Spieletests

"Marvel’s Guardians of the Galaxy" im Test: Heroisch!

Mit "Marvel’s Guardians of the Galaxy" gelingt Eidos Montreal und Square Enix Heldenhaftes: Tolles Gameplay mit kinoreifer Story und viel Witz! 

Rene Findenig
Teilen
1/10
Gehe zur Galerie
    Anders als bei den "Avengers" begeistern die "Guardians of the Galaxy" nicht als ein fast ausschließlich auf Multiplayer ausgelegtes Abenteuer...
    Anders als bei den "Avengers" begeistern die "Guardians of the Galaxy" nicht als ein fast ausschließlich auf Multiplayer ausgelegtes Abenteuer...
    Square Enix

    "Marvel’s Guardians of the Galaxy" ist wohl das, was das zum Start eher durchwachsene "Marvel's Avengers" hätte sein sollen. Während sich letzterer Titel bis heute mit Updates gewaltig gebessert hat, ist "Guardians of the Galaxy" gleich zum Launch auf PlayStation 5, PlayStation 4, Xbox Series X|S, Xbox One, PC, GeForce NOW und als "Marvel's Guardians of the Galaxy: Cloud-Version" für Nintendo Switch eine absolut runde Sache, die Superhelden wirklich würdig ist.

    Anders als bei den "Avengers" begeistern die "Guardians of the Galaxy" nicht als ein fast ausschließlich auf Multiplayer ausgelegtes Abenteuer mit Singleplayer-Mini-Kampagnen für die verschiedenen Helden, sondern als ein bis zu 25 Stunden langes Action-Adventure für Einzelspieler, in dem wir durchgehend in die Rolle von Peter "Star-Lord" Quill schlüpfen und dabei Unterstützung von allen geliebten Guardians wie Groot, Rocket, Drax oder Gamora bekommen. Obendrauf gibt es eine absolut comicreife Story.

    Perfekt eingefangene Gruppen-Dynamik

    Fans und Kenner der Comics und Filme wird alles sofort an ihre Superhelden erinnern: Handlung, Charaktere, Grafik, Witz, sogar die markigen Sprüche und der schwarze Humor, alles erinnert sofort an die Wächter der Galaxie, die sich anders als viele  weitere Marvel-Helden kein Blatt vor den Mund nehmen und auch mal für die eine oder andere kriminelle Verlockung zu gewinnen sind. Vor allem aber: Die Dynamik der Truppe ist vom neuen Spiel perfekt eingefangen worden.

    Klar kann man nun meckern, dass sich nur Star-Lord steuern lässt, unserer Meinung nach hätte es aber dem Spiel an Intensität genommen, jeden Guardian einzeln übernehmen zu können, dann aber vielleicht nur in wenige Stunden dauernden Episoden. So aber gewöhnen wir uns immer mehr an die Haut von Peter Quill, während sich unsere Teammitglieder beschimpfen, auch mal aufeinander losgehen oder sich verspotten, aber füreinander da sind, wenn es darauf ankommt.

    Eine frische "Guardians"-Story

    Die Story des Spiels beginnt nur kurze Zeit, nachdem sich die "Guardians" überhaupt zusammengeschlossen haben, das Spiel liefert also eine ganz frische neue Handlung rund um die Superhelden. Entsprechend groß sind aber auch noch die Spannungen innerhalb der Truppe, man erinnere sich: Gamoras Vater ist für den Tod der Familie von Drax verantwortlich. Gleichzeitig wollen einzelne Mitglieder die Führungsrolle von Star-Lord in Frage stellen oder gar die Gruppe verlassen.

    Während die ersten Spielmissionen dazu dienen, die Charaktere und die Beziehungen zueinander klarzustellen, kommt es aber schnell zu einer neuen Gefahr: Star-Lords Ex-Freundin, die nun die All-Polizei Nova Corps anführt, verpasst den Guardians eine horrende Strafe und ihr Weg, zu den notwendigen Geldmitteln zu kommen, führt die Helden direkt zur Kirche der Wahrheit. Der Kirchenanführer Raker wiederum will das gesamte Universum bekehren, mit brutalsten MItteln.

    Einige kleine Neuerungen eingeführt

    Einmal mehr heißt es: In aussichtsloser Unterzahl müssen die Guardians sich den Tausenden Sektenanhängern stellen, die durch Rakers Versprechungen korrumpiert wurden. Dieser nämlich kann scheinbar die sehnlichsten Wünsche seiner Anhänger wahr werden lassen, den Tod überlisten und zu unglaublichen Reichtum verhelfen. Doch nicht nur die Handlung ist ganz neu, auch in anderen Dingen unterscheidet sich diese Spielversion vom MCU und den Guardians-Comics.

