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Lebenszeichen von Kim – aber sind sie echt?

Heute Redaktion
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Seit Wochen scheint der nordkoreanische Machthaber untergetaucht. Jetzt sind Direktiven in seinem Namen aufgetaucht. Sie weichen in Form und Inhalt von früheren Befehlen ab, was neue Fragen aufwirft.

Erstmals seit über zwei Wochen ist der nordkoreanische Machthaber Kim Jong-un aus der Versenkung aufgetaucht – wenn auch nur indirekt. So habe Kim eine Reihe von Direktiven an die Adresse des regionalen Parteikomitees und der -behörden persönlich unterzeichnet, schreibt das Portal "Daily NK". Normalerweise würde der Herrscher solche Direktiven jeweils jeden Mittwoch oder Donnerstag verschicken. Doch jetzt, wo Kim für eine Zeit aus dem Blick der Öffentlichkeit verschwunden und auch bei großen Feiern nicht aufgetaucht war, scheint diese regelmäßige Korrespondenz in die Provinzen unterbrochen worden zu sein.

Allerdings wollen Insider Auffälligkeiten bei den jetzt unterzeichneten Direktiven entdeckt haben. So würden sich Format und Tonfall von früheren Dokumenten unterscheiden, wie "Daily NK" berichtet. "Das Papier, das am 9. April veröffentlicht wurde, beinhaltete beispielsweise zehn Anweisungen", berichtet eine namentlich nicht genannte Quelle dem Portal. "Das soeben unterzeichnete Dokument vom 29. April hingegen umfasst nur drei Direktiven."

Kims Antworten fehlen im Dokument

Auch inhaltlich unterscheide sich das Papier von anderen. Es sei im Ton um einiges allgemeiner gehalten und wiederhole altbekannte Propaganda. So würden die Anstrengungen beim Bau eines Spitals in Pjöngjang gelobt, es werde dazu aufgerufen, die Aktivitäten der Soldaten und Bürger zu "beleben" oder an das zeitgerechte Setzen von Samen erinnert.

Am auffälligsten sei aber, dass Kim im neusten Dokument keine Antwort auf die Vorschläge der Behörden gegeben habe – obwohl diese Antworten eine zentrale Funktion der Dokumente seien.

"Eigentlich darf niemand in Nordkorea Dokumente im Namen von Kim erstellen. Doch das könnte die Erklärung dafür sein, dass sich dieses neue Dokument von den anderen unterscheidet", mutmasst ein ehemaliger nordkoreanischer Beamter. "Sollte Kim seine Führungsaufgaben tatsächlich für eine Zeit ausgesetzt haben, dürften wir in nächster Zeit immer wieder Beispiele sehen, wie die Behörden versuchen, die Führungslücke zu füllen." Sprich: Er zweifelt daran, dass die neusten und möglicherweise auch künftige Anweisungen wirklich von Kim stammen.

Kims Schwester Yo Jong als Nachfolgerin gehandelt

Vor zwei Wochen hatte "Daily NK" unter Berufung auf eine nordkoreanische Quelle berichtet, dass sich Kim Jong-un von einer misslungenen Herzoperation erholen müsse. Andere griffen zudem ein in China schon länger kursierendes Gerücht auf, wonach eine deutsche Ärztedelegation nach Nordkorea entsandt worden sei. Auch dass die nordkoreanischen Staatsmedien seit dem 11. April kein Foto von Kim veröffentlicht haben, befeuerte die Spekulationen – und die Frage, wer Kim beerben würde, sollte sich dieser nicht mehr erholen oder wegen der angeblichen Komplikationen sterben. Die Wahl der meisten Beobachter fällt dabei auf Kims Schwester Yo Jong.

Diese soll wie ihr Bruder vier Jahre in der Schweiz verbracht haben und das jüngste Mitglied der Kim-Familie sein. Mittlerweile ist die auf 32 Jahre geschätzte Nordkoreanerin als Vizedirektorin für Propaganda für die "Soft Power" des Regimes zuständig – etwa indem sie den Personenkult um ihren Bruder orchestriert und Inspektionsbesuche plant. Kürzlich wurde Kim Yo Jong zum stellvertretenden Mitglied des Politbüros ernannt, dem höchsten Gremium der Regierungspartei, was als Ausbau ihrer Machtstellung gesehen wird.

Südkorea, das wohl die meisten Einsichten in den verfeindeten und abgeschotteten Nachbarstaat hat, machte jedoch klar, dass die Spekulationen um die Gesundheit des übergewichtigen Diktators jeder Grundlage entbehrten. Abgesehen von Kim Jong-uns Abwesenheit gäbe es keine außergewöhnlichen Aktivitäten aus Nordkorea zu melden. Satellitenbilder hatten unlängst Kims gepanzerten Luxuszug beim Badeort Wonsan entdeckt. Ob Kim auch wirklich an Bord war, wissen nur wenige.