Gesundheit

Long Covid im Blick: Forscher weisen Virus im Auge nach

Coronaviren infizieren zwei Zelltypen in der menschlichen Netzhaut. Long Covid könnte damit auch für die Augen gefährlich sein. 

Sabine Primes
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Im Zuge der Corona-Nachsorge sollte auf die Augen nicht vergessen werden.
Im Zuge der Corona-Nachsorge sollte auf die Augen nicht vergessen werden.
Getty Images/iStockphoto

Dass Coronaviren nicht nur die oben und unteren Atemwege infizieren, belegen nun neue Erkenntnisse. Denn Corona kann – im doppelten Sinn – ins Auge gehen. Tatsächlich wurde in Autopsien von Patienten, die an COVID-19 gestorben sind, mRNA von Coronaviren im Gehirn nachgewiesen. Es gibt zudem immer mehr Hinweise darauf, dass diese auch in die Netzhaut des Auges gelangen und Schäden anrichten können. Doch es ist unklar, welche Netzhautstrukturen von SARS-CoV-2 infiziert werden und ob die Netzhautschäden direkt oder indirekt Folge einer Infektion sind. Ein Forscherteam vom Max-Planck-Institut (MPI) für molekulare Biomedizin hat nun in Kooperation mit Kollegen von der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster herausgefunden: SARS-CoV-2 infiziert tatsächlich Netzhautzellen, vor allem retinale Ganglienzellen, aber auch Lichtsinneszellen. Darüber hinaus zeigen die Forscher, dass sich Coronaviren auch in diesen Zelltypen vermehren können. Diese Erkenntnis ist neu und unterstreicht die Notwendigkeit, retinale Krankheitsbilder als mögliche Folge von Long Covid zu beobachten.

Forschung am Netzhautmodell

Die MPI-Gruppe um Thomas Rauen und Hans Schöler erstellte aus menschlichen re-programmierten Stammzellen Organoide – ein organähnliches Modellsystem – der Netzhaut. Die ausgereiften Netzhautorganoide wurden von den Wissenschaftlern in einem Sicherheitslabor mit SARS-CoV-2 Viren infiziert und nach festgelegten Inkubationszeiten analysiert. So gelang den Forschern mittels quantitativer PCR-Analyse der Nachweis von SARS-CoV-2 mRNA in den Organoiden, was darauf hindeutet, dass Zellen in den Organoiden tatsächlich vom Virus infiziert wurden.

Und tatsächlich: Es hatten sich in den Retina-Organoiden neue Virusnachkommen gebildet. "Dies ist der erste Nachweis, dass sich SARS-CoV-2 in menschlichen Netzhautzellen repliziert", sagt Thomas Rauen. Um zu erfahren, welche Zellen in den Retina-Organoiden betroffen sind, analysierten die Forscher sie im Fluoreszenzmikroskop. Es zeigte sich, dass hauptsächlich zwei Zellschichten der Retina-Organoide infiziert wurden. Die  retinalen Ganglienzellen in der Netzhaut Lichtsinneszellen waren infiziert.

Long Covid in den Augen

"Unsere aktuelle Retina-Organoid Studie zeigt, dass eine Infektion mit SARS-CoV-2 direkte krankhafte Folgen für die retinalen Ganglienzellen haben kann, auch wenn Sehbehinderungen bei Patienten mit COVID-19 nicht häufig vorkommen“, sagt Thomas Rauen. "Unsere Daten geben Grund zur Annahme, dass Long Covid-Symptome degenerative Erkrankungen der Netzhaut einschließen können."