Politik

Ministerin gegen Wolf: "Das stimmt so einfach nicht!"

Integrationsministerin Raab nahm in der "ZiB2" zum neuen Anti-Terror-Paket Stellung. Beim Thema Flüchtlinge kam es zu einem Wortgefecht mit Wolf.

Roman Palman
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Integrationsministerin Susanne Raab im ZiB2-Interview mit Armin Wolf am 16. Dezember 2020
Integrationsministerin Susanne Raab im ZiB2-Interview mit Armin Wolf am 16. Dezember 2020
Screenshot ORF

Am Mittwoch hat die Regierung den ersten Teil ihres Anti-Terror-Pakets präsentiert, darunter auch einen neuen Straftatbestand zu "religiös motivierten extremistischen Verbindungen". Dazu war Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) zu Gast in der "ZiB2". Innenminister und Parteifreund Karl Nehammer hatte laut Moderator Armin Wolf die Einladung des ORF abgelehnt.

Braucht es dieses Gesetz?

Wolf beginnt mit der Frage nach der Sinnhaftigkeit des neuen Verbot. Schon jetzt gebe es im Strafgesetz ein Verbot von staatsfeindlichen Verbindungen, Bewegungen und terroristischen Vereinigungen. "Wozu braucht es jetzt noch ein zusätzliches Verbot für religiös motivierte extremistische Verbindungen?", beginnt ORF-Moderator Wolf das Interview.

Mit dem "umfassende Gesetzespaket" könne man gegen den "Nährboden des Extremismus, den politischen Islam, den Islamismus" überall dort ankämpfen wo anti-westliche Ideologie verbreitet werde. "Ja, wir haben schon Möglichkeiten gegen extremistische Verbindungen vorzugehen, aber wir haben konkret einen Tatbestand geschaffen, der sich auf religiös motivierten Extremismus bezieht."

Diese Antwort stellte den erfahrenen Interviewer aber noch nicht zufrieden. Wolf setzte nach: "Meine Frage ist ja, warum religiös motivierter Extremismus? Für die Terroropfer vom 2. November spielt's ja wenig Rolle, ob der Attentäter jetzt religiös extrem oder politisch extrem war. Warum nicht ein Gesetz gegen alle extremistischen Verbindungen, sondern nur gegen die religiös-extremen?"

VIDEO: Das gesamte ZiB2-Interview von Susanne Raab

Für Raab ist die Sachlage klar: "Weil religiös-extremistische Verbindungen in Österreich eine große Gefährdungslage  darstellen. Darauf sind wir eingegangen". Vom Islamismus gehe derzeit die größte Gefahr aus, verteidigt die Kultusministerin die Abgrenzung und beruft sich dabei auf einen Bericht des Verfassungsschutzes. Es sei ja "nur positiv", wenn die Straf- und Vollzugsbehörden hier mehr Möglichkeiten bekämen. "Und: Ich bin einfach froh, dass wir im Rahmen des Gesetzespakets den politischen Islam konkret definiert haben und auf dieses Phänomen eingehen". Das bilde die Basis für den Kampf "gegen diese Ideologie".

Durch neutrale Formulierung wasserdicht?

Eine Diskriminierung einzelner Religionsgemeinschaften, wie jüngst das Kopftuchverbot, könnte aber vom Verfassungsschutz gekippt werden, argumentiert Wolf. Der Islam stehe zwar nicht im Gesetzestext, aber sehr wohl in den Erläuterungen. Der Moderator wollte von Raab deshalb wissen, was die Regierung so sicher mache, dass dies nicht auch mit dem Anti-Terror-Paket passiere. 

Das könne man so nicht vergleichen, beginnt Raab ihre Ausführung: "Wir haben eine neutrale Formulierung gewählt, weil natürlich wollen wir, die Justizministerin [Alma Zadic, Grüne, Anm.], dass wir eine verfassungskonforme Regelung schaffen". Daher habe man sich auf "religiös motivierten Extremismus bezogen". 

"Ich weiß ja nicht, wie es ihnen geht, Herr Wolf"

Da fällt ihr Armin Wolf ins Wort und erinnert an das ebenfalls neutral formulierte Kopftuchverbot, das als verfassungswidrig aufgehoben wurde. Raab erklärt daraufhin, dass der VfGh "de facto geurteilt hat, dass auch andere Kopfbedeckungen anderer Religionen eben nicht verboten sind."

Das sei der Unterschied zum jetzigen Straftatbestand: "Grundsätzlich sind natürlich religiös motivierte extremistische Verbindungen insgesamt verboten. Ich wollte nur darauf hinweisen, das ist eine juristische Debatte. Ich weiß ja nicht, wie es ihnen geht, Herr Wolf, in der Praxis kenne ich aus zehn Jahren Integrationserfahrung die Bedrohnungssituation, die eben von islamistischem Extremismus ausgeht." Dieser stelle laut Raab aktuell die größte Gefährdungslage dar.

Gegen die Scharia

Kritiker hielten das neue Gesetz trotzdem für reine Symbolpolitik, fügt Wolf hinzu: "Welches Problem löst das Gesetz das mit bestehenden Gesetzen noch nicht lösbar ist?"

