfer voraussichtlich steigen werde. Taucher hatten von Dutzenden von Leichen berichtet, die sich noch im Wrack befänden. Auf Lampedusa traf Freitagvormittag eine Fähre aus Sizilien mit über 140 Särgen ein. In ganz Italien wurde der heutige Freitag zum Trauertag erklärt.

Landesweit wurden in Italien die Flaggen auf Halbmast gesetzt und in den Schulen eine Schweigeminute abgehalten. Als Zeichen der Trauer waren alle Geschäfte und Lokale auf Lampedusa, auf der sich noch viele Touristen aufhalten, geschlossen. "Lampedusa ist eine Insel voller Schmerz, die die Last der Gleichgültigkeit der Welt auf ihren Schultern trägt", war auf einem Transparent vor dem Hafen zu lesen. Freitagabend ist in der Kirche San Gerlando eine Gedenkmesse sowie ein Fackelzug auf den Straßen der Insel geplant.

"Unmenschliche Migrationspolitik"

Die Bürgermeisterin Lampedusas, Giusi Nicolini, bezeichnete Europas Migrationspolitik als "unmenschlich". "Die gestrige Flüchtlingstragödie ist nicht ein Unfall, sondern das Resultat einer Migrationswelle, die seit 15 Jahren nicht nachlässt. Lampedusa wird seine Situation nicht ändern können, wenn sich sein Schicksal als Grenzinsel nicht ändert. Dieses Schicksal ist nicht von der Geografie, sondern von der internationalen Politik bestimmt", sagte die Bürgermeisterin.

Streit um Einwanderungspolitik

Nach der Flüchtlingstragödie gibt es in Rom scharfe Polemik rund um die Einwanderungspolitik der Regierung. Die ausländerfeindliche Oppositionspartei Lega Nord nahm die aus dem Kongo stammende Integrationsministerin Cecile Kyenge ins Visier, die sich in den vergangenen Monaten mit Nachdruck für eine Lockerung des geltenden Einwanderungsgesetzes stark gemacht hatte.

Auch die Präsidentin der Abgeordnetenkammer, Laura Boldrini, ehemalige Sprecherin des UNO-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR), wurde von der Lega Nord wegen ihrer Appelle zur Aufnahme von Flüchtlingen scharf attackiert. Kyenge und Boldrini seien für das Drama mitverantwortlich, erlärte der Vizepräsident der Lega-Abgeordnete, Gianluca Pini. "Sie verbreiten heuchlerische Integrationsslogans, statt mit konkreten Taten die Drittweltländer zu unterstützen. Boldrini und Kyenge haben all die in diesen letzten Monaten ums Leben gekommene Migranten auf dem Gewissen", betonte Pini.

Laut Lega-Chef Roberto Maroni haben weder die italienische Regierung noch die EU-Kommission ihre Pflichten in punkto Bekämpfung des Menschenhandels erfüllt.