Gesundheit

Leidest du auch an Pandemic Fatigue?

Schätzungen der WHO zufolge sind 60 Prozent der Bevölkerung von der sogenannten Pandemic Fatigue betroffen. Was hinter dem Phänomen steckt.

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Immer mehr Menschen sind von Covid-19 und den damit verbundenen Einschränkungen genervt.
Immer mehr Menschen sind von Covid-19 und den damit verbundenen Einschränkungen genervt.
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Wie gut kannst du dich noch an die erste Welle der Pandemie erinnern? Wer konnte, ist damals so oft es geht zu Hause geblieben. Beim gründlichen Händewaschen haben viele im Kopf leise auf 30 gezählt und beim Anstehen vor dem Laden penibel darauf geachtet, die mit Klebeband markierten Abstände einzuhalten.

Einige nutzten die zusätzliche Zeit im Lockdown, um sich ein neues Hobby zu suchen. Die einen haben wie wild Sauerteig- und Bananenbrot gebacken, die anderen ihren Balkon bepflanzt oder topmotiviert neue Wohnzimmer-Workouts ausprobiert.

Im Gegensatz zu damals ist die Stimmung in der aktuellen zweiten Welle völlig anders, schreiben Forschende der WHO. Denn viele von uns seien mittlerweile erschöpft und genervt von Covid-19 und den damit verbundenen Einschränkungen. Dieser Zustand nennt sich Pandemic Fatigue, also Pandemiemüdigkeit.

60 Prozent sind laut WHO betroffen

Warum die WHO sich jetzt nicht nur um Corona, sondern auch noch um Pandemic Fatigue sorgt? Weil die Menschen, die darunter leiden, weniger motiviert seien, sich an die Vorschriften zur Eindämmung des Virus zu halten. Laut Berechnungen der Organisation sind aktuell bis zu 60 Prozent der Bevölkerung von Pandemic Fatigue betroffen – mal mehr, mal weniger.

Unter derartigen Umständen ist es nur verständlich, sich abgestumpft und demotiviert zu fühlen.

Dr. Hans Henri P. Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa

Pandemiemüdigkeit äußere sich in einem Gefühl von Bequemlichkeit, Distanzierung und Hoffnungslosigkeit. "Menschen wurden dazu gezwungen, monatelang mit Ungewissheit und Störungen vielfältiger Art zu leben. Unter derartigen Umständen ist es nur verständlich, sich abgestumpft und demotiviert zu fühlen", sagt Dr. Hans Henri P. Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa.

Was gegen die Pandemiemüdigkeit helfen soll

Der Experte ist allerdings zuversichtlich: "Auch wenn wir alle dieser Situation überdrüssig sind, glaube ich, dass wir die aktuellen Herausforderungen dank neuer oder wiederbelebter Impulse bewältigen können." Die Forschenden der WHO haben Ideen geliefert, wie die Mitgliedsstaaten die zunehmende Pandemiemüdigkeit in den Griff bekommen könnten.

Unter anderen soll die Bevölkerung bei der Gestaltung neuer Regeln besser miteinbezogen werden. Denn Vorschriften, die nicht akzeptiert werden, halte die Bevölkerung auch nicht ein. "Die Bürgerinnen und Bürger stehen im Zentrum einer Lösung für die Pandemie, und die Politikerinnen und Politiker sollten sie entsprechend behandeln", appelliert Dr. Kluge.

Zusätzlich soll mithilfe von Datenerhebungen regelmäßig der Puls der Gemeinschaft gefühlt werden. Dr. Kluge plädiert außerdem dafür, nicht nur Expertinnen und Experten aus Medizin und Gesundheit zu Wort kommen zu lassen. In Deutschland habe die Regierung zum Beispiel Philosophen, Historikerinnen, Theologen und Verhaltens- sowie Sozialwissenschaftlerinnen zurate gezogen.

Kluges dritter Appell: "Wir müssen unseren Bedürfnissen auf neue, innovative Weise gerecht werden. Lasst uns dabei kreativ vorgehen." Beispiele hierfür habe man etwa während der ersten Welle beim Ramadan erlebt, wo auf Distanz gefeiert wurde oder das Fastenbrechen virtuell stattgefunden habe. Was die Bekämpfung der Pandemiemüdigkeit angeht, ist sich der WHO-Regionaldirektor sicher: "Ein mutiger Ansatz, bei dem Empathie im Mittelpunkt steht, wird uns durch diese Krise bringen."

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    <strong>1. An „harmlosen“ Treffen teilnehmen: </strong>Lachen, essen, singen und atmen – die Verbreitungswege des Coronavirus sind vielfältiger Natur. Wer sich in den Wohnungen mit Freunden und Familie oft zu Dinner-Partys und anderen kleinen gesellschaftlichen Zusammenkünften trifft, riskiert eine Ansteckung. Die Treffen werden als harmloser eingestuft, als sie in Wahrheit sind. Die meisten Ansteckungen passieren jetzt, wo es kälter wird, bei solchen Events im kleinen Rahmen. Im Umkreis von den Liebsten bei unschuldigen Feiern kann man schon einmal für kurze Zeit das Coronavirus vergessen und dann wäscht man sich nicht so oft die Hände, trägt keine Maske und ist vielleicht sorgloser, was Abstände angeht. <br>
    1. An „harmlosen“ Treffen teilnehmen: Lachen, essen, singen und atmen – die Verbreitungswege des Coronavirus sind vielfältiger Natur. Wer sich in den Wohnungen mit Freunden und Familie oft zu Dinner-Partys und anderen kleinen gesellschaftlichen Zusammenkünften trifft, riskiert eine Ansteckung. Die Treffen werden als harmloser eingestuft, als sie in Wahrheit sind. Die meisten Ansteckungen passieren jetzt, wo es kälter wird, bei solchen Events im kleinen Rahmen. Im Umkreis von den Liebsten bei unschuldigen Feiern kann man schon einmal für kurze Zeit das Coronavirus vergessen und dann wäscht man sich nicht so oft die Hände, trägt keine Maske und ist vielleicht sorgloser, was Abstände angeht.
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