Die Adria, das Stück Mittelmeer zwischen Italien und dem ehemaligen Jugoslawien sowie Albanien, gehört alles in allem nun eher zu den friedlichen Meeren. Kein Vergleich etwa mit dem Atlantik oder dem Pazifik, die sehr gewaltig werden können. Im Moment allerdings braucht es an der einen oder anderen Stelle der Adria doch einiges an Überwindung, um ins Wasser zu gehen. Was weniger an den Wellen liegt, sondern vielmehr an: Algenschleim.
An verschiedenen Stränden in Italien, aber auch in Kroatien oder Slowenien, treibt dieses Jahr ein glitschig-glibberiger Schaum an der Oberfläche, mal mehr, mal weniger dick, durchsetzt mit kleinen Bläschen. Manchmal sind es nur kleinere Flecken mit viel Platz dazwischen, manchmal aber auch ein dichter Teppich. Die Farbe changiert von Weiß über Gelb bis ins Bräunliche. Wer es freundlich meint, sagt kaffeebraun.
Den Anfang nahm die Plage vor ein paar Wochen im Norden, im Golf von Triest. Inzwischen sind weitere Städte betroffen, Ravenna zum Beispiel, die Urlauberhochburg Rimini oder Ancona, noch weiter unten im Süden.
Die Gesundheit gefährdet der Schleim nach einhelliger Einschätzung der Wissenschaft nicht. Giftig ist er schon gar nicht. Eine Rai-Umfrage am Stadtstrand von Ancona ergab: Man kann durchaus ins Wasser, muss aber anschließend unbedingt unter die Dusche. "Klebrig", meint einer der Einheimischen. Andere klagen darüber, dass es ziemlich kribbelt auf der Haut.
Mit Algenschleim – oder auch "Meeresrotz", wie manche sagen – haben die Leute hier Erfahrung. Ende der 1980er, Anfang der 1990er war es schon einmal schlimm. Mehrere Jahre hintereinander verdarb die Mucillagine, wie es auf Italienisch heißt, damals das Sommergeschäft.
Bislang war dann nach einigen Tagen oder Wochen aber stets alles wieder vorbei.
Eine überzeugende Erklärung, weshalb es manchmal solchen Schleim gibt und dann wieder längere Zeit nicht, hat bisher niemand gefunden. Vermutet wird, dass besonders heiße Sommer mit folglich hohen Wassertemperaturen in dem verhältnismäßig kleinen Meer das Wachstum begünstigen – der Klimawandel also? Der Meeresbiologe Roberto Danovaro von der Universität Ancona sagte der Tageszeitung "La Repubblica": "Die Adria ist ein tropisches Meer geworden. Wir sind jetzt auf dem Niveau der Malediven, nur ohne die tropische Farbe."
Neben dem Tourismus gibt es eine weitere Branche, die besonders leidet: die Fischerei. Wegen des Schleims kommen manche kleinere Boote überhaupt nicht mehr aufs offene Meer hinaus: Die Schiffsschrauben schaffen das nicht. Wenn es doch geht, müssen mechanischen Teile oft in mühevoller Arbeit vom Schleim gereinigt werden. Zudem gibt es immer wieder Schäden an den Netzen. Der Branchenverband Fedagripesca forderte deshalb diese Woche Hilfe vom Staat und die Einsetzung einer Expertenkommission.
Bei all den Klagen ist Meeresbiologe Danovaro optimistisch: Alles in allem sei die Adria heute weniger verschmutzt als noch vor 40 Jahren, sagt er. Zudem haben die Forscher festgestellt, dass der Algenschleim derzeit an vielen Stellen quasi schmilzt und sich in weiße Flocken auflöst – ein Zeichen, dass Bakterien im Meer dabei sind, ihn zu zersetzen. Vielleicht sogar noch, bevor die große Menge der Feriengäste kommt.