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Miete und Corona: Das sagt Mietrechtsexperte dazu

Heute Redaktion
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Experte Gottfried Forsthuber.
Experte Gottfried Forsthuber.
Bild: privat

Bei Miet- oder Pachtverhältnissen hat die behördliche Schließung von Geschäften Auswirkungen auf Mietzins und Betriebskosten. Muss normal, weniger, oder nicht bezahlt werden? Antworten dazu von Mietrechtsexperte Gottfried Forsthuber.

Das Corona-Virus trifft auch die Wirtschaft hart. Insbesondere bei Miet- oder Pachtverhältnissen hat die behördliche Schließung zahlreicher Geschäfte (bzw. teilweise Wohnungen, eher Einzelfälle; Anm.) große Auswirkungen auf den Mietzins und die Betriebskosten. Muss normal, weniger, oder gar nicht bezahlt werden? Antworten dazu hat Mietrechtsexperte und Rechtsanwalt Gottfried Forsthuber von der Badener Kanzlei Forsthuber.



"Heute": Kann die Miete bei einer Epidemie auf null reduziert werden?

Gottfried Forsthuber: An sich ja. Das steht jedenfalls im ABGB (Anm.: § 1104), sinngemäß schon in der Stammfassung aus dem Jahr 1811. Wir reden also von Bestimmungen, die jetzt nach 209 Jahren erneut aktuell werden.



"Heute": Was braucht es dazu?



Gottfried Forsthuber: Für § 1104 brauchen wir ein Elementarereignis, etwas Großes, etwas, das weder Vermieter noch Mieter zu verantworten haben. Mit anderen Worten: Einen Fall höherer Gewalt.



"Heute": Was sagen die Gerichte dazu?



Gottfried Forsthuber: Es gibt gesicherte Rechtsprechung, was ein Elementarereignis ist, nämlich Krieg, Überschwemmung, aber auch der „eingeschneite" Wintersportort. Eine österreichweite Seuche oder Pandemie, wurde vor Gericht überhaupt noch nicht diskutiert, steht aber explizit im Gesetz.



"Heute": Warum muss nicht gezahlt werden?



Gottfried Forsthuber: Ein Mietobjekt muss für den vorgesehenen Zweck geeignet sein (also Wohnung, Geschäftslokal, Lager, etc.). Wenn es aber nicht betreten, oder genutzt werden kann, muss für diese Zeit keine Miete/Pacht bezahlt werden.



"Heute": Und wenn eine teilweise Nutzung möglich ist?



Ist eine teilweise Nutzung der Wohnung oder des Geschäftslokales möglich, so muss nur ein Teil der Miete oder Pacht bezahlt werden (zum Beispiel der Lieferservice eines Wirten in Zeiten der behördlichen Schließung).



"Heute": Müssen Betriebskosten bezahlt werden?



Gottfried Forsthuber: Nein, genau sowenig wie Miete (Anm.: ist gesicherte Rechtsprechung).



"Heute": Miete weg: was noch?



Gottfried Forsthuber: Mehr als den Ausfall des Mietzinses muss der Vermieter nicht hinnehmen. Der Mieter kann unter bestimmten Voraussetzungen aber kündigen.

"Heute": Gibt es dabei irgendeinen Haken?

Gottfried Forsthuber: Ja, den gibt es allerdings! Die Anwendbarkeit dieser Regeln kann ausgeschlossen werden. Je nach Formulierung im Mietvertrag, kommt es also darauf an, ob in der Krise/Pandemie Miete gezahlt werden muss, oder nicht! Der Ausschluss, kann sich auch aus der Formulierung ergeben und benötigt keinen Verweis auf die konkret Gesetzesstelle.



"Heute": Wie schätzen Sie Mietausfälle realwirtschaftlich ein?



Gottfried Forsthuber: Realwirtschaftlich ist der Mietzinsausfall verheerend. Viele Häuser und andere Mietobjekte, sind kreditfinanziert. Können allgemein Kredite wegen Mietausfall nicht mehr bezahlt werden, hätte das Auswirkungen auf die finanzierenden Banken und damit auf die restliche Wirtschaft. Daher ist die für viele erfreuliche Nachricht, keine Miete zahlen zu müssen, am Ende vielleicht doch trügerisch.

"Heute": Was ist bei befristeten Pachtverträgen?



Gottfried Forsthuber: Bei einjährig befristeten Pachtverträgen, sieht es etwas anders aus: Es besteht nur dann keine Zahlungspflicht, wenn das Lokal zeitlich überwiegend unbenutzbar war (mehr als 6 Monate; sogenannte „nachträgliche Verkürzung über die Hälfte").



"Heute": Und bei umsatz- oder ertragsabhängiger Pacht?



Gottfried Forsthuber: Hier verhält es sich ähnlich: Weniger Umsatz ist gleich weniger Pacht; auch wenn ein Minimum fix vereinbart wurde, muss in Fällen des § 1104 ABGB nicht bezahlt werden. Denn es wird davon ausgegangen, dass es in den Folgejahren wieder bergauf geht und Mehrerträge die Verluste wieder wett machen (§ 1105 ABGB). Ursprünglich hatte der Gesetzgeber bei § 1105 die landwirtschaftliche Pacht vor Augen, wurde von der Rechtsprechung aber auch auf (gewerbliche) Unternehmenspacht ausgedehnt (SZ 38/20).



"Heute": Eigentlich ist dies alles doch recht kompliziert und vor allem überaltet, oder?



Gottfried Forsthuber: Ja! Wir brauchen nach 209 Jahren unbedingt eine Konkretisierung dieser Regeln. Mein Vorschlag: ein kleiner Teil staatliche Hilfe, eine Quotenzahlung des Mieters in der Zukunft, dann wenn es besser geht und ein Verzicht des Vermieters auf einen Teil der Miete. Damit wird das Risiko geteilt. Das wäre angesichts der drohenden Auswirkungen dringend im Parlament zu behandeln.