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Mexikanisches Kartell foltert und killt Koks-Fahnder

Im mexikanischen Bundesstaat Guanajuato geht das größte Kartell gezielt gegen Polizisten vor. Die Fahnder werden entführt, gefoltert und getötet.

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Drogenfahnder in Mexiko leben äußerst gefährlich. Symbolbild.
Drogenfahnder in Mexiko leben äußerst gefährlich. Symbolbild.
Marco Ugarte / AP / picturedesk.com

"Abrazos, no balazos"(dt.: "Umarmungen, keine Kugeln") – das ist so etwas wie ein Eckpfeiler der Politik von Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador gegenüber den gewalttätigen Drogenbanden im Land. Die mächtigste davon, das Jalisco-Kartell, hat ihm darauf mit ihrer eigenen Politik geantwortet. Sie hat mehrere Mitglieder einer Elite-Polizeitruppe im Bundesstaat Guanajuato entführt und gefoltert, um die Namen und Adressen von Kollegen zu erhalten, die sie jetzt in ihren Häusern tötet, vor den Augen ihrer Familien.

Es ist eine Art von direktem Angriff auf Polizeibeamte, wie man ihn außerhalb der am stärksten von Gangs geplagten Länder Mittelamerikas selten sieht – und die direkteste Herausforderung für den langfristigen Ansatz von López Obrador, einen Krieg gegen die Kartelle zu vermeiden und sich stattdessen auf die Lösung sozialer Probleme zu konzentrieren, die oft die Wurzeln von Gewalt und Verbrechen seien.

Mexikos Präsident, Andres Manuel Lopez Obrador, schlägt versöhnliche Töne in Richtung der Drogenbosse an.
Mexikos Präsident, Andres Manuel Lopez Obrador, schlägt versöhnliche Töne in Richtung der Drogenbosse an.
Luis Barron / PA / picturedesk.com

Jalisco-Kartell hat der Regierung den Krieg erklärt

Das Jalisco-Kartell hat indes umgekehrt der Regierung den Krieg erklärt und nimmt dabei die als Taktische Gruppe bekannte Elite-Truppe ins Visier, der es vorwirft, seine Mitglieder unfair zu behandeln.

"Wenn ihr Krieg wollt, dann bekommt ihr einen Krieg. Wir haben schon gezeigt, dass wir wissen, wo ihr seid. Wir werden Euch alle kriegen", heißt es auf einem professionell gedruckten und vom Kartell unterzeichneten Banner, das im Mai an ein Gebäude in Guanajuato gehängt wurde. Für jedes Mitglied des Kartells, das festgenommen werde, würden zwei Angehörige der Taktischen Gruppe getötet, "wo immer sie sind, daheim, in ihren Streifenwagen".

Guanajuato ist Mexikos gewaltreichster Bundesstaat, das Jalisco-Kartell liefert sich dort Kämpfe mit örtlichen Banden, die von seinem Rivalen, dem Sinaloa-Kartell, unterstützt werden. Behördenvertreter in diesem Bundesstaat lehnten Angaben darüber ab, wie viele Angehörige der Elite-Truppe bislang umgebracht worden sind. Aber die Polizei bestätigte den jüngsten Fall, die Ermordung eines Polizisten, der am vergangenen Donnerstag aus seinem Haus entführt worden war. Seine Leiche wurde später an einer Fernstraße abgeladen.

Allein heuer sieben tote Polizisten 

Der Sicherheitsanalyst David Saucedo, der in Guanajuato lebt, glaubt, dass es zahlreiche Fälle gibt und dass viele der bedrohten Polizeibeamten inzwischen geflohen sind. "Sie haben ihre Familien geschnappt, ihre Häuser verlassen, und sie flüchten und verstecken sich", sagt der Experte. "Das CNJG macht Jagd auf die Elite-Polizeikräfte von Guanajuato." CNJG sind im Spanischen die Initialen des Kartellnamens.

Die in dem Bundesstaat beheimatete Nachrichtenseite Poplab spricht von bislang mindestens sieben Polizisten und Polizistinnen aus der Taktischen Gruppe, die in diesem Jahr getötet worden seien – an ihrem freien Tag. So kamen bewaffnete Männer im Januar in das Haus einer Beamtin, erschossen ihren Mann, zerrten sie davon, folterten und erschossen sie. Ihre Leiche, die man später fand, war von Kugeln durchsiebt.

Durchschnittlich 75 Polizistenmorde pro Jahr

Guanajuato weist seit 2018 die höchste Zahl von ermordeten Polizistinnen und Polizisten unter allen mexikanischen Bundesstaaten auf, wie Poplab berichtet. Von 2018 bis zum 12. Mai dieses Jahres wurden insgesamt 262 Polizeibeamte und -beamtinnen getötet, durchschnittlich ungefähr 75 im Jahr. Das sind mehr, als im Durchschnitt jährlich in den USA durch Schüsse oder andere Angriffe ums Leben kommen – das bei einer 50 Mal größeren Bevölkerungszahl als die in Guanajuato.

Das Problem in dem Bundesstaat ist so schlimm geworden, dass die dortige Regierung am 17. Mai per Sonderdekret eine nicht näher bezeichnete Summe für Maßnahmen zum Schutz von Polizistinnen und Polizisten und Gefängnispersonal bereitgestellt hat. Manche seien gezwungen gewesen, schnell mit ihren Familien ihre Häuser zu verlassen und wegzuziehen, "damit organisierte kriminelle Gruppen sie nicht finden", heißt es in dem Dekret. Für welche Schutzmaßnahmen die Gelder konkret gedacht sind, ob davon etwa eine neue Bleibe für die Betroffenen finanziert werden soll, wollten Offizielle in Guanajuato nicht sagen.

Der seit Ende 2018 regierende López Obrador hatte seine zurückhaltende Linie bei der Bekämpfung der Gewalt schon im Wahlkampf klargemacht: Deeskalierung des Drogenkonflikts durch eine Langzeitstrategie zur Beseitigung sozialer Schwächen wie der Jugendarbeitslosigkeit, die junge Leute in die Arme von Gangs treibe. Aber der frühere US-Botschafter Christopher Landau glaubt, dass Mexikos Präsident den Kampf gegen Drogenkartelle schlicht als eine «Ablenkung» betrachte. "So hat er denn im Wesentlichen eine Agenda mit einem laschen Verhalten gegenüber ihnen angenommen, was offensichtlich für unsere Regierung (die der USA) ziemlich besorgniserregend ist."

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