Österreich

Mikl-Leitner: "Regierung ist kein Optimalzustand"

Heute Redaktion
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Johanna Mikl-Leitner sprach mit "Heute" über die aktuelle Regierung, das Ibiza-Video, die Gemeinderatswahlen, den heißen Sommer und den heißen politischen Herbst.

"Heute": Frau Landeshauptfrau, wie haben Sie die Turbulenzen nach dem Ibiza-Video erlebt, wie war das Wochenende unmittelbar nach Bekanntwerden des Videos? Und wie oft haben Sie an diesem Wochenende mit Sebastian Kurz telefoniert?

Johanna Mikl-Leitner: Die Inhalte des Videos waren schockierend und verstörend. Daher hat es nur eine staatspolitisch richtige Entscheidung gegeben und zwar Neuwahlen. Diese Konsequenz war von Beginn an jedem bewusst, der Verantwortung gegenüber der Republik trägt. Sebastian Kurz hat selbstverständlich mit allen Ländern in dieser schwierigen Situation Rücksprache gehalten, wir haben ihn bei dieser Entscheidung den Rücken gestärkt. Und ja, da hat es auch die einen oder anderen Telefonate gegeben.

"Heute":Wie sehen sie die aktuelle Rolle der Roten und Blauen im Bund und wie schlägt sich Sebastian Kurz?

Johanna Mikl-Leitner: SPÖ und FPÖ haben in enger Allianz erstmalig in der Geschichte unserer Republik einem amtierenden Bundeskanzler und der Bundesregierung das Misstrauen ausgesprochen. Das ist in einer gelebten Demokratie ihr gutes Recht, damit haben sie aber auch der gemeinsamen Parteitaktik den Vorzug gegenüber der staatspolitischen Verantwortung gegeben. Sebastian Kurz hat in seiner Zeit als Bundeskanzler einen erfolgreichen Weg der Reformen und Veränderung begonnen. Diesen Kurs wollen wir so rasch als möglich mit ihm an der Spitze fortsetzen.

"Heute": Ex-Innenminister Herbert Kickl (FP) spricht gerne von der "alten" ÖVP - was ist das? Und gibt es diese noch?

Johanna Mikl-Leitner: Diese Aussage ist womöglich der Oppositions-Rolle geschuldet. Wo er recht hat, ist die Tatsache, dass in der Volkspartei alle Teile der Bevölkerung vertreten sind und gemeinsam zum Wohle des Landes arbeiten. Ob das nun die jüngere oder ältere Generation betrifft – wir sind heute so breit aufgestellt wie schon lange nicht mehr und das macht uns auch erfolgreich.

"Heute": Es liegen aktuelle Themen wie Rauchverbot, Sicherheitsschule Wiener Neustadt und weitere am Tisch - soll die neue „Zwischenregierung" verwalten oder gestalten?

Johanna Mikl-Leitner: Die Beamten-Regierung ist sicher kein Optimalzustand für die Republik, weil sie auf keine stabile Mehrheit im Parlament aufbaut. Und wenn eine Regierung auf keine stabile Mehrheit bauen kann, dann bremst das die Arbeit für unser Land. Diese Übergangsregierung hat nun die Aufgabe, Österreich in den nächsten Monaten bestmöglich zu verwalten. Aber selbstverständlich soll es auch in dieser Phase wichtige und notwendige Beschlüsse im Parlament geben, wenn dafür Mehrheiten gefunden werden. Gleichzeitig warne ich alle Parteien davor, teure „Wahlzuckerl" zu verteilen, so wie das etwa im Jahr 2008 gemacht wurde. Diese haben für die Republik Folgekosten von rund 30 Milliarden Euro verursacht.

Gemeinderatswahlen NÖ

"Heute": In NÖ wird vermutlich im Jänner 2020 gewählt (Anm.: Gemeinderatswahlen), gibt es einen Wahltermin und was erhoffen Sie sich im GR-Wahlkampf?

