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LASK-Stadion: Rapid und Tottenham als Inspiration

Mit der Partie LASK gegen Lustenau wird am Freitag (20.30 Uhr) die neue Raiffeisen Arena offiziell eröffnet. "Heute" sprach mit Architekt Harald Fux.

Erich Elsigan
Stadion-Architekt Harald Fux (r.) spricht mit "Heute" über die Raiffeisen Arena.
Stadion-Architekt Harald Fux (r.) spricht mit "Heute" über die Raiffeisen Arena.
GEPA, Felix Mayr, Pertlwieser

Herr Fux, beginnen wir mit den Basics: Wie viele Fans passen in die fertige Raiffeisen-Arena – und wie viel hat sie am Ende gekostet?

"Fast 20.000 Leute passen hinein. 19.080 um genau zu sein – in Anlehnung an das Gründungsjahr des Vereins. Die Kosten kann ich leider nicht beziffern. Es würde mich aber überraschen, wenn schon schlussgerechnet wäre. Manche Bereiche wurden noch nicht ausgebaut."

Wie geht man als Architekt an das Thema Stadionbau heran? Bekommt man ein Budget genannt und fängt dann zu zeichnen an?

"Das Budget war ein Punkt. Man bekommt aber auch einen Business-Case und ein Raum- und Konzept-Programm vom Verein. Als erfahrener Sportanlagenbauer weiß ich zwar, was ein Stadion grundsätzlich zu leisten hat. Speziell ist aber immer der Mantel, der um den Sport gekleidet wird. Wie schauen die Konzepte für VIP- und Business-Bereiche im Hinblick auf Vermarktung für andere Zwecke aus? Gibt es Restaurants, Büros, Verwaltung, Kids-Klub? Würden diese Dinge nicht im Konzept stehen, würde man sie als Architekt vorschlagen. Man würde kein monofunktionales Stadion bauen, das nur alle zwei Wochen genutzt wird."

Wie wichtig ist Ihnen als Architekt am Ende das Design – oder ist die Funktionalität wichtiger?

"Die Funktionalität ist die Voraussetzung für alles. Eine schöne Form ist ohne Funktionalität nichts wert. Egal, was man baut. Das ist das Spannende. Die schönste Außenhülle bringt nichts, wenn es drinnen nicht funktioniert."

Welche Vorgaben gab es seitens des LASK? Hatte der Klub besondere Wünsche und Vorstellungen, was das neue Stadion können muss?

"Der LASK hatte ein professionelles Raum- und Konzept-Programm. Der Verein hat ganz genau gesagt, was er in punkto Hospitality, Kioske, Fan-Tribüne, Familien-Tribüne und so weiter will. Der LASK hat im Vorfeld viele Stadien besichtigt, sich schlau gemacht, was es auf der Welt gibt. So muss man es auch machen. Man muss schauen, was man will – und was nicht. Das war eine gute Basis für eine rasche Lösung."

So sieht der Tunnel-Club in Tottenham aus
So sieht der Tunnel-Club in Tottenham aus
Tottenham

Gibt es ein Stadion, das sich mit der Raiffeisen Arena vergleichen lässt?

"Man muss nach den Sternen greifen und schauen, was zwei Ligen weiter oben geboten wird und wie wir das auf unsere Situation runterbrechen können. Große Klubs geben spannende Dinge vor. Tottenham zum Beispiel."

Von Tottenham haben Sie den Tunnel-Club übernommen. Dabei handelt es sich um einen VIP-Bereich, wo die Gäste die Spieler durch eine verspiegelte Glaswand beim Hinausgehen auf das Spielfeld sehen.

"Ja, den haben wir zitiert. Es ist der erste Tunnel-Club auf europäischem Festland. Ich glaube, es ist sogar weltweit erst der zweite – einige sind in Planung. Das ist ein Motiv, das sich gut ableiten lässt und ein Feature, das eine Vorbildwirkung für andere haben wird. Tottenham hat eigentlich eine kleine Stadt gebaut, mit der längsten Bar Europas, mit einer Brauerei, mit 24/7 Lokalen. Das sind tolle Inspirationen."

"Im Sommer habe ich mir das SoFi-Stadium in Los Angeles angesehen, die sind schon den nächsten Schritt gegangen. Die haben Logen am Spielfeldrand, Beach-View-Logen. Da ist das Auge quasi am Knöchel der Spieler. Das ist hochspannend, komplett neu. Viele Leute sind gerne unten am Spielfeldrand dabei. Je weiter unten man ist, umso intimer wird es, umso spannender. In Linz ist der einzige Grund für die Brüstung vorne die Bande und die minimale Barriere, die man braucht."

Was hätten Sie als Architekt gerne in Linz eingebaut, ging aber nicht? Ein Schiebedach zum Beispiel?

