Österreich

Mann war trotz Pflegestufe 6 wandern: Haftstrafe

Heute Redaktion
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Am Dienstag wurde in Krems ein 40-jähriger Niederösterreicher zu einer Haftstrafe verurteilt, nachdem er über Jahre zu Unrecht Pflegegeld kassiert hatte.

Wenn der Gutachter kam, war stets Showtime: Volle Windeln, kaum in der Lage zu sprechen oder alleine aus dem Rollstuhl aufzustehen – schon seit der Jahrtausendwende täuschte ein Niederösterreicher (40) seinem Sozialversicherungsträger schwerste Behinderung vor. Ihm wurde sogar die Pflegestufe 6 (also die zweithöchste) zuteil. Der Mann kassierte so jahrelang Pflegegeld und Pension - in Summe laut Anklage rund 218.000 Euro.

Doch fast alle Leiden waren nur gespielt, zu diesem Schluss kam am Dienstag der Richter am Landesgericht in Krems. Der Staatsanwalt sprach am letzten Verhandlungstag des langwierigen Prozesses ("Heute" berichtete mehrmals) gar von "einem der größten Sozialbetrüger in der Geschichte Österreichs" und legte eine Reihe von erdrückenden Beweisen vor.

Wandern in Südafrika

So wurde der 40-Jährige, kurz nachdem er augenscheinlich noch bettlägerig gewesen war, beim Wandern in Griechenland oder Südafrika fotografiert – ganz ohne Stock oder gar Rollstuhl. Auch, dass der Mann nicht intelligent oder gar geistig behindert sei, wurde vor Gericht von Zeugen und Aufnahmen widerlegt. Privat vermietete der Angeklagte Immobilien.

Es gibt dabei ein Video, das ihn wutenbrannt und körperlich fit im Streit mit Mietern zeigt. Einer der vielen Ärzte, der ihm die Behinderungen abgenommen hatte, gab nachdem er das Video vor Gericht gesehen hatte sofort an, dass er "gelinkt" worden sei und eine derartige Zustandsverbesserung medizinisch niemals möglich sei. Uneinigkeiten mit Mietern gab es zudem nicht wenige, der 40-Jährige war deswegen mehrmals am Bezirksgericht geladen, präsentierte sich der Richterin dort verhandlungssicher und war in der Lage Vergleiche abzuschließen.

Der Angeklagte hat allerdings nachweislich eine Persönlichkeitsstörung, nur sei diese laut dem vom Gericht beauftragten Gutachter nicht ausreichend für eine Berufsunfähigkeit oder gar eine Pflegestufe. Der Rechtsanwalt des 40-Jährigen, Karlheinz Amann, konnte jedoch beweisen, dass die Versicherung ihm die Berufsunfähigkeitspension auch aufgrund dieser Persönlichkeitsstörung gewährt hatte. Dass sie das eigentlich nicht gemusst hätte, sei nicht die Schuld seines Mandanten. Dem pflichtete der Richter dann bei, sprach den 40-Jährigen zumindest in diesem Punkt frei.

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Drei Jahre Haft

In allen anderen Anklagepunkten konnte aber auch der gut vorbereitete Anwalt seinem Mandanten nicht helfen. Der Richter sprach den 40-Jährigen des schweren gewerbsmäßigen Betrugs, der unrichtigen Beurkundung und der falschen Beweisaussage schuldig, verurteilte den Mann zu drei Jahren Haft, zwei davon bedingt. Außerdem muss er die rund 195.000 Euro Pflegegeld zurückzahlen.

Der bis dato unbescholtene Lebensgefährte des Mannes, der ihn gepflegt und bei seinen Betrugshandlungen unterstützt haben soll, wurde ebenfalls verurteilt – zu 15 Monaten Haft, fünf davon unbedingt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Sowohl Verteidiger als auch Staatsanwalt gaben vorerst keine Erklärung ab. (M. Nowak)