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Mitteparteien brechen ein, Rechte und Linke legen zu

Heute Redaktion
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Tories und Labour erzielen bei der EU-Wahl in Großbritannien desaströse Ergebnisse, auch die deutsche GroKo ist abgestürzt – hier für Sie eine Zusammenfassung.

Niederlage für Macron

Die französischen Rechtspopulisten haben Präsident Emmanuel Macron bei der Europawahl eine empfindliche Niederlage bereitet: Die Partei Rassemblement National (RN, der frühere Front National) von Marine Le Pen wurde bei der Wahl am Sonntag nach Auszählung fast aller Stimmen mit 23,4 Prozent stärkste Kraft. Sie konnte damit ihren Triumph von 2014 wiederholen. Macrons La République en Marche (LREM) kam mit 22,3 Prozent nur auf den zweiten Platz.

Le Pen sprach von einem "Sieg für Frankreich und für das Volk". Sie rief Macron auf, die Konsequenzen aus der Wahl zu ziehen, die Pariser Nationalversammlung aufzulösen und Neuwahlen auszurufen.

Deutsche GroKo stürzt ab

Historisch schlechte Ergebnisse für die deutschen Regierungsparteien, Triumph für die Grünen: Bei der Europawahl haben die Wähler Union und SPD abgestraft. Besonders hart traf es die SPD, die laut vorläufigem Ergebnis von 27,3 auf 15,8 Prozent abstürzte und auf Platz drei hinter den Grünen landete.

Diese feierten mit 20,5 Prozent einen triumphalen Erfolg und wurden erstmals bei einer bundesweiten Wahl zweitstärkste Partei. CDU/CSU verloren ebenfalls deutlich an Zuspruch, wurden aber mit 28,9 Prozent erneut stärkste Kraft.

Noch nie hatten Union und SPD bei einer Europawahl so schlechte Ergebnisse eingefahren. Die SPD verlor im Vergleich zur letzten Europawahl 2014 fast zwölf Prozentpunkte, die Union etwa sieben Punkte. Zusammen landeten sie deutlich unter 50 Prozent.

Die Grünen hingegen konnten ihr Ergebnis verdoppeln. Ihre Spitzenkandidatin Ska Keller sprach von einem «sensationellen Ergebnis». Parteichef Robert Habeck sagte: «Das Ergebnis übertrifft alle Erwartungen und ist ein Auftrag, diesem Zuspruch standzuhalten.»

Die AfD legte im Vergleich zur letzten Europawahl 2014 knapp vier Prozent zu und landete bei 11,0 Prozent. Linkspartei und FDP kamen auf 5,5 respektive 5,4 Prozent - bei den Linken etwas weniger als bei der letzten Wahl, bei der FDP etwas mehr.

Sozialisten gewinnen in Spanien



Die Sozialisten sind in Spanien der große Sieger der Europawahl: Die Partei des amtierenden Regierungschefs Pedro Sánchez kam auf rund 33 Prozent und wurde damit stärkste Kraft, wie Regierungssprecherin Isabel Celaa am Sonntagabend in Madrid nach Auszählung von 85 Prozent der Stimmen bekanntgab. Auch zwei umstrittene Katalanen-Politiker wurden gewählt.

Die konservative Opposition kam demnach auf 20,1 Prozent, gefolgt von den Liberalen von Ciudadanos (12,2 Prozent) und den Linken von Podemos (10,1 Prozent). Die Rechtsextremen von Vox konnten nur sechs Prozent der Stimmen für sich gewinnen.

Bei der Europawahl war Sánchez der Hoffnungsträger der geschwächten Sozialdemokraten in der EU: Spanien könnte eines der wenigen EU-Mitgliedsländer werden, in denen eine sozialdemokratische Partei stärkste Kraft wird. Zuvor hatten die Sozialdemokraten bereits in den Niederlanden, in denen am Donnerstag gewählt wurde, laut Nachwahlbefragungen einen Überraschungssieg errungen.

Derweil wurden auch die Katalanen-Politiker Carles Puigdemont und Oriol Junqueras ins Europaparlament gewählt. Ob sie ihre Mandate antreten können, ist aber unklar. Puigdemont, Spitzenkandidat des Bündnisses «Lliures per Europa» (Frei für Europa), lebt in Belgien im Exil, Junqueras sitzt wegen seiner Rolle beim umstrittenen katalanischen Unabhängigkeitsreferendum im Oktober 2017 in Spanien im Gefängnis.

Niederlande: Wilders fliegt aus Parlament

Die Europawahl in den Niederlanden haben überraschend die Sozialdemokraten gewonnen. Die Freiheitspartei (PVV) des Rechtspopulisten Geert Wilders fliegt aller Voraussicht nach aus dem Europaparlament.