"Nein, das war nicht geplant. Das Problem ist natürlich, dass diese verschiebbaren Dächer schon einen hohen Preis haben. Spannend ist der so genannte Inside-Outside-Typus, wie das SoFi-Stadium in Los Angeles. Das ist komplett mit Glas gedeckt. Man hat das Gefühl, man sitzt unter offenem Himmel, ist aber trotzdem geschützt und die Ozeanbrise weht durch. Ein komplett neuer Typus. Ich hätte ihn aber nicht für Linz vorgeschlagen, weil er bauliche Anforderungen ganz massiv erhöht.“

Das SoFi-Stadium in Los Angeles zählt zu den Lieblingsstadien von Architekt Fux.
Das SoFi-Stadium in Los Angeles zählt zu den Lieblingsstadien von Architekt Fux.
picturedesk.com

Es hieß beim LASK-Spatenstich, dass ins Stadion auch eine Art Mini-Spital integriert wird – mit OP-Saal, Röntgen- und MR-Geräten. Gibt es das tatsächlich?

"Die drei Zauberwörter sind momentan 'Low Energy', 'Long Lasting', 'Loose Fit'. Auch das LASK-Stadion hat einen lockeren Sitz, ist also weiter geschnitten als notwendig – um Ausbaubereiche zu ermöglichen, die noch kommen können. Ob der OP-Saal kommt, weiß ich nicht. Wir haben es damals noch nicht eingeplant in der Genehmigung. Das wird unter Umständen vom Business-Plan abhängen – und von Genehmigungen. Denn einen OP-Saal zu bauen, ist schon ein ziemliches Investment und auch sanitätsbehördlich zu klären. Die Idee eines medizinischen Bereichs, der auch für Leute von außen benutzbar ist, ist aber spannend."

Rapid hat 2016 das Allianz Stadion eröffnet. Dort gibt es eine eigene Rapid-Kapelle. Wurde an das beim LASK auch gedacht?

"Ja, haben wir auch, gleich beim Tunnel-Club. Noch viel zentraler als bei Rapid. Die Kapelle ist überkonfessionell, also nicht römisch-katholisch geprägt. Sie steht den Spielern, aber auch Privatpersonen zur Verfügung. Der Tunnel-Club hat also auch eine Zweitnutzung. Wenn ich eine Hochzeit in der Kapelle habe, kann ich gleich im Tunnel-Club feiern. Auch die Mixed-Zone kann für Agapen oder Empfänge genutzt werden. Mir ist bei der Planung immer wichtig, dass Flächen mehrfach genützt werden. Die Mixed-Zone braucht unter der Woche kein Mensch. Wenn man dort ein bisschen Geld verdienen kann, indem man sie vermietet, sollte man das andenken.“

Sie haben als Architekt vermutlich einen anderen Blick auf ein Stadion, erkennen auch Fehlplanungen. Ist Ihnen da in Österreichs Stadien Gravierendes aufgefallen?

"Ich war in Salzburg, Innsbruck, Klagenfurt und St. Pölten involviert, kenne also diese Stadien sehr gut. Beim Thema Fehlplanungen müssen wir natürlich zum Happel-Stadion schauen. Die Typologie mit den Treppen vor den Rängen – das hat es so nie wieder gegeben. Das gibt es in ganz Mitteleuropa nicht mehr. Das geht an den Bedürfnissen der Leute vorbei. Wenn ein Fan kurz auf der Stiege stehen bleibt, ist er 20 Leuten im Weg, weil die nicht mehr auf den Rasen sehen. Es ist auch ein Fehler, den Weg vom Sitzplatz zu einem Kiosk oder dem WC derartig lang zu haben. Solche Sachen könnte man heute nicht mehr planen. Wenn man nicht im Kopf hat, wie sich der Kunde fühlt, macht man was falsch. Im Stadion kommen alle zusammen: Zuschauer, Spieler, Journalisten, Fotografen, Kameras, Offizielle – man muss alle Bedürfnisse im Kopf haben. Wenn man Journalisten wo hinsetzt, wo sie keinen gescheiten Eindruck vom Geschehen bekommen, macht man was falsch."

Sprich: Das Happel-Stadion zu sanieren ist kein Thema, ein Neubau die einzige Lösung?

"Ja. Jeder Euro wäre zu viel investiert. Wir wussten es ja 2002, als wir die EM-Bewerbung gestartet haben: Wir schminken ein Stadion auf EM. Jetzt sollen wir ein paar Millionen reinstecken und so tun, als ob alles wieder gut wäre? Es ist wahnsinnig komplex, weil man einem Gebäude quasi die Berechtigung abspricht. Aber es ist leider gnadenlos. Der Sport ist ja auch eine Art Pädagoge. Wenn das Stadion ein Ort ist, der mich als Fan ignoriert und meine Bedürfnisse nicht beachtet, entsteht ein negativer Effekt."

Hätten Sie Pläne für ein Nationalstadion in der Schublade?