Johanna Mikl-Leitner: Es geht hierbei nicht um eine Gemeinderatswahl, sondern um 567 unterschiedliche Gemeinde-Wahlen in ganz Niederösterreich. Als Landeshauptfrau ist mir dabei wichtig, dass alle Gemeinden so aufgestellt sind, dass sie in guter Partnerschaft mit dem Land die beste Arbeit für die Bürgerinnen und Bürger leisten können. Den genauen Wahltermin werden wir, das hat sich auch in der Vergangenheit bewährt, gemeinsam besprechen und festlegen - diesen Gesprächen möchte ich nicht vorgreifen.

"Heute": Belastet der Bruch mit den Blauen die Zusammenarbeit mit den Blauen in der niederösterreichischen Landesregierung?

Johanna Mikl-Leitner: Natürlich waren die Turbulenzen rund um das Ibiza-Video auch im Land belastend. Mir ist aber wichtig, die Arbeitsübereinkommen mit den Freiheitlichen und der SPÖ Schritt für Schritt abzuarbeiten. Alle Regierungsmitglieder im Land sehen das genauso, somit wird die Zusammenarbeit fortgesetzt. Damit entsprechen wir auch dem Willen der Wählerinnen und Wähler, die vor mehr als einem Jahr bei der Landtagswahl diese drei Parteien mit Regierungssitzen und Verantwortung ausgestattet haben.

"Heute": Wie verbringen Sie den Sommer, politisch, also arbeitstechnisch und familiär?

Johanna Mikl-Leitner: In der politischen Arbeit im Land werden wir besonders unsere Schwerpunkte Arbeit, Gesundheit, Familie, Mobilität und Wohnen vorantreiben. Darüber hinaus gibt es im Sommer immer zahlreiche kulturelle Veranstaltungen, die ich als zuständiges Regierungsmitglied besuchen werde. Mit 1. Juli wird Niederösterreich zusätzlich den Vorsitz der Landeshauptleutekonferenz übernehmen. Und gerade in dieser Zeit kommt den Ländern eine besondere Verantwortung zu, für Stabilität zu sorgen - und die Turbulenzen des Bundes nicht auch noch in die Länder zu tragen. Daher ist es mein vorrangiges Ziel als Vorsitzende, die Gesprächsfähigkeit und den Willen zur Zusammenarbeit über die Landes- und Parteigrenzen hinweg aufrechtzuerhalten. Privat werde ich den Sommer nutzen, um mehr Zeit mit meiner Familie zu verbringen. Das ist mir wichtig, bevor ein politisch äußerst heißer Herbst mit vielen Terminen auf dem Programm steht.

"Heute": Gibt es weitere Schwerpunkte, die Sie sich in den nächsten Jahren arbeitstechnisch, also politisch, noch vorgenommen haben?

Johanna Mikl-Leitner: Mein Grundsatz lautet, Politik an der Seite der Menschen zu machen und ihre Sorgen und Wünsche in die politische Arbeit aufzunehmen. Ein immer wichtigeres Anliegen der Bürger ist der Umgang mit unserem Klima, weil das in Wahrheit Auswirkungen auf alle Lebensbereiche hat – besonders für die Landwirtschaft. Daher werden wir unseren Energie- und Klimafahrplan 2020 bis 2030 abarbeiten, der die Weichen für eine saubere, erneuerbare und nachhaltige Energiezukunft stellen wird. Unsere Ziele sind klar - wir wollen bis 2030 die Treibhausgas-Emissionen um 36 Prozent reduzieren, den Strom aus Photovoltaik-Anlagen verzehnfachen und den Strom aus Windkraft verdoppeln. In Kombination mit vielen weiteren Maßnahmen werden wir unseren Energieverbrauch reduzieren, die Erneuerbaren Energien ausbauen und langfristig den Ausstieg aus fossilen Energieträgern forcieren. Und bereits im Herbst schließen wir das letzte aktive Kohlekraftwerk in Niederösterreich. Wichtig ist mir auch, das Bewusstsein im Land dafür zu schärfen, dass jede und jeder von uns einen Beitrag für ein sauberes Klima leisten kann.

(Lie)