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Merkel beharrt auf rascher Regierungsbildung

Heute Redaktion
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Deutschlands Bundekanzlerin Angela Merkel.
Deutschlands Bundekanzlerin Angela Merkel.
Bild: EPA

Nach dem Jamaika-Aus will die Kanzlerin weiter nichts von Neuwahlen wissen. Stattdessen nennt sie Bedingungen für eine Neuauflage der großen Koalition.

SPD-Politiker forderten am Wochenende das Rückkehrrecht von Teilzeit auf Vollzeit, eine Bürgerversicherung sowie "massive Investitionen" in Bildung, Wohnungsbau und den Breitbandausbau.

Zudem will die SPD Bezieher unterer und mittlerer Einkommen steuerlich entlasten und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern. Die Partei dringt außerdem auf ein Einwanderungsgesetz für eine gezielte Einwanderung in den Arbeitsmarkt.

Merkel kompromissbereit

CDU-Chefin Merkel gab sich kompromissbereit. Gespräche mit der SPD müssten "auf der Grundlage gegenseitigen Respekts" geführt werden, sagte sie auf dem Landesparteitag der CDU Mecklenburg-Vorpommern.

Als Leitschnur für CDU-Forderungen bei möglichen Verhandlungen nannte Merkel unter anderem ein ausgeglichenes Budget, Steuersenkungen für kleine und mittlere Einkommen und die Sicherung des Fachkräftebedarfs für die Wirtschaft.

Außerdem wolle die CDU erreichen, dass die Zahl der Flüchtlinge 200'000 nicht übersteige, ohne dass das Recht auf Asyl oder die Genfer Flüchtlingskonvention infrage gestellt werde.

Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer warnte die SPD bereits vor "überzogenen Forderungen". Eine große Koalition um jeden Preis dürfe es nicht geben – gleichwohl wäre eine neue Bundesregierung aus Union und SPD "die beste Variante für Deutschland".

Auch die CDU-Spitze warnte die SPD, Gespräche mit Maximalalforderungen zu belasten. Unionsfraktionschef Volker Kauder riet zur Zurückhaltung. "Wir sind hier jetzt nicht auf dem Jahrmarkt, wo es darum geht, herauszuschreien, was man möchte und der andere schreit was anderes."

"Kein Notnagel"

Nach dem Scheitern der Sondierungen für eine Jamaika-Koalition zwischen Union, FDP und Grünen hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Merkel, Seehofer sowie SPD-Chef Martin Schulz für Donnerstag ins Schloss Bellevue eingeladen. Am Sonntagabend wollte das CDU-Präsidium über die Lage beraten. Steinmeier hatte an die Parteien appelliert, sich nicht um Verantwortung zu drücken.

SPD-Chef Schulz sagte am Freitagabend beim Bundeskongress der Jungsozialisten in Saarbrücken, er strebe keine große Koalition, keine Minderheitsregierung und keine Neuwahlen an. "Was ich anstrebe: Dass wir die Wege diskutieren, die die besten sind, um das Leben der Menschen jeden Tag ein Stück besser zu machen."

Am Samstag sagte SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles auf dem Juso-Kongress, mit dem Jamaika-Aus sei eine neue Lage entstanden. Aber: "Das heißt nicht, dass wir zum Notnagel der gescheiterten Bundeskanzlerin werden."

Der geschäftsführende Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) meinte am Sonntag bei einer "Zeit"-Veranstaltung in Hamburg, nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen dürfe keiner erwarten, dass die SPD sage: "Ach super, wir haben nur darauf gewartet, dass wir jetzt eine große Koalition machen dürfen".

Gute Umfragewerte

Die Möglichkeit einer große Koalition lässt offenbar die Umfragewerte von Union und SPD steigen. In einer Emnid-Umfrage für die "Bild am Sonntag" legt die Union um zwei Punkte auf 33 Prozent und die SPD um einen Punkt auf 22 Prozent zu. Grüne und FDP verlieren je einen Punkt und erreichen 10 und 9 Prozent.

Die Grünen stellen sich auf vier weitere Jahre Opposition ein. Parteichef Cem Özdemir sagte am Samstag auf dem Bundesparteitag in Berlin, bei einer neuen großen Koalition müssten die Grünen für Klimaschutz, Menschlichkeit, Europa und Weltoffenheit einstehen. Der Parteitag hielt sich aber die Möglichkeit einer schwarz-grünen Minderheitsregierung offen.

FDP-Chef Christian Lindner rechnet dagegen mit einer großen Koalition. "Die Hürde ist geringer als bei uns", sagte er der "Bild am Sonntag" mit Hinweis auf die Jamaika-Runde. "Jamaika wäre binnen Monaten in 1.000 Trümmerteile zerfallen", so Lindner.

Auch FDP-Vize Wolfgang Kubicki hält nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen die große Koalition für den "einzigen Ausweg" aus der derzeitigen Situation. Eine Minderheitsregierung höre sich sympathisch an, "ist aber für Deutschland ein Experiment, das wir nicht eingehen sollten", sagte er gegenüber dem Online-Portal der "Neuen Zürcher Zeitung". Es brauche eine starke deutsche Stimme in Europa, die nicht erst parlamentarisch nach Mehrheiten suchen müsse. (fur/sda)

(isa)