    Picture

    Große Brüche mit den Vorlagen gibt es zwar nicht, Kleinigkeiten dafür aber umso mehr: Drax hat den irren Weltraum-Giganten Thanos bereits getötet und seine Familie gerächt und sucht nun einen neuen Sinn im Leben, Star-Lord wiederum verrät ungewohnt viele Details seiner eigenen Familie und stellt klar, dass er sich nach einer Metal-Band benannt hat. Keine Sorge, Neulinge können der Story ohne Probleme folgen, Fans aber finden Hunderte Easter Eggs und Detail-Leckerbissen.

    Langsamer Start, dann das Feuerwerk

    "Marvel's Guardians of the Galaxy" kommt etwas langsam in Fahrt, dann aber gibt es ein stundenlanges Action-Feuerwerk, das sich gewaschen hat und das auch für seine Comic-Wurzeln ungewohnt sehr viel mit Tod, Missbrauch und ähnlich dunklen Geschehnissen spielt. Die Handlung stellt ohne Frage einen Höhepunkt in der Geschichte der "Guardians" da und wird wohl von allen Spielern geliebt und bewundert werden, egal ob man die bisherigen Inhalte kennt oder nicht.

    Besonders stark ist sie konkret aus einen ganz eigenen Grund: Sie wird nicht nur in Form von Videosequenzen erzählt, in die Missionen nach dem Muster "Kämpfe gegen X und sammle Y" eingestreut werden. Auch während jeder Mission lassen sich nicht nur neue Handlungsfetzen finden, die Story verändert sich auch, während man die Ziele verfolgt und in den linearen Levels immer weiter vordringt. Das fühlt sich an, als ob die gerade in Angriff genommene Mission wirklich einen Sinn hat.

    Lineare Handlung mit Wahl-Optionen

    Im Spiel kann der Zocker nur selten selbst entscheiden, was er als nächstes in Angriff nehmen will oder wie er auf andere Charaktere reagiert. So kann man etwa NPCs freundlich oder feindlich begegnen und je nachdem Items einstreifen oder neue Partner und Feinde gewinnen. Das Schöne dabei: Taktische Gedanken darüber, wie man wählen sollte, muss man nicht anstellen, denn zu verpassen gibt es nichts. Meist handelt es sich nämlich um Zugangskarten und Schlüssel für Levelbereiche, die man aber auch ohne die Zugangsitems per Umweg erreichen kann.

    Picture

    Eines der wenigen Mankos des Spiels zeigt sich bei den Checkpoints. Die sind etwas kurios gesetzt, beispielsweise nicht direkt nach langen Cutscenes, sondern manchmal mitten in Kämpfen. Das führt dazu, dass man die nicht überspringbaren Videosequenzen noch einmal ansehen muss oder sich direkt nach dem Neustart in sehr intensiven Konflikten wiederfindet. Tragisch ist das nicht, aber auffällig, und wir gehen davon aus, dass die Macher da noch per Update eingreifen werden.

    Technisch ist alles tiptop

    Keine Spur von unsichtbaren oder aufploppenden Gegnern und Objekten wie in "Avengers"-Anfangszeiten, die Framerate bleibt immer stabil und die Gefechte liefern unglaublich gute Licht- und Explosionseffekte. Auch hier ist die Zahl und das Aussehen der Feinde nicht allzu massig ausgefallen, dafür stellt uns aber beinahe jede Region nicht nur eine neue Umgebung, sondern auch neue Feinde vor, was trotz der geringen Zahl abwechslungsreich ist.

    Auch die Vertonung, selbst in deutscher Sprache, ist auf höchstem Niveau, dazu gibt es rockige Musik und den einen oder anderen orchestralen Track. Die Atmosphäre ist damit grandios, es ist einer der technisch am besten umgesetzten Superhelden-Games. Klassisch fällt das Gameplay aus: Es mixt Erkunden und kleine, eher einfache Rätsel mit spektakulär inszenierten Kämpfen. Das kennt man zwar aus vielen Action-Games, Spaß macht es aber nach wie vor ziemlich viel.

