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Mann flüchtet vor Hass-Mob und wird von Bim überfahren

Der Tod von Jérémy Cohen in einem Pariser Vorort bewegt Frankreich: Wie ein Video zeigt, flüchtete der 31-Jährige vor einer prügelnden Menschenmenge.

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    Jérémy Cohen starb, als er am 16. Februar in einem Pariser Vorort von einer Straßenbahn überfahren wurde.
    Jérémy Cohen starb, als er am 16. Februar in einem Pariser Vorort von einer Straßenbahn überfahren wurde.
    20 Minuten

    Das Video eines Anwohners im Pariser Vorort Bobigny, das dieser am 17. Februar filmte, ist erschreckend: Es zeigt, wie ein Mann von einer wütenden Menge geschlagen und getreten wird und zu Boden geht. Dann rappelt er sich wieder hoch und rennt auf der Flucht auf die Straße – direkt vor eine einfahrende Straßenbahn. Er erlitt dabei schwerste Verletzungen, denen er später im Spital erlag.

    Der junge Mann im Video ist Jérémy Cohen, 31 Jahre alt. Sein Tod war als Unfall betrachtet worden, doch dann mehrten sich die Anzeichen, dass Cohen womöglich das indirekte Oper eines antisemitisch motivierten Mobs geworden war. Zum Zeitpunkt der Attacke trug der jüdisch-stämmige Cohen seine religiöse Kopfbedeckung, die Kippa. Diese wurde nach dem Unfall vor Ort gefunden und dem Vater übergeben. Dieser vermutete von Anfang an, dass hinter dem Tod seines Sohnes mehr als ein gewöhnlicher Verkehrsunfall stecken könnte.

    Video zeigt Flucht und Unfall des Opfers

    Nun tauchte nach einem Aufruf des Vaters des Opfers nach Hinweisen das Video eines Anwohners von Bobigny auf, das diese These zu erhärten scheint, wie "Le Parisien" berichtet. Dieses wühlt derzeit Frankreich auf, das sich im Endspurt des Wahlkampfs um die Präsidentschaft befindet.

    "Die Hypothese, dass das Opfer die Tramgleise überquert hat, um seinen Angreifern zu entkommen, wurde natürlich berücksichtigt", sagte der zuständige Staatsanwalt Eric Mathais zwar in einer Pressemitteilung. Am 29. März wurde dann auch eine gerichtliche Untersuchung wegen "vorsätzlicher Gewalt bei einer Versammlung mit Todesfolge ohne Todesabsicht" eingeleitet.

    Nun wandte sich sein Vater via Fernsehen an die Öffentlichkeit und die Politik.
    Nun wandte sich sein Vater via Fernsehen an die Öffentlichkeit und die Politik.
    20 Minuten / Screenshot CanalPlus

    Doch Cohens Eltern sind nicht zufrieden mit dem Fortgang der Ermittlungen und werfen ihnen Untätigkeit vor. Auch Politikerinnen und Politiker, etwa Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen von der rechtsgerichteten Partei Rassemblement National, stützen diese Überzeugung: Sie äußerte laut der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" den Verdacht, die Regierung wolle den Vorfall vertuschen, "weil man während der Wahlkampagne nicht über so etwas reden wolle". Denn bei den Angreifern soll es sich um junge arabischstämmige Männer handeln.

    Vater wandte sich an Eric Zemmour

    Nun ging Gérald Cohen, der Vater von Jérémy, in die Offensive und gab in einem Fernsehinterview an, er habe sich nun direkt an die Regierung sowie an den rechtsextremen Präsidentschaftskandidaten Eric Zemmour gewandt, um Druck auf die Ermittlungen auszuüben. Zemmour, der selbst aus einer jüdischen Familie stammt, hatte immer wieder grassierenden Antisemitismus in der überwiegend von Franzosen islamischen Glaubens bewohnten Banlieue beklagt.

    Der rechtsextreme Eric Zemmour versuchte aus dem Hilferuf der Familie Kapital für seine Präsidentschaftskandidatur zu schlagen.
    Der rechtsextreme Eric Zemmour versuchte aus dem Hilferuf der Familie Kapital für seine Präsidentschaftskandidatur zu schlagen.
    THOMAS COEX / AFP / picturedesk.com

    Gegen den Willen des Vaters verbreitete er das Video in sozialen Netzwerken – und will daraus politisches Kapital schlagen: Der Tod Cohens sei "das erschreckende Symptom der Tragödie unseres Landes", sagte Zemmour. Am kommenden Sonntag findet in Frankreich der erste Wahlgang zur Präsidentschaft statt.