Österreich

Mordprozess: "Aussagen der Zeugen manipuliert"

Heute Redaktion
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Beqir T. soll vergangenen August einen Lokalbesitzer (Perica G.) erstochen und einen Beteiligten lebensgefährlich verletzt haben. Vor Gericht behauptet er: Es war Notwehr.

Beqir T. muss sich wegen Mord, versuchtem Mord und Nötigung verantworten. "Ich habe zugestochen, aber ich bin nicht schuldig", so der Angeklagte. Dass es so weit kommen musste, tut ihm "schrecklich leid", doch meint er die ganze Wahrheit über den Abend des 18. Augusts 2017 zu kennen. Diese Wahrheit müsse nun gesagt werden. Die Version, dass Perica G. an den falschen Typen geraten ist, als er einer Frau ein Kompliment gemacht hat, würde laut Angeklagtem nicht stimmen. Es wäre niemals um seine Begleiterin Michaela B. gegangen.

Bisher war bekannt, dass der Kosovo-Albaner auf die Schmeichelei des serbischen Barbetreibers mit Hass-Tiraden reagierte, aus denen sich eine tödliche Eskalation entwickelte: Kurz nach der verbalen lautstarken Auseinandersetzung stand Perica G. mit einem blutenden Hemd auf der Ottakringer Straße (Ottakring) und taumelte – zwei Stiche im Herzbereich.

Zwei Lokalgäste bekamen das Geschrei mit und stürmten aus der Bar. Einer brachte den Schwerverletzten zurück in das Lokal, wo dieser das erste Mal das Bewusstsein verlor. Der andere, Almir S., versuchte den Wütenden zu beruhigen. Wie das erste Stichopfer, sah auch er die Klinge im dunklen nicht auf sich zukommen, er erlitt einen fünf Zentimeter tiefen Schnitt im Bauchbereich. Er verdankt sein Leben einem raschen chirurgischen Eingriff. Perica G. verstarb am Operationstisch im AKH nach stundenlangem Überlebenskampf.

Gerechtigkeitssinn entdeckt

Beqir T. setzte sich noch in der gleichen Nacht nach Italien ab, von wo aus er zurück nach Albanien geflohen ist. Michaela B. gab später bei der Polizei zu Protokoll: "Bevor sich unsere Wege trennten, sagte er zu mir: 'Wen du irgendjemandem etwas von diesem Vorfall erzählst, dann steche ich dich ab.'" Nach einem Monat stellte er sich freiwillig. Verteidiger Peter Philipp betonte gleich am Verhandlungsbeginn, dass der Angeklagte ihn persönlich angerufen hätte, um sich der Justiz zu stellen, so etwas hätte er "noch nie erlebt in seiner 40-jährigen Laufbahn".

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"Sie haben mich angegriffen"

Ziemlich klar konnte Beqir T. den Abend bis zum Zeitpunkt der Auseinandersetzung erinnern. Über seinen Dolmetscher schilderte er den Abend derart ausführlich und langatmig, dass die Anwesenden im Gerichtssaal kurz vergessen haben dürften, dass dem Beschuldigten Mord, versuchter Mord und Nötigung angelastet wird.

"Mischen wir den Albaner auf!"

Er betonte immer wieder, dass ihn Michaela B., die Frau, die das Zentrum dieses spontan eskalierten Eifersuchtsdramas sein soll, eigentlich gar nicht interessierte. Den ganzen Abend hätte sie angeblich per SMS versucht ihn dazu zu bringen gemeinsam auszugehen. Irgendwann will er sich überredet haben lassen: "Du kannst kommen, aber ich geh ficken", soll seine Antwort gewesen sein. Damit bezog er sich auf einen bevorstehenden Puff-Besuch. Michaela B. ihrerseits kann die Version eines "lästigen Anhängsels" nicht bestätigen.

"Es war Notwehr"

Den Tathergang selbst hat er ausgeblendet. "Ich weiß nichts von einem Kompliment", so der Angeklagte. "Ich stand um die Ecke zwischen zwei Autos und urinierte. Plötzlich kamen drei Männer auf mich zu. Einer von ihnen sagte, 'dich Albaner machen wir fertig!' Sie prügelten auf mich ein, in meiner Panik holte ich mein Messer hervor und fing an um mich zu fuchteln. Da hab ich sie wohl erwischt."

Zeugenaussagen geben anderes Bild vom Tathergang

Etliche Zeugen haben den Abend des 18. August anders in Erinnerung. Baqir T. soll sich in seinen Ausfälligkeiten derart gesteigert haben, dass die zwei Bekannten des später Verstorbenen Perica G. vom Lokal aus sehen und hören konnten wie ernst die Situation ist. Eine Zeugin, die den Vorfall aus ihrer Wohnung beobachtete, gab bei der Polizei zu Protokoll: "Er schrie ihn (Perica G.) durchgehend an, jede Antwort des anderen stachelte ihn nur noch mehr auf. 'Du kannst mir einen blasen. Ich ficke deine Familie.'" "Das ging noch weiter", so ein anderer Zeuge, er soll sogar die Familienmitglieder des späteren Opfers einzeln aufgezählt haben, mit denen er gegen ihren Willen sexuell verkehren wollte.

"Die Zeugenaussagen sind manipuliert"

Obwohl die Zeugeneinvernahmen voneinander unabhängig stattfanden, hatte der Beschuldigte eine Erklärung dafür: "Die Zeugenaussagen sind manipuliert." Richter Patrick Aulebauer hatte nicht mehr die Geduld nachzufragen, wer die Zeugenaussagen manipuliert hätte.

In diesem Mord-Prozess spricht alles gegen den Tatverdächtigen – auch die Untersuchungen der Sachverständigen. Im Falle einer Verurteilung drohen Beqir T. zehn bis 20 Jahre oder lebenslange Haft.