Wien
Mehr Geld und Flexibilität für Wiens Krisenpflegeeltern
Die Stadt reformiert die Anstellung von Krisenpflegeeltern. Durch mehr Gehalt und Flexibilität sollen neue Personen gewonnen werden.
Die Anzahl von Kindern, die aus verschiedenen Gründen ihre eigene Familie verlassen müssen, steigt. Während der Lockdowns habe es laut Vizebürgermeister und Jugendstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos) zwar weniger Meldungen gegeben. Das liege aber daran, dass die Schulen, die die meisten Meldungen gemacht haben, geschlossen waren. Seit Wiederöffnung der Schulen sei der gestiegene Bedarf offen zu Tage getreten.
Mehr Kinder bedeuten auch einen gestiegenen Bedarf an Krisenpflegeeltern. Aktuell kümmern sich laut Angaben der Stadt 37 Krisenpflegeeltern um 50 Krisenkinder. Seit 28 Jahren ist auch Christine Baidinger (58) dabei, mehr darüber erfährst Du hier. Die Stadt wünscht sich einen Anstieg auf 60 Krisenpflegeeltern. Um die Aufgabe für mehr Wienerinnen und Wiener attraktiv zu machen, reformiert die Stadt Wien nun die Anstellungsmodelle. Noch im Juni soll der Gemeinderatsbeschluss erfolgen, spätestens im Herbst soll die Neuregelung in Kraft treten.
Aus zwei mach eins: Mehr Geld für Temporär-Eltern
Basis für die Neuaufstellung war eine Evaluierung der bisherigen Modelle im Oktober 2021. Seit 2003 bietet die Stadt die Anstellung an, bei der Evaluierung wurden rund 94 Prozent aller Wiener Krisenpflegeeltern befragt. Deren Anregungen und Probleme flossen in die Reform ein. Diese wurde heute, Montag, von Vizebürgermeister und Jugendstadtrat Christoph Oxonitsch (Neos), SPÖ-Gemeinderat und selbst Krisenpflege-Papa Christian Oxonitsch, der Leiterin des Fachbereichs Pflegekinder der Wiener Kinder- und Jugendhilfe Martina Reichl-Rossbacher sowie Krisenpflegemutter Christine Baidinger präsentiert.
"Mit dem neuen Anstellungsmodell für Krisenpflegeeltern stellen wir sicher, dass noch mehr Kinder, die in Wien leben, ein familiäres Umfeld für eine positive Entwicklung bekommen. Gleichzeitig sehen wir den Bedarf in der Stadt, noch mehr Krisenpflegeeltern und Langzeitpflegeeltern anzustellen. Hier erhoffen wir uns durch die begleitende Medienkampagne weitere Personen ansprechen zu können, die diese sehr wichtige Aufgabe unter besseren Rahmenbedingungen übernehmen möchten", so Wiederkehr.
Die wichtigste Neuerung ist, dass die bisher zwei Modelle zu einem zusammengefasst werden. Statt der Variante, bei dem Krisenpflegeeltern für ihren stundenweisen Einsatz knapp über der Geringfügigkeitsgrenze verdienten und dem höheren Anstellungsmodell, für das es monatlich 1.300 Euro netto gab, gilt bald nur mehr ein Modell.
Künftig gibt es für Krisenpflegeeltern, die beim Verein "Eltern für Kinder" angestellt sind, ein monatliches Grundgehalt von 1.500 Euro netto. Dazu kommt das Krisenkindergeld von rund 1.000 Euro. Gültig ist das Grundgehalt mit 1.500 Euro netto pro Monat für Kinder von null bis drei Jahren. Gerade für in der Altersklasse der zwei- bis dreijährigen Kinder war es bisher schwierig, geeignete Betreuung zu finden, da hier kein Kinderbetreuungsgeld mehr ausbezahlt wurde. Mit der neuen Regelung hofft die Stadt, diese Lücke zu schließen.
