Gesundheit

Schon im Kindergarten – immer mehr Kinder denken an Sui

Die zunehmenden psychischen Krisen bei Kindern und Jugendlichen führen zu immer mehr Suizidgedanken. Fachleute fordern besser Präventionsmaßnahmen.

Kinder und Jugendliche rufen dringend nach Hilfe.
Kinder und Jugendliche rufen dringend nach Hilfe.
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Rund 1100 Menschen sterben in Österreich jedes Jahr durch Suizid. 25 bis 30 der Opfer sind unter als 18. Damit ist Suizid nach Verkehrsunfällen hierzulande die zweithäufigste Todesursache bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Die Zahlen aus dem klinischen Bereich zeigen, dass die Suizidalität bei Kindern und Jugendlichen seit dem Jahr 2018 um das Dreifache gestiegen ist.

"In Österreich wurde in den vergangenen Jahren an den Kliniken und auch in niedergelassenen Bereich eine deutliche Zunahme von Kindern und Jugendlichen beobachtet, die sich mit Suizidgedanken oder nach einem Suizidversuch vorgestellt haben", sagt Univ.Prof. Dr. Paul Plener, Vorstand der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Medizinischen Universität Wien und Präsident der ÖGKJP.

Akute Krisen sind das Problem

Die Problemlagen dahinter seien nicht immer eine Depression, die allerdings auf hohem Niveau gleich geblieben sind. Vielmehr würden sich akute Belastungen und psychische Krisen bei den jungen Opfern zeigen, berichtet Univ. Prof. Dr. Isabel Böge, Primaria der Abteilung für Kinder und Jugendpsychiatrie und Psychotherapeutische Medizin am LKH Süd und Vizepräsidentin der ÖGKJP.

Während Suizidalität 2019 eher bei 13- bis 15-Jährigen auftrat, habe sich in den vergangenen Jahren im LKH Süd eine Altersverschiebung auf 14- bis 17-Jährige abgebildet. Doch auch ein Trend unter ganz jungen Kindern ist mittlerweile vorhanden: "Besonders erschreckend war für mich die Erfahrung, dass immer jüngere Kinder, auch schon im Volksschul- und eines sogar im Kindergartenalter, über Suizidgedanken und teilweise konkrete Suizidpläne gesprochen haben. Sie waren einfach in einer verzweifelten Lage und wollten so nicht weiterleben", erklärte Ulrike Altendorfer-Kling, Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapeutische Medizin und Generalsekretärin der ÖGKJP.

Wiederkehrende Gedanken und zu wenig Hilfeleistung.
Wiederkehrende Gedanken und zu wenig Hilfeleistung.
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Immer mehr wiederaufnahmen

Die jungen Patienten, würden dieses Verhalten, oft schon von ihren Eltern oder anderen Familienmitglieder als "Problemlösungsstrategie" vorgelebt bekommen. Zudem hätten die Betroffenen oft "Angst vor Stigmatisierung" und würden deshalb selbst nicht zu den dafür vorgesehenen Fachärzten gehen.

"Wir haben aktuell noch keine Zunahme an vollendeten Suiziden. Das ist das, was es dringend gilt zu verhindern: dass wir nicht so lange zuwarten und der Entwicklung zuschauen, bis wir dann in einer zunehmenden Zahl von vollendeten Suiziden ankommen", so Böge. Die Wiederaufnahmerate aufgrund von wiederkehrenden Suizidgedanken habe deutlich zugenommen.

Nur die Hälfte der Betten

Doch genau dafür fehlen die Kapazitäten in Österreich. "Wir haben zu wenig stationäre Kapazitäten, was auch mit einem Fachkräftemangel ein Stück weit zu tun hat", sagte Plener. Österreichweit sind von etwa 800 Betten, die auf der Kinder- und Jugendpsychiatrie laut österreichischem Strukturplan Gesundheit verfügbar sein sollten, nur 432 tatsächlich vorhanden, sagte der Mediziner. "Wir sind weit entfernt von einer guten Versorgung." Im Burgenland etwa gebe es kein einziges kinder- und jugendpsychiatrisches Bett.

Betroffene, die dringend nach Hilfe suchen, würden deshalb oft eine sehr erschreckende Antwort hören: "Wir können Ihnen jetzt leider noch nicht helfen." Die Wartezeiten für eine Therapie betragen oft 6 bis 9 Monate. Die ÖGKJP forderte aus diesem Grund erneut einen kassenfinanzierten Zugang zu kinder- und jugendpsychiatrisch-fachärztlicher, psychotherapeutischer und psychologischer Hilfe für alle von psychischen Erkrankungen betroffenen Minderjährigen.

Wir brauchen mehr Sofort- Hilfe- Leistungen.
Wir brauchen mehr Sofort- Hilfe- Leistungen.
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Hier gibt es Hilfe

Selbst an den Schulen ist wenig Information und Wissen über Präventions- und Hilfsangebote vorhanden, merkt Altendorfer- Kling an. "Suizidpräventionsangebote, müssen dringend erweitert werden!", so Böge.

Aktuell gibt es eine Reihe von wichtigen Hilfseinrichtungen und Anlaufstellen für Menschen in akuten Krisensituationen. Unter www.suizid-praevention.gv.at findet man Notrufnummern und Erste Hilfe bei Suizidgedanken, darunter: die Telefonseelsorge (142), die Ö3 Kundennummer (116 123), Rat auf Draht für Kinder und Jugendliche (147).