Politik

Missverstandener Strache gegen böse Journalisten

Heute Redaktion
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Auf der einen Seite FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache, der sich als Opfer einer "parteipolitisch motivierten Schlammschlacht" sieht. Seine Aussagen zu "neuen Juden" und zur "Reichskristallnacht" beim Ball des Wiener Korporationsrings (WKR) seien von einem Journalisten bewusst aus dem Zusammenhang gerissen worden. Auf der anderen Seite die Journalisten, die auf ihrer Darstellung beharren. Ein Grenzfall in der Berichterstattung.

Auf der einen Seite FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache, der sich als Opfer einer "parteipolitisch motivierten Schlammschlacht" sieht. Seine Aussagen zu "neuen Juden" und zur "Reichskristallnacht" beim Ball des Wiener Korporationsrings (WKR) seien von einem Journalisten bewusst aus dem Zusammenhang gerissen worden. Auf der anderen Seite die Journalisten, die auf ihrer Darstellung beharren. Ein Grenzfall in der Berichterstattung.

Seine Aussagen seien völlig falsch berichtet worden, so Strache. Vergleiche mit dem Nationalsozialismus hätten die Ball-Gegner getroffen, denn diese hätten die Gäste attackiert und etwa "Erschießt die Nazi-Schlampen!" gerufen. Das Pogrom von 1938 sei einzigartig, und "Wir sind die neuen Juden" sei ein Zitat des verstorbenen Ex-FPÖ-Chefs Jörg Haider, das bei dem Ball zur Sprache gekommen sei.



+++ Fischer verweigert Strache Ehrenzeichen +++


Dass die FPÖ in diesem Bereich klare Distanzierungen vermissen lasse, wies Strache in der Zeit im Bild zurück. Seine Partei habe mit Antisemitismus und Nationalsozialismus nichts zu tun. Anders sieht dies der Standard-Journalist, der sich am Ball eingeschlichen und mit Strache geplaudert hatte. Gegenüber dem Journalisten Tobias Müller sei an diesem Abend in der Hofburg im persönlichen Gespräch mit Strache nie der Name Haider gefallen, so der Standard. 



+++ Diskutieren Sie mit: Handelt der Bundespräsident korrekt? +++


"Kann dies unter Eid bezeugen"

Strache habe von sich aus, ohne von Müller darauf angesprochen worden zu sein, von Angriffen auf Burschenschaftsbuden gesprochen und diese mit der "Reichskristallnacht" verglichen, sowie den Satz "Wir sind die neuen Juden" formuliert. "Müller kann und würde dies auch vor Gericht unter Eid bezeugen", wurde betont. Zu diesem Gespräch gebe es ein Gedächtnisprotokoll, das noch in derselben Nacht angefertigt worden sei.



Der Journalist mit aufgeklebtem Schnurrbart als verdeckter Ermittler? Immer wieder sorgen Enthüllungen von Reportern, die sich als solche nicht zu erkennen geben, für Aufsehen. Etwa, als der EU-Parlamentarier Ernst Strasser auf getarnte Schreiber der Sunday Times hereinfiel und sich als Lobbyist anbot. Doch was steckt hinter dem "Einschleichjournalismus"?

  

Nicht ganz unproblematisch

Der Einsatz von versteckten Reportern wird nicht ganz unproblematisch gesehen. Im Ehrenkodex für die österreichische Presse etwa sind "unlautere Methoden" eindeutig verpönt, namentlich: "Irreführung, Druckausübung, Einschüchterung, brutale Ausnützung emotionaler Stress-Situationen und die Verwendung geheimer Abhörgeräte". Im Fall des Burschenschafter-Festes in der Hofburg schlichen sich gleich mehrere Reporter unerkannt ein, einer ließ sich sogar extra einen Schnurrbart wachsen.

Engelbert Washietl von der Initiative Qualität im Journalismus (IQ) lehnt verdeckte Journalisten zwar grundsätzlich ab, sieht es aber als normales Ansinnen, von einer derart kontroversen Veranstaltung auch dann zu berichten, wenn Journalisten massenhaft ausgeschlossen würden. "Warum sollte man nicht versuchen, sich auf einer Veranstaltung umzusehen, gegen die draußen dermaßen demonstriert wird?" Schließlich hätten alle Ballkarten gekauft und die Veranstaltung damit regulär besucht.

"Warum redet Strache so, wenn keine Journalisten da sind?"

Und der "Juden"-Sager von Strache? "Es gehört schon zum Anstand dazu, dass man sich irgendwann kenntlich macht", findet Washietl, schränkt aber ein: "Warum redet Strache so, wenn er glaubt, die Journalisten sind nicht dabei? Da bin ich auf der Seite des betreffenden Journalisten, der sich in seiner Berufsausübung ja darauf beschränkt zu berichten, was wesentlich und wichtig ist. Und die Äußerung scheint mir wesentlich und wichtig zu sein."

Müller selbst beschreibt die Gesprächssituation mit Strache so: Er habe den FPÖ-Obmann vor einer Loge angesprochen und sich mit ihm über den Ball unterhalten, ohne sich als Journalist kenntlich zu machen. Nach kurzer Zeit seien die beiden Sager über die "neuen Juden" und die "Reichskristallnacht" gefallen, was ihn und seine Begleiterin "sehr überrascht" habe. "Meine Intention war es sicher nicht, dem Herrn Strache irgendwelche Sager herauszulocken."

Keine Verkleidung

Gekleidet gewesen sei er als Ballgast, dem Dresscode entsprechend mit Frack, aber ohne gefälschte Burschenschafterinsignien. Nach dem Gespräch habe er zu Hause ein Gedächtnisprotokoll angefertigt und unmittelbar die Redaktion von dem Gehörten verständigt, sagte der Reporter.