Szene

Mörder im Orient Express ist (nicht) der Wiener

Agatha Christies berühmtester Detektiv Hercule Poirot muss den "Mord im Orient Express" aufklären - und tut das hervorragend!

Heute Redaktion
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Der "Mord im Orient Express" erwacht alle paar Jahre wieder zu neuem Leben (siehe unten). Kenneth Branagh stellte sich der Herausforderung und gibt Agatha Christies berühmtestem Buch eine sanft modernisierten Form - und einem zusätzlichen Wiener in der deutschen Synchronisation. Das Detektivabenteuer schafft es trotzdem, die 30er, die legendäre Zuglinie und - mit Hilfe von viel Product Placement, u.a. Veuve Clicquot (Champagner) und Godiva (Belgische Schokolade) den Luxus wieder auferstehen zu lassen.

Jeder lügt, doch wer mordet?

Eine bunt gemischte Gruppe startet mit dem Orient-Express ab Istanbul, bis irgendwo in der Wildnis des ehemaligen Jugoslawien (die nächgelegene Station ist Brod im heutigen Bosnien-Herzegowina), der Zug im Schnee stecken bleibt. An Bord ist der tote Johnny Depp (Edward Ratchett), dem jemand mit 12 Messerstichen den Gar ausgemacht hat. Da er am Abend davor noch putzmunter war, muss Poirot, bester Detektiv der Welt, seine kleinen grauen Zellen anstrengen, um unter der erlauchten Gesellschaft den Schuldigen zu finden. Schnell stellt sich heraus, dass alle zwölf Verdächtigen lügen und jeder etwas zu verbergen hat. Doch eine Lüge macht noch keinen Mörder. Wer hat das Messer geschwungen? Bis der Zug ausgeschaufelt ist, muss auch der Schuldige gefunden sein.

Traum-Cast bringt uns eine wunderbare Michelle Pfeiffer zurück

"Mord im Orient Express" trumpft mit einer Traumbesetzung auf: Kenneth Branagh (Hercule Poirot, Regie und Co-Produzent) mischt in seinem Cast aus Verdächtigen Hollywood-Schwergewichte (Michelle Pfeiffer, Johnny Depp), aufgehende Sterne (Daisy Ridley, Sergei Polunin) und das Beste, das England zu bieten hat (Judi Dench, Olivia Colman). Im A-Liga-Cast stechen allen voran Michelle Pfeiffer, als Witwe auf Männerfang und "Star Wars"-Newcomerin Daisy Ridley als emanzipiertes Kindermädchen heraus. Johnny Depp, der im letzten Jahrzehnt noch (fast) jeden Film verhundst hat, ist anfangs unaufdringlich bösartig und trägt dann in einer Art zur Handlung bei, wie man sie sich von ihm öfter wünschen würde.

Synchronisations-Überraschung: Willem Dafoe als Wiener

Während deutsche Übersetzungen oft einem Film den Todesstoß versetzen können, haben sich die Macher für "Mord im Orient Express" ein besonderes Zuckerl einfallen lassen. Willem Dafoe, in der Buchvorlage der Amerikaner Cyrus Hardman, wird kurzerhand zum österreichischen Professor Gerhard Hardman, der, der Zeit angemessen (kurz nach der Machtergreifung Hitlers in Deutschland), ein Rassist ist und sich weigert mit dem schwarzen Arzt an einem Tisch zu sitzen. Dafür brilliert er mit einem genialen Wiener Dialekt. Dass Poirot den Österreichern in die Seele schauen kann, beweist er, als er Dafoe - zur Freude aller österreichischen Zuschauer - entlarvt. Beim Zuschauen kann man den Augenblick, in dem er sich verrät kaum verpassen. Es ist der, bei dem sich jedem Ostösterreicher alles zusammenkrampft.

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Orient Express: "König der Züge", "Zug der Könige"

Im Orient Express reiste man in maximalem Luxus, nicht umsonst hieß schon damals, als es ihn noch gab, der Zug "König der Züge" oder "Zug der Könige". Agatha Christie selbst machte die Reise 1928. Die Strecke ging von Paris über Wien und Budapest über Sofia bis Konstantinopel (Istanbul) bzw. retour. Christies Buch soll in einem Zimmer des Hotels Pera in Istanbul entstanden sein und erschien 1934. Genau in diesem Jahr müssen auch Kenneth Branagh und sein Schnurrbart (inklusive nächtlichem Bartschoner!) den Mörder im Zug finden. Den Setdesignern ist es hervorragend gelungen, die Opulenz der damaligen Zeit wiederauferstehen zu lassen.

Oft verfilmt, bestens besetzt, nicht totzubekommen

Verfilmungen gab es bereits mit Albert Finney, der dafür den Oscar bekam sowie Lauren Bacall, Ingrid Bergmann und Sean Connery 1974, mit Alfred Molina und Kai Wiesinger (2001), als TV-Serie und sogar als japanische Anime-Serie.

Hercule Poirot und seine Verdächtigen:

Kenneth Branagh als Hercule Poirot - bekannt aus u.a. "Hamlet"

Daisy Ridley als Miss Mary Debenham - "Star Wars"

Penelope Cruz als Pilar Estravados - "Volver", "Blow"

Johnny Depp als Edward Ratchett - "Fluch der Karibik"

Sergei Polunin als Count Rudolph Andrenyi - Balett-Superstar

Lucy Boynton als Countess Elena Andrenyi - "Ballet Shoes"

Michelle Pfeiffer als Caroline Hubbard - "Batmans Rückkehr", "Scarface"

Judi Dench als Prinzessin Dragomiroff - "Skyfall", "Philomena"

Olivia Colman als Hildegarde Schmidt - "Die eiserne Lady", "Hot Fuzz"

Willem Dafoe als Gerhard Hardman - "Spider-Man", "Grand Budapest Hotel"

Leslie Odom Jr. als Dr. Arbuthnot - "Smash"

Tom Bateman als Bouc - "Mädelstrip"

Manuel Garcia-Rulfo als Biniamino Marquez - "Die glorreichen Sieben"

Josh Gad als Hector MacQueen - "Die Schöne und das Biest"

Kinostart in Österreich: 10. November

(lam)