Bisher mussten die Kriseneltern des höheren Anstellungsmodells zumindest ein zweites Kind in Betreuung nehmen. Diese Verpflichtung fällt künftig weg, die Aufnahme weiterer Kinder ist aber möglich und sogar erwünscht. Pro Kind gibt es monatlich 500 Euro dazu, abgerechnet wird tagaktuell. Durch die Möglichkeit für die Krisenpflegeeltern, selbst bestimmen zu können, wann sie ein weiteres Kind aufnehmen, will die Stadt mehr Flexibilität schaffen.
Auch die Regelungen und Verpflichtungen für Krisenpflegeeltern werden angepasst. Die durchschnittliche Wochenstundenzahl erhöht sich auf bzw. bleibt bei 12 Stunden für sozialpädagogischen Mehraufwand. Daneben gilt eine Pflicht zur Supervision, Dokumentation und Fortbildungen. Für die Unterbringung eines Kindes müssen die temporären Eltern auch außerhalb der normalen Bürozeiten erreichbar sein.
Dafür gilt wie bei anderen Anstellungsverhältnissen auch das Recht auf Urlaub bzw. kinderfreie Zeiten. Pro Jahr sind das bis zu fünf Wochen.
Bei dem großen Anstellungsmodell für Langzeitpflegeeltern und bei der Aufnahme von Kindern zwischen dem 3. und 6. Lebensjahr beträgt das aktuelle Gehalt 1.350 Euro. Dieses ist auf ein halbes Jahr befristet, da in diesem Zeitraum der Anspruch auf Elternkarenz besteht.
Doch auch spielt die Lücke für Kinder zwischen dem 2 und 3. Lebensjahr eine Rolle. Pflegeeltern können derzeit bei Übernahme eines Kindes in dieser Altersgruppe die große Anstellung wählen noch Anspruch auf Leistungen aus der normalen Karenz haben. Daher ist es für die Pflegeeltern, als auch für die Vermittlung von Kindern ab dem 2. Lebensjahr wichtig, die Möglichkeit der Anstellung ab dem 2. Lebensjahr des Pflegekindes in Anspruch zu nehmen zu können. Ebenso soll die Möglichkeit geschaffen werden, die Befristung bei Bedarf verlängern zu können.
Auch für Langzeitpflegeeltern ändern sich einige Details in der Anstellung. Auch hier beträgt die durchschnittliche Wochenstundenzahl 12 Stunden für sozialpädagogischen Mehraufwand, künftig sind zusätzliche Fortbildung während der Eingewöhnung sowie Inanspruchnahme eines Pflegeelterncoachings und Dokumentation Pflicht.
Durch die Anpassung der Anstellung soll ein zeitgemäßes und den vielfältigen Aufgaben von Krisenpflegepersonen und Dauerpflegepersonen entsprechendes Entlohnungssystem geschaffen werden. Die gesamtgesellschaftliche Aufgabe, Kindern aus Notsituationen vorübergehend oder auf Dauer ein Zuhause zu geben, soll so aufgewertet werden.
Stadt startet Kampagne für neue Krisenpflegeeltern und Langzeitpflegeeltern
Auch vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges und unbegleitet Minderjährigen, die nach Wien flüchten, sucht die Stadt nach neuen Krisenpflegeeltern. Schon Anfang März startete Wiederkehr einen Aufruf, wir haben berichtet. Bisher haben sich laut Wiederkehr rund 1.000 Personen gemeldet. Die Bereitschaft wäre also grundsätzlich da.
Daher hofft die Stadt mit einer neuen Kampagne nun auch andere Krisenpflegeeltern und Langzeitpflegeeltern zu finden. Am 24. März findet von 17 bis 19 Uhr eine Online-Infoveranstaltung der Kinder-und Jugendhilfe zum Thema statt. Dabei werden die Anforderungen an Pflegeeltern erklärt. Eine Anmeldung per E-Mail an [email protected] wird erbeten. Unter der Adresse können sich auch Wienerinnen und Wiener melden, die an der Tätigkeit als Krisenpfleger und Langzeitpfleger interessiert sind.