Raab: "Ich verwehre mich hier wirklich gegen die 'Symbolpolitik'", reagiert die Ministerin empört. Ihre Beispiele: "Wenn jemand in Österreich versucht, ein Scharia-Gericht einzurichten. Wenn jemand versucht, mit Sittenwächter, Scharia-Polizisten hier Menschen unter Druck zu setzen". Das könne man zwar mit einzelnen Straftatbeständen bereits jetzt "abstellen", so Raab weiter.

"Da kann doch keiner etwas dagegen haben"

Der Regierung gehe es aber mit dem Anti-Terror-Paket darum, die Organisationsstruktur im Hintergrund zu verbieten. Dadurch bekomme man ein Handhabe gegen Verbindungen, die die herrschende staatliche Grundordnung durch eine religiös begründete Staatsgrundordnung – konkret die Scharia – ersetzen will. "Also, ich bin doch froh, wenn die Strafbehörden einfach vermehrt Möglichkeiten bekommen, hier gegen den Islamismus vorzugehen. Da kann doch keiner etwas dagegen haben, nach dem verheerenden Terroranschlag, den wir am 2. November erlebt haben."

Überwachung von Hasspredigern

Zum geplanten Imam-Verzeichnis sagt Raab: "Ich möchte betonen: Es geht nicht darum, dass wir alle Moscheen und Imame unter Generalverdacht stellen. Wir wollen wissen, welche Imame in welchen Moscheen predigen. Das wissen wir auch aus anderen Religionsgemeinschaften."

"Und ich finde das ist ein lgitimes Interesse", so die Kultusministerin weiter. "Wir haben in Österreich einfach das Thema, dass Hassprediger aus dem Ausland kommen, hier Hass verbreiten und der Staat erfährt davon nicht. Wir wollen ja auch die Gläubigen schützen."

Die Regierung wolle hierbei auf die Vorarbeit der Islamischen Glaubensgemeinschaft aufbauen. Trotzdem war diese nicht in die Formulierung des Anti-Terror-Pakets involviert, was diese auch kritisierte. Warum? "Das stimmt so einfach nicht", reagiert Raab empört! Laut ihr habe es zwei Gesprächsrunden mit den Glaubensvertretern gegeben. Doch dann musste sie zugeben: "Ja, mit uns und dem Koalitionspartner am Verhandlungstisch sind sie nicht gesessen."

Lesbos: Wolf fällt Ministerin ins Wort

Die katastrophalen Zuständen in den Flüchtlingslagern auf Lesbos sorgte gegen Ende des Interviews noch einmal für angespannte Stimmung zwischen der Integrationsministerin und dem ORF-Anchorman. Die von der ÖVP versprochene Hilfe vor Ort habe versagt, konfrontiert Wolf Raab direkt: "Die Zustände auf Lesbos sind jetzt schlimmer als sie im Frühling waren. Die Stadt Wien will noch immer einhundert Kinder von dort aufnehmen. Ist es denkbar, dass die ÖVP ihre Haltung dazu ändern?"

"Schauen Sie, Herr Wolf, das lässt uns alle nicht kalt", beginnt Raab empathisch. Aber: "Sie werden heute von mir aber nichts anderes von mir hören, wie von uns die letzten Wochen und Monate. Wir setzen weiterhin stark auf die humanitäre Hilfe vor Ort. Und ich glaube, Österreich kann sich hier auch sehen lassen. Wir haben so viel investiert, der Innenminister hat unmittelbar jetzt auch Tonnen an Hilfsgüter direkt auf die Insel geschickt." Plötzlich fällt ihr Wolf ins Wort: "Aber das hat ja nichts geholfen, Frau Minister, die Kinder sitzen im Dreck dort und werden von Ratten angeknabbert!"

Davon ließ sich Raab nicht beirren, sie referierte einfach weiter: "Man tut ja gerade so, als wenn Österreich auch im Land nichts leistet. Wir haben 5.000 unbegleitete Minderjährige nur in diesem Jahr über das Asylwesen in Österreich aufgenommen. Und diesen Minderjährigen, diesen Verpflichtungen nachzukommen, und das gut umzusetzen, ist jetzt unsere Aufgabe." Kurzum: Die ÖVP werde hier keinen Zentimeter von ihrem bisherigen Standpunkt weichen.

Empörung über Raab auf Twitter

Viele Zuseher reagierten empört auf die Aussagen der Integrationsministerin und machten ihrem Ärger auf Twitter Luft: "Wenn man den politischen Diskurs zB in Deutschland verfolgt, und dann Frau Raab in der #ZIB2 hört, könnt einem Angst und Bange werden ...", schreibt ein User. Besonders die Flüchtlingsthematik rund um das Lager Moria erregt die Gemüter: "Das Innenministerium hat Hilfsgüter geschickt, wir helfen Vorort? Damit werdet ihr auf Dauer auch nicht besser schlafen", kommentiert eine Frau. Ein weiterer Nutzer setzt nach: "Schämen Sie sich, Frau Ministerin Raab. Ich schäme mich sogar für Sie."

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