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"Putin sieht schwach aus – nichts ist tödlicher"

Putins Image als starker Mann Russlands hat einen ordentlichen Knacks abbekommen. Das ist für ihn gefährlich, mahnt Militärökonom Marcus Keupp.

Roman Palman
Russlands Präsident Wladimir Putin bei einem Besuch in Naryn-Kala in der Teilrepublik Dagestan am Kaukaus am 28. Juni 2023.
Russlands Präsident Wladimir Putin bei einem Besuch in Naryn-Kala in der Teilrepublik Dagestan am Kaukaus am 28. Juni 2023.
IMAGO/ITAR-TASS

Der Wagner-Aufstand am Samstag hat Wladimir Putins Ansehen in Russland schwer geschadet. Zu diesem Schluss kommt Marcus Keupp, Militärökonom an der ETH Zürich, in einem am Mittwoch veröffentlichten Videointerview mit der deutschen Tageszeitung "Welt".

Dabei lässt er bereits mit seinem ersten Satz aufhorchen: "Ich würde sagen, es gibt jetzt zwei russische Präsidenten. Einen in Moskau, der noch geduldet wird, und einen, der sich ins glorreiche Exil – wir wissen aus der russischen Geschichte, Verbannung adelt – abgesetzt hat und möglicherweise jetzt auf seine zweite Chance wartet."

Zu dem "Schmierentheater", wie er Putins Reaktionen auf den Wagner-Aufstand nennt, stellt er nur eine rhetorische Frage: "Was hätte Stalin getan?" Die Antwort gibt er gleich selbst: "Ganz einfach, er hätte ihn verhaften lassen und dann hätte es am nächsten Tag einen Schauprozess gegeben, dann hätte er ihn erschossen. Wahrscheinlich zusammen mit 400 anderen, die ihn unterstützt hätten."

Am Ende des Wagner-Aufstandes steht für Keupp folgendes Ergebnis schon mal fix fest: "Putin sieht schwach aus – und nichts ist in Russland tödlicher, als schwach auszusehen." Es sei völlig egal, was Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin nun weiter tue, oder wo er sich aufhalte. "Die Tatsache, dass er noch am Leben ist, zeigt, dass Putin nicht dieser absolute alldurchdringende Herrscher ist, für den man ihn gerne hält."

Auch frühere Argumentationen einiger westlichen Politiker, dass Putin für Stabilität stünde, seien durch die Causa abgestraft worden. "Ich würde sagen, das ist ein erster signifikanter Riss im Putin-Regime. Und so lange Prigoschin am Leben ist, geht das nicht mehr von ihm [Putin] weg."

"Wenn Sie nicht Stärke zeigen, dann nimmt Sie niemand ernst"

Doch was heißt das jetzt für den Westen? Kann man mit einem augenscheinlich geschwächten Kreml-Herrscher anders umgehen als zuvor? Diese Reporter-Fragen lassen den Militärökonomen nur Schmunzeln: "Sie sehen da den Irrtum unserer Russland-Versteher, die immer so gerne sagen, Putin sei so etwas furchtbar Starkes und wenn man ihn an die Wand dränge, dann würde er aggressiv."

"Das Gegenteil ist der Fall." Der russische Präsident sei ein Mann, der austeste, wie weit er gehen könne. "Erst wenn man ihm entschlossen entgegentritt, dann fängt er an, Zugeständnisse zu machen und zu verhandeln." Im Machtgefüge Russlands gelte: "Wenn Sie nicht Stärke zeigen, dann nimmt Sie niemand ernst." Er selbst hoffe deshalb im Lichte der jüngsten Ereignisse auf ein Umdenken "der letzten Apologeten".

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    Dieser Videoscreenshot soll Jewgeni Prigoschin am Abend des 24. Juni 2023 beim Verlassen von Rostow am Don zeigen. Kurz zuvor hatte er den Wagner-Aufstand überraschend abgeblasen.
    Dieser Videoscreenshot soll Jewgeni Prigoschin am Abend des 24. Juni 2023 beim Verlassen von Rostow am Don zeigen. Kurz zuvor hatte er den Wagner-Aufstand überraschend abgeblasen.

    Putins Framing der aufständischen Wagner-Söldner als fehlgeleitete Patrioten in der Rede vom Dienstag bezeichnete der Deutsche als "erbärmlichen Versuch, eine gefährliche Rebellion umzudeuten in Trotz missverstandener Kinder." Diese rhetorische Biegsamkeit belege, dass auch der Kreml-Despot Zugeständnisse machen müsse und er "nicht einfach durchregieren kann".

    Neben der Garantie auf Straffreiheit hatte Putin auch das zuvor bestehende Ultimatum noch einmal persönlich an die Söldner gerichtet: Aufhören, mit Prigoschin ins Belarus-Exil gehen, oder sich mit neuem Vertrag unter den Befehl des Verteidigungsministeriums von Sergei Schoigu stellen.

    "Das Einzige, was er jetzt noch hat,..."

    Immer noch sei aber unklar, wie viele der Söldner, die sich am Aufstand beteiligt hatten, wieder an die Front geschickt werden könnten. Über jeden "Wagnerianer" weniger würden sich die Ukrainer freuen. Der östlichen Front fehle dann auf russischer Seite ohne Prigoschins Truppe ein wesentlich stabilisierender Faktor.

    Dass die Wagner-Söldner nun entweder entwaffnet oder dem Verteidigungsministerium unterstellt würden, sei zudem ein Hinweis, dass Putin der Machterhalt und sein eigenes politisches Überleben wichtiger sei als ein Erfolg in der Ukraine.

    "Diejenigen, die bisher am kampfkräftigsten und am Entschlossensten waren an der Front in der Ukraine, das war nicht die russische Armee, das war Wagner", sagt der Experte. Das werde sich auf den Kriegsverlauf auswirken: "Das Einzige, was er jetzt noch hat, ist die korrupte und ineffektive russische Armee."

    "Dann hat sein Regime keine Zukunft mehr"

    Und: Putin stehe vor dem Dilemma und der Frage, wen in Zukunft leichter kontrollieren könne. Er könne entweder eine apologetische Geschichte spinnen, um sein Regime zu sichern und dadurch aber die Front schwächen. Oder aber, er könne Wagner zurück an die Front beordern. In diesem Falle, so Keupp, müsse der Machthaber aber zugeben, dass es ohne die Söldner nicht gehe.

    "In jede Richtung in die ich das durchdenke sieht Putin schwach aus und das ist langfristig nicht gut für ihn", so Keupp abschließend. Und wenn ihn die Oligarchen irgendwann nicht mehr als Natschalnik, als großen Chef, anerkennen, "dann hat sein Regime keine Zukunft mehr."

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