Politik

Live: Riesen-Eklat im Parlament

Heute Redaktion
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Die Sitzung des Nationalrats ist Donnerstagvormittag von einem Eklat überschattet worden. FPÖ und BZÖ verließen das Plenum Donnerstagvormittag wegen eines Streits über den Europäischen Rettungsschirm.

Ob die Bündnis-Orangen nach einer eilig einberufenen Klubsitzung zurückkehren, war vorerst unklar. Die FPÖ kehrte nach rund 20 Minuten wieder, um doch an der Debatte über das Bildungsvolksbegehren teilzunehmen.

Begonnen hatte der Wirbel mit einer Einigung von Koalition und Grünen, wie das Parlament in die Entscheidungen des ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus, s. unten) einbezogen wird. Der entsprechende Antrag wurde - kurzfristig - heute auf die Tagesordnung genommen und soll als letzter Tagesordnungspunkt diskutiert werden, bevor er bei der geplanten Sondersitzung zum Transparenzpaket beschlossen wird.

Freiheitliche kamen zurück

BZÖ und Freiheitliche marschierten daraufhin geschlossen aus dem Plenarsaal. Das BZÖ strich alle Mandatare von der Rednerliste. Bei den Freiheitlichen kehrten die Fraktionsmitglieder wieder zurück.

"Nacht- und Nebelaktion"

BZÖ-Klubchef Josef Bucher sprach von einer "skandalösen Vorgehensweise": Einzelne Punkte sollten außerdem unter Geheimhaltung fallen. Die FPÖ sprach von einer "Nacht- und Nebelaktion". Strache in einer Aussendung: "Die ESM-Vertrag-Geschäftsordnungsnovelle überfallsartig in die aktuelle Tagesordnung hineinzupressen, kommt einem Parlamentsstreich sowie einer Verhöhnung unserer Demokratie gleich."

Koalition und Grüne: "Unverständlich"

Die Koalition und die Grünen argumentierten, es sei noch genug Zeit zur Debatte bis zum Beschluss. Zusätzlich gehe es um eine Materie, die eine Stärkung der parlamentarischen Mitsprache bringe: "Es ist völlig unverständlich, wieso FPÖ und BZÖ dagegen opponieren, dass die Mitwirkungsrechte des österreichischen Parlaments in zentralen finanzpolitischen Fragen Europas gestärkt werden", so der Grüne Vizeklubchef Werner Kogler in einer Aussendung.

Der Nationalrat beendet am Donnerstag außerdem die Behandlung des Sie verlangen eine Fristsetzung für ihren Antrag für eine Abwahlmöglichkeit für Nationalratspräsidenten.

Hintergrund: Das ist der ESM

Der permanente Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) löst im Sommer den bisherigen befristeten Euro-Rettungsfonds (EFSF) ab. Damit sollen Euro-Krisenstaaten wie Griechenland, Portugal oder Irland vor einem Kollaps durch unbezahlbar hohe Anleihezinsen geschützt werden. Auch den strauchelnden spanischen Banken soll geholfen werden. Der dauerhafte Rettungsschirm wird schrittweise über eine Kapazität für Notkredite von 500 Mrd. Euro verfügen. Kombiniert mit noch vorhandenen Mitteln im EFSF ergibt sich vorübergehend ein Euro-Schutzwall von rund 800 Mrd. Euro.

Der ESM soll am 1. Juli starten. Der Vertrag tritt aber erst in Kraft, sobald Länder, die zusammen 90 Prozent des eingezahlten Kapitals stellen, den Vertrag abgesegnet haben. Die Ratifizierung in den Unterzeichnerstaaten kommt nur langsam voran. Bisher haben das erst Frankreich, Slowenien und die beiden Krisenstaaten Portugal und Griechenland erledigt. In den Niederlanden hat der Sturz der Regierung die Ratifizierung aufgehalten. Die Slowakei hat die ESM-Ratifizierung für die Parlamentssitzung am 19. Juni angekündigt.

Österreich wird sich am ESM mit insgesamt 2,23 Mrd. Euro in Cash sowie weiteren 17,3 Mrd. Euro an Garantien beteiligen. In Österreich haben SPÖ, ÖVP und Grüne am Donnerstag einen Initiativantrag eingebracht, der dem Nationalrat Mitbestimmungsrechte bei Entscheidungen des ESM gibt, in dem Österreich von der Finanzministerin vertreten wird. Die erforderlichen Änderungen sollen schon Ende Juni im Verfassungsausschuss und dann entweder bei der geplanten Sondersitzung zum Transparenzpaket Ende Juni oder in der Juli-Plenarwoche im Nationalrat beschlossen werden, so dass der ESM am 1. Juli gemeinsam mit den Mitbestimmungsrechten des Parlaments in Kraft treten kann. SPÖ und ÖVP hatten in den vergangenen Wochen noch um die Unterstützung der Grünen gerungen. Diese benötigen sie für die Änderung des EU-Vertrags, die nur mit Zweidrittelmehrheit erfolgen kann.