Die europaskeptische und islamfeindliche Partei, die derzeit noch vier EU-Abgeordnete zählt, dürfte diesmal leer ausgehen, wie die niederländische Nachrichtenagentur ANP nach Auszählung von 98 Prozent der Stimmen berichtete. In Nachwahlbefragungen nach der Abstimmung am Donnerstag hatte es noch so ausgesehen, als könnte die Wilders-Partei einen Sitz verteidigen.

Vor allem die erst vor zwei Jahren gegründete rechtspopulistische Partei Forum für Demokratie (FvD) von Thierry Baudet dürfte der Freiheitspartei Stimmen abgejagt haben. Auf sie entfallen voraussichtlich drei Sitze im EU-Parlament, weniger als in Umfragen erwartet.

Die Europawahl in den Niederlanden hatten überraschend die Sozialdemokraten gewonnen. Die Partei des sozialdemokratischen Spitzenkandidaten Frans Timmermans eroberte laut ANP sechs der 26 Sitze im Europaparlament. Auf die liberale Partei VVD von Ministerpräsident Mark Rutte und die Christdemokraten entfielen demnach jeweils vier Sitze.

Farages Brexit-Partei siegt

Bei der Europawahl in Grossbritannien liegt die EU-feindliche Brexit-Partei ersten Ergebnissen zufolge mit 31,5 Prozent deutlich vorne. Die konservativen Tories der zurückgetretenen Premierministerin Theresa May fielen auf 7,5 Prozent zurück.

Das wurde nach Auszählung von gut zehn Prozent der Stimmzettel bekannt. Die Konservativen kamen damit nur auf den fünften Platz nach den pro-europäischen Liberaldemokraten, der Labour-Partei und den Grünen.

Die Liberaldemokraten legten kräftig zu und verbesserten sich nach 6,7 Prozent im Jahr 2014 den ersten Ergebnissen zufolge auf 20 Prozent. Die Labour-Partei von Jeremy Corbyn erzielte demnach 16,5 Prozent, die Grünen 11,6 Prozent.

Orban-Partei gewinnt in Ungarn klar

Die rechtsnationale Fidesz-Partei hat in Ungarn klar gewonnen. Die Partei von Ministerpräsident Viktor Orban erhielt 52 Prozent der Stimmen (2014: 51 Prozent), wie die staatliche Wahlkommission in Budapest mitteilte.

Die Ergebnisse beruhen auf der Auszählung von 99,9 Prozent der Stimmen. Auf den zweiten Platz kam die linke Demokratische Koalition (DK) des ehemaligen Ministerpräsidenten Ferenc Gyurcsany. Sie erhielt 16 Prozent der Stimmen und ließ damit die anderen Oppositionsparteien überraschend deutlich hinter sich.

Als Überraschung gilt auch, dass die relativ neue liberale Partei Momentum auf zehn Prozent der Stimmen kam und Dritter wurde. Die bislang führenden Oppositionsparteien, die linke MSZP und die rechtsradikale Jobbik, landeten mit 6,7 beziehungsweise 6,4 Prozent abgeschlagen auf den hinteren Rängen.

Salvinis Lega vorne

Die Lega-Partei von Innenminister Matteo Salvini in Italien kommt auf 30 Prozent der Stimmen . Zusammen mit der AfD aus Deutschland, der FPÖ aus Österreich und den französischen Rechtspopulisten will die Lega-Partei ein erweitertes Bündnis schmieden. Die Allianz mit dem Namen «Europa des gesunden Menschenverstandes» (Europe of common sense) hat dem angeblichen «Europa der Eliten» den Kampf angesagt.

Wer folgt Jean-Claude Juncker?



Nach dem Eintreffen der ersten Hochrechnungen der EU-Wahl hat der Poker um die Nachfolge von Jean-Claude Juncker als EU-Kommissionspräsident umgehend begonnen. Für die Europäische Volkspartei (EVP) will die stellvertretende Fraktionschefin, Esther de Lange, den Führungsanspruch stellen. Die Sozialdemokraten (S&D) pochen auf ihren Spitzenkandidaten Frans Timmermans – dieser habe eine „mehr als realistische Chance" auf den Posten. Timmermanns selbst erhebt keinen Anspruch auf das Amt. „Meine politische Fraktion hat verloren, deshalb müssen wir bescheiden sein und ein klares Programm präsentieren", so Timmermans noch in der Nacht. Für die EU-Bürger sei es nicht wichtig, wer die Kommission leite, sondern was dieser tun werde. „Es wäre mir eine Ehre, dieses Programm zu leiten", räumte Timmermans allerdings ein. Zuerst gelte es aber, eine Koalition zu bilden, danach könne man „Game of Thrones" spielen, sagte er. (red)