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So schlimm soll es an der Ballettakademie zugehen

Heute Redaktion
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Es sind schwere Vorwürfe gegen die Ballettakademie an der Wiener Staatsoper: Schüler sollen gedemütigt, psychisch misshandelt, gar sexuell belästigt worden sein.

Wie der "Falter" in seiner neuen Ausgabe (Mittwoch) schildert, sollen an der Ballettschule der Wiener Staatsoper unerträgliche Zustände herrschen.

Mädchen und Buben sollen misshandelt, psychisch missbraucht, gedemütigt und in die Magersucht getrieben worden sein. Die Hauptvorwürfe:

Laut dem Bericht sollen sich einige Schülerinnen über eine "sadistische Lehrerin" beschwert haben. Die gebürtige Russin habe die Mädchen "getreten, blutig gekratzt, blau gezwickt und an den Haaren gerissen".

"Sie hat mich beim Training mit ihren langen Fingernägeln so gezwickt, dass ich blaue Flecken hatte", schildert eine Schülerin.

Die Betroffenen hätten sich immer wieder über die Lehrerin beschwert, zunächst allerdings ohne Erfolg. Sie sei lediglich mehrmals ermahnt worden.

Von "Erziehungsmethoden aus dem 19. Jahrhundert", mit denen den Kindern bewusst Angst gemacht worden sei, spricht die ehemalige Tanzlehrerin der Akademie, Sharon Booth.

Besonders brisant: Von der ehemaligen Direktorin der Ballettakademie, Jolantha Seyfried, wurde die "sadistische Lehrerin" hinausgeworfen. Später soll sie – wegen ihrer guten beruflichen "Qualifikationen" – von der jetzigen Direktorin Simona Noja allerdings wieder zurückgeholt worden sein. Im Jänner wurde ihr nach mehreren Beschwerden schließlich doch gekündigt.

Wie es im Artikel heißt, hat ein Team rund um Staatsoperndirektor Dominique Meyer den "Falter" bei der Aufarbeitung der Vorwürfe unterstützt und alle Vorwürfe offengelegt, welche die Kinder- und Jugendanwaltschaft bereits davor in vertraulichen Gesprächen dokumentiert hatte.

Wie der "Falter" weiter schreibt, sollen viele Schülerinnen wegen ihrer Körper verspottet worden sein, was bei einigen Mädchen zu Essstörungen und letztlich Magersucht geführt habe. Pädagogische Pläne und Ernährungskonzepte für die Kinder würden fehlen.

"Eine Lehrerin riet uns, wir sollten eine Woche nur Wasser trinken und Kiwis essen, um schön schlank zu bleiben", schildert eine ehemalige Schülerin ihre Erfahrungen. Eine andere Lehrerin habe den Kindern geraten, sich nur von "faustgroßen Mahlzeiten" zu ernähren. Die ehemalige Schülerin der "Jugendstrafanstalt", wie sie selbst die Wiener Ballettakademie bezeichnet, unterrichtet heute selbst. Sie könne sich erinnern, dass ein Mädchen während der Tanzstunde gar in Ohnmacht gefallen sei.

Und obwohl das Ballett ein Hochleistungssport ist und daher eine psychologische und sportmedizinische Betreuung in vielen internationalen Opernhäusern selbstverständlich ist, sei das in Wien nicht der Fall – im Gegenteil: Selbst die notfallmedizinische Behandlung nach Unfällen lasse zu wünschen übrig, heißt es.

Manche Lehrer hätten laut den Ausführungen von Booth die Verantwortlichen über die unglaublichen Zustände informiert und ihre Sorgen über den Gesundheitszustand einiger Mädchen kundgetan. Doch die Bedenken wurden meist ignoriert. Einige pubertierende Schülerinnen sollen aufgrund der Unterernährung nicht mehr menstruieren haben, das Knochenwachstum, Zähne und Haarwuchs seien beeinträchtigt und auch der Herzrhythmus gestört worden.

Dem noch nicht genug, reichen die Vorwürfe bis hin zu sexuellen Übergriffen. Ein Schüler habe den "Falter" wissen lassen, dass er von einem Lehrer sexuell verführt worden sei.

Demnach hatte der Jugendliche Gefühle für einen männlichen Lehrer entwickelt, was dieser ausgenutzt haben soll. Der über 50-jährige Mann habe dem damals 16-Jährigen pornografische Videos vorgespielt, "ihn geküsst und im Auto vor ihm onaniert, gegen den Willen des Burschen".

Jener Lehrer wurde vom Dienst freigestellt, die Untersuchungen würden laufen.

"Ich wurde psychisch gebrochen", schilderte eine ehemalige Schülerin, die nun selbst unterrichtet. Die Wiener Ballettakademie bezeichnete sie als "Jugendstrafanstalt".

"Die Kinder sind hier nur eine Ware, um die Oper zu bespielen", gibt auch Seyfried, die unter Ioan Holender die Akademie leitete, zu.

Die einstige Ballerina Gabriele Haslinger bemerkt dazu: "Die Eltern glauben, die Kinder in der Akademie in besten Händen zu wissen, aber das stimmt nicht."

Die Recherchen zu den schwerwiegenden Vorwürfen, von denen der "Falter" berichtet, seien von der Oper unterstützt worden. Man wolle eine "lückenlose Aufklärung". Auch die Kinder- und Jugendanwaltschaft der Stadt Wien beschäftige sich bereits seit Monaten mit der Einrichtung. "Im Grunde hätten wir diesen Laden sofort zusperren müssen", wird ein Beamter zitiert.

Akademie-Direktorin Noja meint, die Sorgen der Schüler stets ernst genommen und regelmäßig Gespräche mit ihnen geführt zu haben. Gemeinsam mit Ballettchef Manuel Legris habe man stets auf Kritik reagiert. Jene "sadistische Lehrerin", von der weiter oben die Rede ist, wurde nach mehreren Verwarnungen im Jänner gekündigt, wird etwa betont.

Diese sagt zu den Vorwürfen übrigens: "Es tut mir leid, wenn die Mädchen gelitten haben."

Die jungen Tänzer seien laut Akademie sehr wohl von Schulärzten regelmäßig untersucht worden. Mit Lehrern habe es darüber hinaus Vereinbarungen gegeben, auf die Ernährung der Schüler zu achten.

Opern-Direktor Dominique Meyer verteidigt Noja: "Der Vorwurf, sie hätte sich nicht um die Beschwerden gekümmert, ist nicht haltbar", wird er zitiert.

Die Staatsoper wird bei der Staatsanwaltschaft eine Sachverhaltsdarstellung einbringen.

Zusätzlich möchte die Oper nun eine Ombudsstelle einrichten und Pädagogen in Sachen Sportmedizin, Ernährung und Gesundheitspädagogik fortbilden. Auch ein Fach "Body Awareness" soll ab Herbst verpflichtend eingeführt werden.

Angesichts der schweren Anschuldigungen hat Kulturminister Gernot Blümel (ÖVP) nun die Bundestheaterholding mit der Einrichtung einer Sonderkommission beauftragt, wie er der APA mitteilte: "Ein Verhalten, wie das in den Vorwürfen angeprangerte, ist vollkommen inakzeptabel."

Sobald er von den Vorwürfen erfahren habe, habe er Holding-Geschäftsführer Christian Kircher mit der Einrichtung des Gremiums beauftragt, welches die Vorwürfe restlos klären soll, so Blümel laut APA.

(ek)