Ukraine

Reisner sieht für Ukraine "alle Alarmglocken schrillen"

Der schleppende Fortschritt der Gegenoffensive ist für Oberst Markus Reisner ein Alarmsignal. Er warnt, dass die Russen die Oberhand gewinnen könnten.

Roman Palman
Bundesheer Oberst Markus Reisner ist Leiter der Entwicklungsabteilung der Militärakademie in Wiener Neustadt.
Bundesheer Oberst Markus Reisner ist Leiter der Entwicklungsabteilung der Militärakademie in Wiener Neustadt.
Screenshot YouTube / Bundesheer

Seit 24. Februar 2022 tobt der Krieg um die Ukraine. Seit Wladimir Putins Überfallsbefehl sind wohl bereits rund eine Viertel Million Menschen auf den Schlachtfeldern getötet worden. Die "New York Times" berichtete zuletzt unter Berufung auf US-Militärkreise von etwa 160.000 Gefallenen auf russischer und etwa 80.000 Toten auf ukrainischer Seite.

Bedrückende Zahlen, die Oberst Markus Reisner aber für durchaus glaubwürdig hält. Der österreichische Militär-Experte lässt am Freitag mit einer äußerst kritischen Lageeinschätzung zum schleppenden Verlauf der aktuellen Gegenoffensive der ukrainischen Armee aufhorchen.

Seit Kriegsbeginn sind schon zehntausende Ukrainer auf den Schlachtfeldern getötet worden. Dieses Foto wurde am 28. September 2023 aufgenommen.
Seit Kriegsbeginn sind schon zehntausende Ukrainer auf den Schlachtfeldern getötet worden. Dieses Foto wurde am 28. September 2023 aufgenommen.
IMAGO/Scanpix

Deren kolportierten Teilerfolge würden von vielen Beobachtern deutlich überschätzt, mahnt Reisner in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa: "Einzelne Verteidigungslinien der Russen werden verlustreich überwunden, aber es kommt bisher nie zu einem echten Dammbruch." Und das sei potenziell fatal: "Es müssten alle Alarmglocken schrillen, dass nach 117 Tagen Gegenoffensive noch kein operativer Durchbruch gelungen ist."

Der Bundesheer-Offizier sieht darin auch ein Versagen der westlichen Verbündeten, die der Ukraine viel zu wenig Kriegsgerät liefern würden. "Eigentlich müssten jede Woche vier bis fünf voll beladene Güterzüge mit Kriegsmaterial in die Ukraine rollen", sagt Reisner.

Angenommene Situation an der Südfront bei Robotyne am 28. September 2023.
Angenommene Situation an der Südfront bei Robotyne am 28. September 2023.
Institute for the Study of War

Während sich die Amerikaner der schwierigen Lage Kiews aber bewusst seien, würden die Europäer aufgrund verklärter Wahrnehmung den kritischen Zeitpunkt verschlafen. "Europa ist dabei, den Moment zu verpassen, an dem wir es nicht mehr im Griff haben und die Situation zugunsten der Russen kippt".

Sogar die bisherigen Unterstützungsversprechen seien nicht vollständig erfüllt worden. Dazu komme, dass sich die Leopard-Panzer als weniger effektiv als erwartet herausgestellt hatten – unter anderem wegen der riesigen Minenfelder und der fehlenden Lufthoheit. 

Letztere ist auch hinter der Front ein Problem. Es wird erwartet, dass Russland zu Beginn des Winters wieder die zivile Infrastruktur ins Visier nehmen und vor allem Kraftwerke und das Stromnetz mit Raketen beschießen wird. "Nur mit einer verstärkten Fliegerabwehr wären Treffer auf die kritische Infrastruktur zu minimieren", weiß der Militärexperte. Bei einem Blackout würde ihm zufolge auch die ukrainische Rüstungsproduktion wegbrechen.

Niederlage Russlands unausweichlich?

Reisners Einschätzung ist deutlich pessimistischer als etwa jene des deutschen Militärökonoms Marcus Keupp. Dieser hatte erst tags zuvor in einem Interview mit der Schweizer "Handelszeitung" eine russische Niederlage als unausweichlich vorausgesehen: "Ich stehe unverändert zu meiner Aussage, dass der Krieg im Oktober strategisch entschieden sein wird", so der Dozent an der ETH Zürich.

Der russische Präsident Wladimir Putin lässt sich den Krieg mit angeblichen Front-Rückkehrern im Kreml schmecken. Veröffentlicht am 29. September 2023.
Der russische Präsident Wladimir Putin lässt sich den Krieg mit angeblichen Front-Rückkehrern im Kreml schmecken. Veröffentlicht am 29. September 2023.
Sputnik / Pavel Bednyakov / Kreml via REUTERS

Das heiße natürlich nicht, dass die Kampfhandlungen demnächst enden werden, führte er weiter aus, aber mit jedem Kriegstag würde die russische Armee stärker abgenutzt und ihre Position schlechter.

"Die Abnutzungsrate auf russischer Seite ist unverändert hoch. Die einsatzfähigen Bestände sind allmählich aufgebraucht. Russland mobilisiert immer ältere Systeme. Und gut 40 Prozent aller russischen Verluste bei der Artillerie sind in den letzten drei Monaten entstanden. Die russische Logistik wird bald überdehnt sein."

Keupp jedenfalls gibt sich "nach wie vor optimistisch", dass der Krieg mit der Wiederherstellung der Ukraine in den Grenzen von 1991 enden werde – also auch mit einer Rückeroberung der Halbinsel Krim.

Das wäre ein Sturz in einen bodenlosen Abgrund für die Machthaber im Kreml. "Ich wünsche dem russischen Angriffskrieg ein Ende im Desaster. Das könnte der russischen Gesellschaft klarmachen, was dieses Regime angerichtet hat", wetterte Keupp in seinem Interview. Seine Zukunftsprognose bleibt aber auch bei einer russischen Niederlage düster.

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