    Witzige Dialoge und Geheimnisse

    Wer sich in den Missionsarealen auch etwas abseits von den vorgegebenen Pfaden herumtreibt, wird auf allerlei Schleichwege treffen, die das eine oder andere Mal Geheimnisse wie Waffen-Komponenten oder neue Outfits für unsere Helden beherbergen. Ebenfalls bewundernswert: Statt uns zu nerven, dass wir zum nächsten Missionspunkt müssen, führen unsere Guardians-Begleiter in solchen Momenten witzige und teils sehr interessante Dialoge mit uns.

    Picture

    Zurück zu den Waffen-Parts: Sie können an Werkbänken an verschiedenen Stellen des Spiels in unsere Ausrüstung verbaut werden und stärken Gesundheit oder Waffenstärke, sorgen aber auch für Spezialeffekte wie ein Auto-Nachladen. Automatisch bekommt Star-Lord später auch Elementar-Schüsse verpasst, die Feinde kurz einfrieren oder schocken können. Das ist auch dringend notwendig, denn übermächtig fühlt man sich als Star-Lord mit den zwei Pistolen nie.

    Smartes, aber chaotisches Kampfsystem

    Im Kampf geht "Marvel's Guardians of the Galaxy" eigene Wege: Mit den Pistolen müssen manuell die Gegner anvisiert werden, Treffer finden dann automatisiert statt. Das ist vor allem bei großen Gegnermassen smart, kann aber auch schnell chaotisch werden, weil man das gesamte Kampfgeschehen im Auge behalten und auch taktisch entscheiden muss, welche Gegner man zuerst ausschalten will. Hat man den Dreh allerdings heraußen, wird das Action-Spiel nie richtig schwer.

    Absolut fantastisch sind die Kämpfe wegen unseren Teammitgliedern, die von der KI gesteuert werden. Als Star-Lord dürfen und müssen wir ihnen Befehle für Spezialattacken geben, die Hunderte Male im Spielverlauf unsere Haut retten. Der Raketenwerfer-bewaffnete Rocket deckt ganze Gruppen mit Flächenschaden ein, Groot fesselt mehrere Feinde und hält sie uns kurzzeitig vom Leib, Drax und Gamora können wiederum einzelne besonders starke Feinde beharken. Genial!

    Teambesprechung als zweischneidiges Schwert

    Die Skills der einzelnen Mitglieder können dabei nicht nur zu Kombo-Ketten miteinander verbunden werden, sondern auch weiter ausgebaut werden. Dazu lassen sich Skillpoints in einem Fertigkeitenbaum investieren, die man automatisch in den Kämpfen sammelt. Und auch einen Team-Angriff gibt es: Hält man Kombos besonders lange und fehlerfrei durch, lässt sich die "Huddle"-Leiste entladen. Dabei stoppt das Kampfgeschehen kurz und man kann sich die Sorgen des Teams anhören.

    Picture

    Haben wir die Lage erfasst, wählen wir auch verschiedenen Möglichkeiten eine Teamansprache aus. Kommt diese bei unserer Gruppe an, teilen alle Mitglieder künftig mehr Schaden aus. Das "Huddle" ist auf Dauer aber ein zweischneidiges Schwert: Einerseits ist die Mechanik frisch und interessant, andererseits stoppt sie die Kämpfe auf unnatürliche Weise, was sich vor allem später etwas nervig anfühlt. Klassisch dagegen wiederum das Wiederbeleben: Besiegte Teammitglieder werden, solange noch welche auf den Beinen sind, von ihren Kameraden versorgt und aufgerichtet.

    Ein fantastisches Superhelden-Abenteuer

    "Marvel's Guardians of the Galaxy" ist ein fantastisches Superhelden-Abenteuer, das auf Klasse statt Masse setzt. Die Story ist frisch und nicht zusammenkopiert, die Geschehnisse könnten sofort als MCU-Film umgesetzt werden und die einzelnen Guardians sind mit ihren Charakteren und ihren Entscheidungen perfekt getroffen, so dass jeder Fan sie sofort wiedererkennen wird. Dazu gibt es minutenlange, hochklassige Videosequenzen und eine stundenlange Einzelspieler-Kampagne. 

    Technisch läuft alles sauber ab, Grafik- oder Performance-Fehler sind die absolute Ausnahme. Das Gameplay zeigt sich zwar eher klassisch, da aber das Rundherum so spektakulär ausgefallen ist, vermisst man spielerische Innovationen nicht. Technische Klasse, erzählerische Spannung, atmosphärische Dichte und spaßiges Gameplay, "Marvel's Guardians of the Galaxy" hat einfach alles, was ein echtes Superhelden-Game braucht und was Fans lieben. Das Fazit: Heroisch!