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Lessing: "Frauen als Gegenpol zu Politik"

Heute Redaktion
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Der international bekannte österreichische Fotograf Erich Lessing zeigt ab 19. Juni in seiner Galerie in der Wiener Innenstadt die Ausstellung Gilrs oft he 50. Im Mittelpunkt steht das Strandleben in Italien und Dänemark der 50er Jahre . Heute hat ihn zu diesem Anlass interviewt.

Der international bekannte, österreichische Fotograf Erich Lessing (88) zeigt ab 19. Juni in seiner neuen Galerie in der Wiener Innenstadt die Ausstellung „Girls of the 50s“. Im Mittelpunkt steht das Strandleben in Italien und Dänemark der 50er Jahre . „Heute“ hat ihn zu diesem Anlass interviewt.

 

Ich treffe Erich Lessing in seiner Galerie in der Wiener Weihburggasse. Gerade hat er die Abzüge von Bildern für eine Klimt-Evokation erhalten. Gemeinsam schauen wir die Fotos durch, Lessing ist mit dem Produkt zufrieden, ärgert sich kurz über den Termin der bevorstehenden Klimt-Ausstellung ("... ausgerechnet an meinem Geburtstag, da bin ich nicht da!"), lehnt sich zurück, verschränkt die Hände hinter dem Kopf und ist bereit für das Interview.

Der 88-Jährige wirkt wie ein 60-Jähriger, ist während des eineinhalbstündigen Gesprächs voll bei der Sache, und ist am Ende des Gesprächs enttäuscht, dass es "schon wieder vorbei ist".

Lessing über das Thema "Frauen"

- Heute: Herr Lessing, Ihre zweite Ausstellung trägt den Titel „Girls oft he 50“. Wie kam es, dass ein politisch und historisch interessierter Fotograf sich so oft mit dem Thema „schöne Frauen“ auseinandergesetzt hat?

- Erich Lessing: Ich wurde dazu angehalten, ein Gegenpol zur Politik zu schaffen. Und das Thema Frauen ist doch  immer interessant. Ich habe dann auch ein bissl Skifahrer- und ein bissl Nacht-Bilder gemacht – obwohl ich eigentlich nie ein Nachtschwärmer war.

- Heute: Warum Skifahrer?

- Lessing: Meine Frau und ich waren oft in Lech Skifahren.

- Heute: Sie sind viel herumgereist, haben schöne Frauen fotografiert: War das nicht eine Belastungsprobe für Ihre Ehe?

- Lessing: In der Zeit, als die Frauenbilder entstanden sind, waren meine Frau und ich tatsächlich oft getrennt – wir reisten beide für unsere Arbeit viel herum – oft fanden wir dann aber doch Gelegenheit, uns zu treffen – meist auf Flughäfen. Bis wir uns dann dazu entschlossen haben, sesshaft zu werden und eine Familie zu gründen. Ich habe mich dann mehr mit Museen-Motiven beschäftigt.

Lessing über heimische Politiker

- Heute: Ihre Porträt-Aufnahmen sind rar geworden. Liegt es daran, dass die Persönlichkeiten heute austauschbarer, vielleicht auch uninteressanter geworden sind? Wen würden Sie heute gerne fotografieren?

- Lessing: Heutzutage sind die Menschen anders. Österreich ist irgendwie kleiner geworden. Auch ist es heute  ungleich schwerer, an Politiker heran zu kommen, als früher. Das hat mit dem Kennedy-Anschlag begonnen. Die Angst vor Attentätern ist sehr groß. Auch sind die Politiker heute völlig überlastet. Für eine Reportage interessant wäre aber, mit der Angela Merkel herumzureisen. Sie ist eine interessante Persönlichkeit.

- Heute: Wer würde für eine Reportage in Österreich für Sie in Frage kommen?

- Lessing: Sicher der Pröll (Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll, Anm.) und der Häupl (Wiens Bürgermeister Michael Häupl, Anm.). Das sind Persönlichkeiten, die sich schon lange an der Macht halten, ohne wirklich je angegriffen worden zu sein. Ob etwa Pröll auch eine Lichtgestalt wäre, wenn sein Reich 60 Mio. Menschen umfassen würde, weiß ich nicht. Bis jetzt ist es nur Bruno Kreisky gelungen, weit über die Grenzen bekannt zu werden.

Lessing über Kreisky

- Heute: Kreisky haben Sie oft porträtiert. Was verband Sie mit dem ehemaligen Bundeskanzler?

- Lessing: Wir waren befreundet, waren oft gemeinsam in Lech Skifahren. Dort hat er mir übrigens ganz nebenbei meinen Professoren-Titel gegeben. Jonas hatte mir den Titel verweigert, will ich erst 49 Jahre alt war – seiner Meinung nach 1 Jahr zu jung. Beim Abschnallen der Ski vor dem Hotel Post sagte Kreisky ganz nebenbei zu mir: Geh, komm nachher bei mir vorbei, ich hab den Professoren-titel für dich mit. Das war typisch für ihn. Aber er hat mich auch oft runtergeputzt. Denn er war ein sehr präziser Mensch und vertrug keine Unpräzisionen.

- Heute: Gibt es Bilder, für die Sie sich genieren?

- Lessing: Nein, ich habe Menschen immer nur dann fotografiert, wenn ich wusste, dass ich sie mit dem Foto nicht herabsetzten würde. Dadurch schaffte ich mir ein Vertrauensverhältnis, das eine besondere Nähe zu den Menschen zuließ.

Lessing über Armut

- Heute: Sie haben früher oft Armut fotografiert. Wäre das heute nicht wieder ein Thema für eine Reportage?

- Lessing: Ich sitze in einer Foto-Jury, da gibt es oft interessante Bilder, die Armut zeigen. Nie jedoch schaffen es die Fotografen, daraus eine Reportage zu machen. Die Zeit der großen Reportagen ist abgelaufen. Die Medien geben dafür leider keinen Platz mehr her.

- Heute: Für Sie kein Thema mehr?

Lessing über aktuelle Arbeiten

- Lessing: Ich kümmere mich heute mehr um religiöse Themen – obwohl ich ein völlig areligiöser Mensch bin. Denn die Bibelgeschichte ist voller Artefakte – das reizt mich besonders. Meine sogenannten „Evokationen“ bestehen aus Artefakten von interessanten Persönlichkeiten. Derzeit arbeite ich an Foto-Arbeiten mit persönlichen Utensilien von Gustav Klimt.  Ärgerlich nur, dass die Ausstellung dazu genau an meinem 89. Geburtstag angesetzt wurde – da bin ich mit meiner Familie in Ungarn.

 

Die Ausstellung ist ab 19. Juni in der „Galerie Erich Lessing“ in der Weihburggasse 22 zu sehen.

Maria Jelenko

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