Österreich

Aus Mindestsicherung zum Job: "Gibt mir wieder Sinn"

Heute Redaktion
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Seit einem Jahr bezieht Rabia A. (24) Mindestsicherung. Über ein Pilotprojekt hat sie bei "CraftJobs" eine neue Chance bekommen – und einen Grund, ins Leben zurückzukehren.

Von der Schule in die Mindestsicherung: So kann man den bisherigen Karriereweg von Rabia A. (24) zusammenfassen. "Ich habe meine Lehre als Kleidermacherin und Schneiderin abgeschlossen, bin sogar Meisterin. Einen Job habe ich dadurch aber keinen bekommen", erzählt die junge Wienerin gegenüber "Heute".

Ein Jahr lang war sie ohne Job, "das war schwer. Man verliert den Rhythmus, hat keine Lust mehr irgendwas zu tun", so Rabia. Ihre AMS-Beraterin habe ihr gesagt, es sei für Menschen ihres Alters völlig normal, ein Jahr arbeitslos zu sein. Geändert hat sich das erst Ende August 2019. Über das AMS hat Rabia von dem Pilotprojekt von CraftJobs erfahren. Gefördert wird dieses von der Stadt Wien und dem AMS.

Begonnen hat Rabias erster Karriereweg bei der Firma Manner, seit vergangener Woche arbeitet sie bei CraftJobs in der Modecenterstraße 12 (Landstraße) als Empfangsdame. "Ich begrüße Gäste, nehme Post entgegen und gebe Krankmeldungen weiter", erzählt sie. Auch wenn der Job von ihrem Traum – eine eigene kleine Schneiderei – ein Stück entfernt ist, ist sie froh hier arbeiten zu können. "Ich habe wieder einen Grund aufzustehen. Der Job bringt mich mit anderen Menschen in Kontakt und hat mir wieder einen Sinn gegeben. Er hat wirklich mein Leben wieder in Ordnung gebracht", so die Wienerin.

In 3-Stufen-Modell vom Mindestsicherungsbezieher zum Arbeitstätigen

Das Jobprojekt basiert auf einem dreistufigen Modell und steht Mindestsicherungsbeziehern zwischen 18 und 24 Jahren offen. "Die erste Phase dauert zwischen sechs und acht Wochen, in dieser Zeit absolvieren die Teilnehmer Vorbereitungen und Praktika. Wenn das erfolgreich läuft, erhalten sie einen Dienstvertrag über 24 Stunden pro Woche, der zehn Monate läuft und um sechs Monate verlängert werden kann", erklärt CraftJobs-Geschäftsführer Stefan Brinskele.

Über die Hälfte der Teilnehmer findet einen Job

Nach dieser Phase, bei der Teilnehmer auch beim Erwerb deutscher Sprachkenntnisse unterstützt werden, sollen diese fit für den Job sein. "Derzeit nehmen 110 junge Menschen an dem Programm teil, 50 weitere sind in der Vorbereitung. Seit Beginn des Projekts 2016 waren es 400. Unser Ziel ist, dass 25% nach Beendigung des Dienstverhältnisses bei uns einen Job findet und so wieder auf eigenen Beinen steht. Tatsächlich erreicht haben wir eine Quote von 55,4%, das heißt über die Hälfte findet eine Arbeit", so Brinskele.

Gemeinsamer Nenner: Deutsche Sprache und gleiches Gehalt



Erklärtes Ziel von CraftJobs ist es, jungen Menschen ohne oder mit wenig Berufserfahrung den Einstieg in die Arbeitswelt zu ermöglichen. Dabei steht die Beschäftigung vor der Betreuung, das heißt, wer nicht arbeitet, der fliegt aus dem Programm. Die Motivation der Teilnehmer ist ungewöhnlich hoch, die Vermittlung dadurch nicht schwer. Hier scheitert es nicht daran, dass jemand nicht arbeiten will, sondern wenn, dann an den Deutschkenntnissen".

Deutsch auf zumindest Level A2 ist aber Grundvoraussetzung für die Teilnahme am Projekt. "Schon deshalb, weil wir hier sehr viele Sprachen haben. Die Leute können sich also nur auf deutsch miteinander unterhalten", so Brinskele. Durch das enge Zusammenarbeit steige auch die Motivation der Teilnehmer schneller und besser deutsch sprechen zu können.

