Österreich

Mindestsicherung: Zahl der Bezieher nimmt ab

Heute Redaktion
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Erstmals in der Geschichte der Wiener Mindestsicherung ist die gesamtjährige Zahl der BezieherInnen zurückgegangen. Wie der Jahresbericht zeigt, gab es 2018 ein Minus von 5 Prozent.

Zum ersten Mal in der Geschichte der Wiener Mindestsicherung (WMS), die 2011 eingeführt wurde, ist die gesamtjährige Zahl der Bezieher zurückgegangen. Die Anzahl der WMS-Bezieher betrug 2018 im Jahresdurchschnitt 142.571 Personen. Gegenüber dem Vorjahr ist das ein Rückgang um fünf Prozent oder 7.579 Personen.

Die Zahlen lagen damit unter jenen von 2016, auch die Kosten gingen zurück, erklärten Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) und die Leiterin der MA 40, Agnes Berlakovich, die nun den Jahresbericht zur Mindestsicherung präsentieren.

75% beziehen Mindestsicherung als Ergänzung

Drei von vier Beziehern erhielten die Mindestsicherung als Ergänzungsleistung, verfügten also daneben noch über ein weiteres Einkommen. Sieben Prozent der WMS-Beziehenden waren erwerbstätig (inklusive Lehrlinge). Der größte Anteil der nicht-erwerbstätigen Personen befand sich im Vorschul-, Pflichtschul- oder Regelpensionsalter, gefolgt von dauerhaft arbeitsunfähigen Personen. Allesamt Gruppen, die nicht für die Vermittlung in den Arbeitsmarkt in Frage kämen. Hinzu kämen Personen, die aufgrund von Betreuungspflichten davon ausgenommen waren. Der Rest stand dem Arbeitsmarkt grundsätzlich zur Verfügung und belief sich 2018 auf 53.708 Personen (38 Prozent aller WMS-Beziehenden).

Die Zahl der Mindestsicherungsbezieher in Wien sinkt:

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(Grafik: Stadt Wien)

Anstieg bei Leistungshöhe und bei Über-60-Jährigen

Einen Anstieg gab 2018 bei der durchschnittlichen Leistungshöhe zu verzeichnen. Pro Person wurden 2018 durchschnittlich 345 Euro pro Monat ausbezahlt, was einer leichten Steigerung von zwei Prozent entspricht. Neben der Mindestsicherung hatte ein WMS-Beziehender im Vorjahr ein Einkommen von durchschnittlich 260 Euro im Monat, ein Rückgang von 23 Euro im Vergleich zum Vorjahreswert.

Auch bei den über 60-Jährigen stieg die Zahl der Bezieher. Insbesondere bei Personen, die das Regelpensionsantrittsalter bereits erreicht haben, sei häufig von einer dauerhaft notwendigen Unterstützung auszugehen. Bei Asyl- und Subsidiär-Schutzberechtigten stieg die Zahl der Bezieher mit zehn Prozent deutlich geringer als noch im Vorjahr.

Ausgaben für WMS sanken um 22 Mio. Euro

Betrugen die Ausgaben für die Wiener Mindestsicherung 2017 noch 680,6 Mio. Euro, gingen sie 2018 auf 659,6 Mio. zurück (-22 Mio. Euro). Vor allem die Anzahl der jungen WMS-Bezieher entwickelte sich günstig: Rund 6.600 Personen im Alter von 15 bis 24 Jahren, die im Dezember 2017 noch im Bezug standen, waren im Dezember 2018 seit mindestens drei Monaten nicht mehr auf Mindestsicherung angewiesen.

Derzeit beziehen über 41.000 Kinder unter 14 Jahren in Wien die Mindestsicherung:

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(Grafik: Stadt Wien)

Auch die Verweildauer der jungen Bezieher sank. Die Fokussierung der Wiener Mindestsicherung auf junge Beziehende in Verbindung mit einem echten Anreizsystem (etwa durch "flexible Mindeststandards" und den Wiener Beschäftigungsbonus) und fördernden Maßnahmen (etwa "Back to the Future") haben sich als wirksam und erfolgreich erwiesen, so Hacker.

"Mindestsicherung als aktive Armutsbekämpfung"

"Der Jahresbericht zur Mindestsicherung ist ein Bericht über unsere Maßnahmen zur aktiven Armutsbekämpfung", unterstrich Hacker. Wirklich nachhaltig werde diese aber erst, wenn man die Ursachen bekämpft. "Eine der Hauptursachen für Armut ist sicher die Lage am Arbeitsmarkt; derzeit haben wir in Wien einen Beschäftigungshöchststand, das hat natürlich positive Auswirkungen auf die Zahl der Bezieher. Vor allem in jener Gruppe in der Mindestsicherung, die über eine Ausbildung verfügen und bei den Jungen konnten ein spürbarer Rückgang erreicht werden. Andere Gruppen profitierten weniger davon", so Hacker.

Hacker kritisiert Streichungen bei Deutschkursen

Die vorige ÖVP-FPÖ-Bundesregierung habe auch keinen Wert daraufgelegt, die Ursachen für Armut zu bekämpfen. Das siehe man beispielsweise daran, dass alleine in Wien rund 13.000 Menschen auf einen Deutschkurs warten, nachdem man Deutschkurse im AMS deutlich reduziert hat. "Ich erwarte mir daher von der neuen Sozialministerin, dass Deutschkurse wieder ausgeweitet werden. Mit der vorigen Ministerin wurde ein Schwerpunkt in diese Richtung vereinbart", so Hacker.

Negative Auswirkungen habe auch die Streichung der Aktion 20.000 gehabt, durch diese nehme die Arbeitslosigkeit bei Älteren wieder zu. Die Stadt Wien gebe darauf den "Jobbonus 50+" als Antwort, durch den ab Herbst wieder hunderte ältere Arbeitnehmer eine Beschäftigung finden sollen.

Stadt fordert konkrete Maßnahmen zur Armutsbekämpfung

"Besonders wichtig sind natürlich die über 40.000 Kinder in der Wiener Mindestsicherung. Sie dürfen nicht in Armut aufwachsen. Ich hoffe daher, dass die Sozialministerin den Vorschlag, eine Expertenkommission einzurichten, aufnimmt, um rasch Maßnahmen zur Bekämpfung von Armutsursachen festzulegen", betonte der Sozialstadtrat.

Neben dem Ausbau der berufsspezifischen Deutschkurse in Kooperation mit Betrieben forderte Hacker auch die Forcierung der Pflichtschulabschlüsse, die besondere Förderung von arbeitslosen Frauen, die Organisation der überregionalen Vermittlung von Asyl- und Subsidiär Schutzberechtigten in die Land- und Forstwirtschaft und die Umsetzung der Wiener Jugendunterstützung, eines gemeinsamen Projekts des AMS Wien und der MA 40 mit dem Fokus auf Arbeitsmarktintegration von 15- bis 25-Jährigen.

(lok)