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Richter über Leonies (6) Tod: Gerichtssaal weint

Es ist ein Fall, der alle Beteiligten bis aufs Mark erschüttert hat. Bei der Urteilsverkündung am Donnerstag wurde gejubelt und geweint.

Heute Redaktion
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Lebenslänglich! So lautete das Urteil gegen Daniel H. (28). Vor einem Jahr, am 12. Jänner 2019, wurde die sechs Jahre alte Leonie in der Wohnung ihres Stiefvaters, im deutschen Neubrandenburg, tot aufgefunden. Daniel H. behauptete damals gegenüber der Polizei, dass das Mädchen die Treppe hinuntergestürzt sei. Die Ermittler glaubten ihm allerdings nicht. Sie fanden überall in der Wohnung Blutspuren, die der 28-Jährige nicht erklären konnte.

Erste Tränen im Gerichtssaal

Am Donnerstag stand der Richter für die Urteilsverkündung auf. Er erklärt: "Nach unterer Überzeugung ist Leonie nicht die Treppe hinuntergestürzt." Er sei überzeugt, dass ein Puppenwagen die Treppen runterfiel. Den Grund für seine Vermutung führte er dann so aus: Das Gericht ging davon aus, dass Leonies Mutter, Janine Z. (25), die Wohnung verlassen hatte. Die kleine Leonie hätte das bemerkt und wollte ihrer Mama nachlaufen. Offenbar soll die Sechsjährige gewusst haben, dass Janine Z. geplant hatte, den Angeklagten zu verlassen. Aus Angst, sie hätte sie vergessen, packte Leonie ihre Jacke und ihren Puppenwagen.

Währenddessen soll der Stiefvater des Mädchens nichts davon mitbekommen haben. Er habe geraucht. Dann hörte er wohl einen Rums. Als Leonie im Stiegenhaus nach unten wollte, soll der Puppenwagen die Treppen hinuntergestürzt sein. Nach der Ansicht des Gerichts sei das Mädchen durch vorherige Misshandlungen so stark verletzt gewesen, dass sie diesen nicht mehr halten konnte.

Daniel H. bekam das mit und stürmte nach draußen. Der Richter führte dann aus: "Der Angeklagte ist hochgradig verärgert, dass Leonie eigenwillig die Tür geöffnet hat und die Wohnung verlassen wollte. Das war zu viel für ihn. Es folgt die Bestrafungsaktion. Leonie weiß, was jetzt folgt: Der Angeklagte schlägt massiv auf sie ein, verwendet einen Sicherungsbügel von einem Kinderwagen." Dabei hält er einen Bügel in die Höhe, auf der man Blut des Mädchens fand. Bereits da beginnen einige Zuseher im Gerichtssaal zu weinen.

Zweifel an der Mutter

Danach beschreibt der Richter die Misshandlungen und Verletzungen des Mädchens. Er zitiert dabei die Gutachterin Britta Bockhold, die an einem Prozesstag fast fünf Stunden lang darüber sprach. So vermutet sie, dass Leonie immer wieder geboxt und getreten wurde. Am 12. Jänner 2019 habe Daniel H. mit dem Kinderwagenbügel so heftig auf den Kopf der Sechsjährigen eingeschlagen, dass es zu einer Hirnblutung kam. Der leibliche Vater von Leonie brach damals zusammen und musste aus dem Gerichtssaal gebracht werden. Auch während der Urteilsverkündung begann er zu weinen und zu schluchzen.

Nach der Bestrafung kehrte die Mutter von Leonie nach Hause. Sie bekam mit, wie Daniel H. dem Kind einredete, dass es die Treppe hinuntergestürzt sei. Die Sechsjährige konnte sich jedoch kaum bewegen und reagierte fast nicht mehr auf die Worte ihres Stiefvaters. Dieser hielt dann seine Freundin davon ab, Hilfe zu holen.

Janine Z. wollte inzwischen ihre Tochter baden. In der Badewanne hätte die 25-Jährige die blutunterlaufenen Augen des Mädchens bemerkt. Dass die Frau die Verletzungen davor nicht sah, zweifelt der Richter in seiner Rede an, das würde man aber zu einem späteren Zeitpunkt aufklären.

Vater spricht über seine Gefühle

Leonie fiel auf die Fliesen und hörte auf sich zu bewegen. Daniel H. hätte den lebensbedrohlichen Zustand der Sechsjährigen bemerkt, aber nur einen Anruf bei der Rettung vorgetäuscht. Der Richter dazu: "Es ist Mord durch Unterlassen. Der Angeklagte nimmt billigend in Kauf, dass Leonie sterben könnte. Er legt sie ins Bett, schaltet den Fernseher an und überlässt Leonie ihrem Schicksal. Für Leonie beginnt ein langsamer Sterbeprozess."

Der Richter klärt auf, dass das Mädchen überlebt hätte, wenn man rechtzeitig einen Notarzt gerufen hätte. Erst als die Sechsjährige zu röcheln begann, rief Daniel H. die Rettung. Viel zu spät: Um 19.32 Uhr kam der erste Sanitäter in die Wohnung. Leonie hörte zwischen 19.10 und 19.15 Uhr auf zu atmen, so der Richter.

Das Urteil

Als das Wort "lebenslänglich" fällt, wird im Saal gejubelt. Auch Tränen fließen. Gegenüber "Bild" spricht der leibliche Vater von Leonie über seine Gefühle: "Ich habe das Urteil nicht erwartet. Als ich in den Gerichtssaal kam, habe ich gebetet. Als der Richter sagte, dass er wegen Mordes verurteilt wird, ist alle Last von mir gefallen". Dann weiter: " Es schmerzt zu wissen, wie sie gelitten hat". Er sei nun froh, dass seine Tochter nun an einem besseren Ort ist und keine Schmerzen hat.

Aktuell wird auch gegen die Mutter von Leonie wegen Körperverletzung mit Todesfolge ermittelt. Auch muss sie sich dafür verantworten, dass sie die Verletzungen des Mädchens nicht eher gemeldet hatte. Janine Z. gibt an, dass sie vom Angeklagten bedroht wurde.