Ein weiteres verbindendes Element ist das Gehalt: Unabhängig von der Tätigkeit bekommen alle für eine 24 Stunden-Woche 900 Euro brutto zum Bezug der Mindestsicherung hinzu.

Von Aus- und Einpackern bis zu E-Bike-Mechanikern



Zum Einsatz kommen die Teilnehmer derzeit an drei Standorten in Wien: Bei dem Schnittenunternehmen Manner in Hernals, dem IT-Aufbereiter AfB in Liesing und dem Hauptsitz von CraftJobs in Landstraße, wo auch eine Werkstätte von Green Storm, einem Händler gebrauchter E-Bikes, untergebracht ist.

Die Jobs sind vielfältig und oftmals auch ohne Kenntnisse zu absolvieren. Etwa das Etikettieren und Versenden von Poststücken. Für Manner werden falsch verpackte Süßigkeiten entpackt, auf Fremdkörper untersucht und zurück an die Firma geliefert. Im Jahr kommen so immerhin rund 600 Tonnen zusammen. Für die AfB zerlegen die Teilnehmer alte Hardware und bereiten sie für den Weiterverkauf vor. Auch für das Shreddern – nach zertifizierten Vorgaben – sind die jungen CraftJobber zuständig.

Für Green Storm zerlegen und warten derzeit junge Männer gebrauchte E-Bikes. Diese stammen aus Hotelbetrieben, die diese an ihre Gäste verliehen. In der Green Room-Werkstatt werden sie fit für ein zweites Leben gemacht, bevor sie zum Weiterverkauf angeboten werden.

Projekt läuft Ende des Jahres aus, Gespräche für Fortsetzung laufen

Trotz des Erfolgs der Initiative und dem Umstand, dass das Interesse möglicher Teilnehmer leicht für eine Verdoppelung der Kapazitäten ausreichen würde, nähert sich das Projekt seinem Ende. "Voraussichtlich mit Ende des Jahres wird das Programm auslaufen. Wir führen aber laufend Gespräche, um es dennoch weiterführen zu können", so Brinskele. Auch eine Ausweitung der Altersgrenze auf 27 Jahre ist derzeit angedacht.

Noch werden Firmen gesucht, die Teilnehmer aus dem Jobprogramm übernehmen wollen. Alle Infos und Kontakte dazu gibt es hier.

"Projekt bringt sensationellen Erfolg", so Sozialstadtrat Hacker:

(Video: heute.at)

Unterstützung kommt dazu vom Wiener Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ): "Die Mindestsicherung ist genau das, eine Mindest-Sicherung, es ist keine Lebensperspektive. Niemand ist gerne in Mindestsicherung", so Hacker.

"Das Projekt ist ein perfektes Beispiel dafür, was ich unter aktiver Arbeitsmarktpolitik verstehe. Wir brauchen keine Sonntagsreden, sondern müssen etwa tun. Hier lernen die Menschen, was sie brauchen, um aus der Mindestsicherung in den ersten Arbeitsmarkt einsteigen zu können. Und der Erfolg ist sensationell: Über 50% brauchen nach einem Jahr keine Unterstützung mehr".

Für Hacker steht daher fest, dass es das Projekt auch weiterhin geben müsse. "Wien übernimmt schon jetzt ein Viertel der Kosten, obwohl das Aufgabe des Bundes wäre", so Hacker, der an die türkis-grüne Bundesregierungen klare Forderungen stellt: "Zum Einen brauchen wir ein Versprechen, dass wir uns hinsetzen und eine bundesweite Lösung diskutieren. Von einem Fleckerlteppich an einzelnen Bundesländer-Regeln halte ich nichts".

Geklärt müssten auch die offenen Fragen zu Deutschkursen und der künftigen Sozialversicherung von Mindestsicherungs-Beziehern werden. Bisher würden diese Fragen zwischen verschiedenen Ministerien hin- und hergeschoben. "Mir ist egal, wer das macht. Das Sozialministerium, das Wirtschaftsministerium oder von mir aus auch das Verteidigungsministerium, irgendeiner muss es tun", unterstreicht Hacker. Denn, die Menschen verdienten es, Sicherheit zu haben – Bundesländergrenzen und Parteifarben dürften hier keine Rolle spielen.