Welt
Lukaschenko lässt eigene Anhänger mit Bussen einfahren
Der weißrussische Präsident Lukaschenko hat auf dem Unabhängigkeitsplatz eine Rede gehalten. Seine Zuhörer wurden mit Bussen vor Ort gebracht.
Zu Fuß und unter dem Lärm von Autohupen wie bei einem gewonnenen Fußballspiel ziehen die Menschen ins Zentrum von Minsk zum bisher größten Protest gegen Alexander Lukaschenko. Sie tragen die historischen rot-weißen Fahnen von Belarus – ein Ausdruck nationalen Selbstbewusstseins. "Lukaschenko ist am Ende, die Frage ist nur, wie lange er noch kämpft", sagt die Bürokauffrau Nadeschda am Sonntag auf der Straße. Auf 200.000 Demonstranten schätzen soziale Netzwerke anhand von Drohnenaufnahmen die Protestmenge.
Seit der Präsidentschaftswahl am vergangenen Sonntag protestieren tausende Weißrussen gegen das seit 26 Jahren herrschende Regime Lukaschenkos. Die schiere Wut über Lukaschenko, dem sie eine gefälschte Präsidentenwahl vorwerfen, treibt sie auf die Straßen.
30 Euro für Teilnahme an Demo
Kurz zuvor noch lässt der Machthaber Lukaschenko aus allen Teilen des Landes Unterstützer in Bussen herankarren. Einige Staatsbedienstete berichteten, sie seien gezwungen worden, an ihrem arbeitsfreien Sonntag Lukaschenko die Treue zu schwören. Auch von einer kleinen Bezahlung für die Demo-Teilnahme ist die Rede, wie die "Bild" schreibt, umgerechnet etwa 30 Euro. Das Ziel des 65-Jährigen: Den Anschein zu erwecken, dass die Mehrheit des Volkes hinter ihm steht. In einer Rede auf dem Unabhängigkeitsplatz bedankt er sich für die Unterstützung. Ein großes Problem des Präsidenten: Gleich beide weißrussischen Staatssender verzichten auf die Übertragung der Rede.
In seiner Ansprache wird klar: Er will Präsident bleiben, koste es, was es wolle. Lukaschenko: "Die Zeiten sind ernst, die Zeiten sind sehr ernst. Ich habe euch hierher gerufen, damit ihr das Land verteidigt." Seine Gegner bezeichnet er als Ratten und Abschaum. Den Vorwurf der Wahlfälschung weist er entschieden zurück. Er sagt: "Ich werde es nicht zulassen, dass unser Land aufgegeben wird, selbst wenn ich tot bin."
Staatsfernsehen droht mit Ausstand
An Einlenken denkt Lukaschenko bisher nicht. Er sieht sein Land umzingelt von Feinden – etwa im Nachbarland Polen –, die ihn stürzten wollten. Vermittlungsangebote lehnt er ebenso ab wie Angebote seiner Gegner, in Dialog zu treten. Bei mehreren Auftritten am Wochenende macht er wieder klar: Er gebe das Land nicht her. Um keinen Preis.
Für diesen Montag hat auch das Staatsfernsehen mit einem Aufstand gedroht. Die Senderleitung bestelle Berichte zu den Erfolgen der Getreideernte, während auf den Strassen draußen der Aufstand tobe, klagt der Beleuchter Wladimir Iljitsch Titajanko vor Journalisten. Er spreche nur für das technische Personal, gehe aber davon aus, dass da 90 Prozent mitmachen würden. Es gebe keine Antworten auf wichtige Fragen, sagt Wladimir: Wer übernimmt die Verantwortung für die Toten und Verletzten bei den Protesten?
Grund der Proteste
Der 65-jährige Lukaschenko regiert das Land seit 26 Jahren autoritär. Bei der Wahl am vergangenen Sonntag hatte er sich zum Sieger mit großem Vorsprung erklärt. Die Opposition machte Wahlbetrug aus und reagierte mit Demonstrationen, gegen die Sicherheitskräfte vorgingen. Auch die Europäische Union äußerte Zweifel an der Wahl. Am Freitag hatte die EU Sanktionen gegen Personen auf den Weg gebracht, die für mutmaßliche Wahlfälschung und die Niederschlagung von Protesten verantwortlich gemacht werden. Ein EU-Diplomat hatte gesagt, die EU müsse Druck auf Lukaschenko ausüben, ohne ihn weiter in die Arme Russlands zu treiben.