Politik

Militär-Chefs rebellieren gegen Spindelegger

Heute Redaktion
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Mit der Aussage, dass man das Bundesheer "nicht aushungern" dürfe, erntet Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) von Burgenlands Militärkommandant Johann Luif scharfe Kritik: Luif warf dem Ressortchef am Freitag in einem Offenen Brief "noch nie erlebten Zynismus" vor. Das Heer plane zwar seit Jahren, Mittel zur Umsetzung von Reformen würden ihm aber von der Politik vorenthalten. Der Finanzminister und nicht das Verteidigungsressort selbst sei für die Freigabe von Geldern verantwortlich. Nach Luif ziehen nun viele weitere hochrangige Militärs nach und schließen sich der Kritik an.

Mit der Aussage, dass man dürfe, erntet Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) von Burgenlands Militärkommandant Johann Luif scharfe Kritik: Luif warf dem Ressortchef am Freitag in einem Offenen Brief "noch nie erlebten Zynismus" vor. Das Heer plane zwar seit Jahren, Mittel zur Umsetzung von Reformen würden ihm aber von der Politik vorenthalten. Der Finanzminister und nicht das Verteidigungsressort selbst sei für die Freigabe von Geldern verantwortlich. Nach Luif ziehen nun viele weitere hochrangige Militärs nach und schließen sich der Kritik an.

"Das Bundesheer kämpft um sein Überleben, weil es seit seinem Bestehen von der Politik vernachlässigt wurde und ihm allein in den letzten zehn Jahren mehr als zwei Milliarden Euro durch scheibchenweise Reduktion des Budgets entzogen wurden", empörte sich Luif in dem Brief. Und nun fordere Spindelegger in seiner Funktion als Finanzminister, "das Bundesheer darf nicht ausgehungert werden" und es solle endlich Pläne auf den Tisch bringen, um die offensichtlichen Finanznöte beseitigen zu können.

Luif "zutiefst" enttäuscht  

Spindeleggers Aussage enttäusche ihn "zutiefst", erklärte Luif. Die Soldaten seien "besonders loyal" und hätten in den vergangenen Jahrzehnten "trotz Mangelwirtschaft" alle Aufträge gemeistert. Zur Umsetzung der Reformkonzepte habe die Politik aber nie die nötigen Mittel bereitgestellt. "Wir haben es uns nicht verdient, dass uns ein Finanzminister wider besseren Wissens die notwendigen Mittel vorenthält und uns dann mit einem von mir noch nie erlebten Zynismus vorwirft, dass wir nicht in der Lage sind, unsere Probleme in den Griff zu bekommen", schrieb Luif.

"Sie werden es verhungern lassen"

Kritik übte er auch an der Verteidigungspolitischen Bilanz der ÖVP. Er habe "in den langen Jahren der Regierungsbeteiligung Ihrer Partei keinen sachlich konstruktiven und verantwortungsbewussten Beitrag erleben dürfen", so der Militärkommandant mit Verweis auf die 2005 beschlossene Reduzierung der Wehrpflicht auf sechs Monate und die "Schädigung der Miliz durch Abschaffung der verpflichtenden Truppenübungen" (durch VP-Minister Günther Platter, Anm.).

Für die Regierungserklärung und die darin festgeschriebenen Ziele, etwa die Modernisierung und Verbesserung der Landesverteidigung, trage Spindelegger als Vizekanzler "maßgebliche Verantwortung", so Luif: "Dem Kapitel Landesverteidigung wird es aber so gehen, wie allen Konzepten des Bundesheeres, Sie werden es verhungern lassen."

Offiziere gehen in die Offensive

Seit diesem Brief und schlägt Spindelegger weitere massive Kritik der Kommandanten entgegen. Nach Generalstabschef Othmar Commenda, der Spindelegger am Freitag ungewöhnlich scharf attackiert hatte, meldeten sich am Samstag zahlreiche weitere hochrangige Offiziere mit ähnlichen Unmutsäußerungen zu Wort.

Der Chef des Kommandos Luftunterstützung, Andreas Putz, spricht in den "Oberösterreichischen Nachrichten" von "Chuzpe" Spindeleggers. Er vergleicht Spindelegger mit einem Familienvater, der das Haushaltsbudget für Lebensmittel drastisch kürzt und sich dann wundert, wenn die Familie hungrig ist.

Streitkräftekommandant Franz Reißner verweist im "Standard" auf "arge Fehlentscheidungen" der ÖVP-Verteidigungsminister der vergangenen Jahrzehnte, die aus seiner Sicht zur Situation des Bundesheeres beigetragen haben. Etwa dass in den 1990er-Jahren (heute überflüssige, Anm.) Raketenjagdpanzer und Panzerhaubitzen beschafft wurden, anstatt die Kfz-Flotte des Heeres zu erneuern. "Damit ist auch Geld unter ÖVP-Ministern in den Sand gesetzt worden", so Reißner.

Auslandseinsätze in Gefahr?

Der Leiter der Militärvertretung bei EU und NATO in Brüssel, Günter Höfler, sieht Österreichs Auslandseinsätze in Gefahr. Österreich werde damit "zu einem unverlässlichen Partner, wenn wir unsere Soldaten nicht entsprechend ausbilden". Mit 0,6 Prozent der Wirtschaftsleistung gebe nur noch Malta weniger für Verteidigung aus als Österreich.

Unverständnis schlägt dem Finanzminister auch von weiteren regionalen Militärkommandanten entgegen. "Der Finanzminister stellt fest, dass das Heer nicht ausgehungert werden dürfe und entzieht ihm gleichzeitig die Ressourcen", beschwert sich Oberösterreichs Kurt Raffetseder. Der Wiener Kurt Wagner reagierte "verwundert". Ähnlich der Kärntner Militärkommandant Walter Gitschthaler und sein steirischer Kollege Heinz Zöllner. "Uns fehlen nicht Konzepte, sondern Geld", sagte Gitschtaler in einer Aussendung.

Und Zöllner erinnerte daran, dass die von Spindelegger erwähnten - heuer abgezahlten - ursprünglich nicht vom Bundesheer hätten finanziert werden sollen. "Nun geht man offenbar davon aus, dass das Bundesheer nach Abzahlung der Eurofighter plötzlich dieses Geld übrig hätte".