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Manfred Bockelmann gibt Holocaust-Opfern ein Gesicht

Heute Redaktion
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Bild: Helmut Graf

Er nennt seine Kohlezeichnungen "Schamarbeit". Die Scham gegenüber seiner Elterngeneration, die über den Holocaust geschwiegen hat. Ab Freitag hängen die überdimensionalen Porträts von Opfern im Leopold Museum - mit "Heute" spricht der Bruder von Udo Jürgens übers "Zeichnen gegen das Vergessen".

Er nennt seine Kohlezeichnungen "Schamarbeit". Die Scham gegenüber seiner Elterngeneration, die über den Holocaust geschwiegen hat. Ab Freitag hängen die überdimensionalen Porträts von Opfern im Leopold Museum – mit "Heute" spricht der Bruder von Udo Jürgens übers "Zeichnen gegen das Vergessen".

"Heute": Warum wollen Sie, dass uns die Kinder ansehen?

Bockelmann: "Ich durchkreuze mit den Bildern einen perfiden Plan. Den, diese schönen, klugen, jungen Menschen auszulöschen. Ich hole sie aus der Anonymität der Statistik."

Wer sind diese Kinder?

"Einerseits Juden, von denen im KZ erkennungsdienstliche Fotos gemacht wurden. Sie haben die Schmach des Transports, Haarescherens, Entkleidens hinter sich, stehen aber noch am Anfang ihres Martyriums. Roma und Sinti hingegen wurden als Familie zum Fototermin bestellt. Sie sind fein gekleidet, skeptisch, aber auch neugierig, was passiert."

Warum wirken andere Kinder so gelöst, so glücklich?

"Sie schauen nicht ihren Mördern in die Linse. Sie entstammen Familienalben, die im KZ abgenommen wurden."

Sie wollen Opfern eine Persönlichkeit geben. Woher glauben Sie, diese zu kennen?

"Das tue ich nicht. Aber durchs Zeichnen lerne ich sie kennen. Und wenn dem an einem gewissen Punkt nicht so ist, höre ich sofort damit auf."

Holocaust polarisiert immer. Ist diese Schau nicht Kalkül?

"Nein, dieses Thema ist zu riskant. Nicht überzeugend gemacht, kann das ruinös sein."

Ihr Highlight in der Schau?

"Vielleicht der Film, der gezeigt wird. Ich fahre in der Nacht durch Straßen und projiziere die Bilder auf Hauswände. Ich bringe den Menschen ihre Kinder zurück."

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