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Massaker in Uvalde – Polizei ging gegen Eltern vor

Die Kritik an der Polizei in Uvalde wird lauter. Nun kommt heraus, dass die Beamten Eltern in Handschellen legten und mit Pfefferspray attackierten.

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 Die Behörden bestätigten am Donnerstag, dass der Schütze rund eine Stunde in dem Klassenzimmer verbracht habe, in dem er auf die Schulkinder und Lehrerinnen schoss.
Die Behörden bestätigten am Donnerstag, dass der Schütze rund eine Stunde in dem Klassenzimmer verbracht habe, in dem er auf die Schulkinder und Lehrerinnen schoss.
Brandon Bell / AFP Getty / picturedesk.com

Die Polizei gerät nach dem Blutbad an einer Grundschule im US-Bundesstaat Texas wegen ihres Vorgehens während des Massakers unter Druck. Eltern werfen den Einsatzkräften vor, zu lange untätig gewesen zu sein und nicht rechtzeitig eingegriffen zu haben. Die Behörden bestätigten am Donnerstag, dass der Schütze rund eine Stunde in dem Klassenzimmer verbracht habe, in dem er auf die Schulkinder und Lehrerinnen schoss. Erst dann habe die Polizei den Raum betreten und den 18-Jährigen erschossen.

Eine Mutter zweier Schüler an der Grundschule in Uvalde war eine von mehreren Personen, die die Polizisten anflehten, das Schulhaus zu betreten. Wie sie gegenüber dem "Wall Street Journal" sagte, wurde sie nach wenigen Minuten von US-Marshalls in Handschellen gelegt, da sie "in eine laufende Ermittlung eingegriffen" habe. Sie habe auch beobachtet, wie ein verzweifelter Vater von den Beamten zu Boden gerungen und ein weiterer mit Pfefferspray angegriffen wurde.

Nachdem ihr die Handschellen wieder abgenommen worden waren, entfernte sich die Mutter von der Gruppe, sprang über einen Zaun und eilte mit ihren Kindern wieder nach draußen. Ein weiterer Vater berichtet: "Ich habe einem der Beamten selbst gesagt, wenn sie nicht reingehen wollen, sollen sie mir eine Waffe und eine Weste leihen und ich werde selbst reingehen, um die Sache zu regeln", so Victor Luna gegenüber CNN. Sein Sohn Jayden habe das Massaker überlebt.

"Spezialausrüstung fehlte"

An einer Pressekonferenz in der Gemeinde Uvalde gab Victor Escalon vom Ministerium für öffentliche Sicherheit in Texas weitere Details zum Ablauf der Tat bekannt und sprach von einer "komplexen Situation". Der Angreifer Salvador Ramos habe etwa um 11.40 Uhr (Ortszeit) am Dienstag die Grundschule und schließlich ein Klassenzimmer in der Nähe eines Eingangs betreten, sagte er. Die Polizei sei innerhalb weniger Minuten vor Ort gewesen, weil Zeugen den bewaffneten Schützen vor der Schule gesehen hätten.

Auf die Frage, warum die Polizei nicht direkt versucht habe, in den Klassenraum einzudringen, sagte Escalon, es hätte den Polizisten an Spezialausrüstung gefehlt. Die Tür sei "verbarrikadiert" gewesen. Die Polizei hatte dann Verstärkung angefordert und Schulkinder und Lehrkräfte in Sicherheit gebracht.

Außerdem hätte sie versucht, mit dem Schützen zu verhandeln. Dieser habe einen Großteil der Schüsse ganz zu Anfang abgefeuert. "Während der Verhandlungen wurde nicht viel geschossen, außer dass er versuchte, die Polizisten auf Abstand zu halten", sagte Escalon. Nach rund einer Stunde seien Spezialkräfte eingetroffen, die den 18-Jährigen schließlich erschossen haben.

Darüber, wie genau sich die Tat abgespielt hat, hatte es in den vergangenen Tagen widersprüchliche Angaben von der Polizei gegeben. Zunächst hieß es, der Schütze sei bereits vor der Schule von einer Sicherheitskraft konfrontiert worden. Das bestätigte Escalon nun nicht. Stattdessen konnte der 18-Jährige ungehindert durch eine unverschlossene Tür in die Schule laufen.

An der Pressekonferenz am Donnerstag gerieten die Behörden unter Rechtfertigungsdruck. "Warum klären Sie das nicht auf und erklären uns, wie es sein kann, dass Ihre Beamten eine Stunde lang drin waren (...), aber niemand in der Lage, in diesen Raum zu gelangen?", fragte ein Journalist.

Schusswaffen als häufigste Todesursache bei Jugendlichen

Schusswaffen haben Autounfälle als häufigste Todesursache bei Kindern und Jugendlichen in den USA abgelöst. Offiziellen Daten der Gesundheitsbehörde CDC aus dem Jahr 2020 zufolge starben insgesamt 4368 Kinder und Jugendliche bis 19 Jahre durch Schusswaffen. Im Vergleich dazu gab es 4036 Todesfälle im Zusammenhang mit Kraftfahrzeugen – der bisher häufigsten Todesursache in dieser Altersgruppe.

Dass Todesfälle mit Fahrzeugen an der Spitze abgelöst wurden, liegt wohl auch daran, dass sich die Maßnahmen zur Verkehrssicherheit im Laufe der Jahrzehnte verbessert haben. Unterdessen wurden Waffengesetze eher gelockert. Die Trendlinien kreuzen sich im Jahr 2020 – jüngere Daten liegen noch nicht vor.

Die Zahl der getöteten Kinder und Jugendlichen durch Schusswaffen entspricht einer Rate von 5,4 pro 100.000. Fast zwei Drittel dieser Todesfälle waren Tötungsdelikte. Bei den meisten Todesfällen durch Schusswaffengebrauch handelt es sich um Suizide. Schulmassaker wie im texanischen Uvalde machen nur einen kleinen Teil der Todesfälle durch Schusswaffen im Kindesalter aus. Bei Buben war die Wahrscheinlichkeit, durch eine Waffe zu sterben, sechsmal höher als bei Mädchen.

    Bei einem Amoklauf an einer Volksschule in Uvalde, Texas, sind mindestens 19 Kinder getötet worden.
    Bei einem Amoklauf an einer Volksschule in Uvalde, Texas, sind mindestens 19 Kinder getötet worden.
    Dario Lopez-Mills / AP / picturedesk.com
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