"Noch nicht. Aber ich sage ganz offen: Ich habe mich damit beschäftigt. Mehrfach. Ich habe mir schon seriös angeschaut, ob eine Adaption des Happel-Stadions Sinn macht, oder nicht. Die Antwort ist: nein. Da ist ein Dach drauf, das komplett am Ende ist – so schön es auch ist. Aber es ist nicht verlängerbar. Deshalb kann man auch die unteren Ränge nicht näher zum Spielfeld führen. Es gibt ganz wenige Lösungen, wo das geschafft wurde. Berlin hatte das Glück, dass es nie gedeckt war – das wurde jetzt modern gedeckt. Hertha will trotzdem raus und daneben ein Stadion bauen. Dann wäre die Investition umsonst gewesen. Auch beim Happel braucht man eine Perspektive. Jetzt Geld reinzustecken, wäre unverantwortlich. Ich verstehe aber auch jeden, der sagt, dass wir kein Nationalstadion nur für Länderspiele brauchen. Das ist kein Business-Konzept. Da muss schon mehr her. Vielleicht eben ein verschließbares Dach, ein neutraler Bodenbelag. Dann liegt der Rasen nur drin, wenn wirklich Fußballspiele steigen. Derzeit finden in Österreich gewisse Open-Air-Konzerte nicht statt, weil wir keine Location haben. Wien ist eine Zwei-Millionen-Stadt mit riesigem Einzugsgebiet. Wenn die Leute traurig sind, dass sie nach Prag oder Bratislava für Konzerte fahren müssen, brauchen wir uns nicht wundern.“

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    Das ist die neue Raiffeisen Arena des LASK
    Das ist die neue Raiffeisen Arena des LASK
    GEPA

    Ein entscheidender Faktor ist die Stadion-Akustik. Lässt sich vorab berechnen, wie gut oder schlecht die Stimmung in einem vollen Haus ist?

    "Man kann es simulieren. Die Stadien in Katar haben ein sehr ausgeklügeltes Konzept. Wieder ausgehend davon, was Tottenham gemacht hat. Dort hat man sich genau überlegt, wie sich der Schall im Stadion bewegt, wo die Stimmung reflektiert und verstärkt wird. Auch beim LASK-Stadion war der Trichter über der Heim-Fantribüne wichtig. Einerseits, um die Stimmung drin zu lassen, aber auch, um sie im Kessel zu verteilen. Das akustische Design wurde in den letzten Jahren immer wichtiger. Wie kann man akustische Räume schaffen, in denen man sich wohl fühlt? Wenn wir in Richtung Inklusion denken: Wir brauchen auch lärmreduzierte Bereiche, wo Leute mit Hörbeeinträchtigungen sein können. Der Gedanke ist ja, möglichst viele Menschen zum Erlebnis Stadion-Fußball zu bringen. Es gibt zunehmend Personen mit anderen Bedürfnissen, die sagen, es ist eigentlich zu laut, zu aggressiv, zu heftig. Wir wollen auch für diese Fans Räume schaffen."

    Nicht nur der LASK, auch das Nationalteam wird künftig öfter auf der Gugl spielen. Mussten Sie darauf Rücksicht nehmen bei der Planung?

    "Nein, denn man konnte nicht wissen, ob das Fenster aufgeht und auch der ÖFB interessiert ist. Das hat sich aufgrund des Happel-Stadions jetzt zugespitzt. Das LASK-Stadion ist UEFA-Kategorie 4, ist also uneingeschränkt ÖFB-fähig. Es ist alles da. Hier kann man alle namhaften Veranstaltungen auf internationalem Niveau abhalten. Die Nähe zu Wien ist hier wichtig. Wenn man nur 1:10 Stunden mit der Bahn fährt, ist das super. Wenn die ÖBB die Züge sinnvoll einplant, werden genug Fans von Wien nach Linz fahren. Das wird aber Wien nicht von der Aufgabe entbinden, auch so einen Veranstaltungsort zu haben. Denn dem Wiener muss man dann auch irgendwann erklären, warum er immer nach Linz zum Ländermatch fahren muss.“

    Welches Stadion auf dieser Welt hätten Sie gerne errichtet?

    "Man hätte sicher gerne Barcelona oder Los Angeles gemacht. Los Angeles schon alleine, weil es ein komplett neuer Typus ist."

    Bei welchen Stadien in Österreich hatten Sie Ihre Finger im Spiel?

    "Ich war als Mitarbeiter von Architekt Albert Wimmer in Innsbruck und Salzburg involviert. Dann habe ich mich selbstständig gemacht und habe die Landeshauptstadt Klagenfurt beim Bau der Wörthersee-Arena beraten. Da war ich in der Qualitätssicherung tätig. Und auch in St. Pölten war ich auf Bauherren-Seite in der Qualitätssicherung – sprich Auslobung und Betreuung des Baus. Der LASK ist also mein fünftes Stadion, diesmal bin ich der Architekt, der es entworfen hat. Nur bei den Wiener Stadien war ich nicht dabei. Das lag daran, dass ich zu der Zeit in Kärnten war. Ich hätte gerne auch Rapid gebaut, so ehrlich bin ich."