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"Mortal Kombat 1" im Test – atemberaubender Neuanfang

Die vielleicht legendärste Kampfspiel-Reihe erfindet sich mit "Mortal Kombat 1" ganz neu. Vor allem die Story weiß endlich wieder voll zu begeistern.

Rene Findenig
"Mortal Kombat 1" im Test – beim Gameplay ermöglichen die Kameo-Kämpfer eine ganz neue Spielweise.
"Mortal Kombat 1" im Test – beim Gameplay ermöglichen die Kameo-Kämpfer eine ganz neue Spielweise.
Warner Bros. Games

Eine Legende erfindet sich neu und vergisst trotzdem auf ihre Wurzeln nicht. So zeigt sich der neue Prügler "Mortal Kombat 1" des Entwicklerhauses NetherRealm Studios und des Publishers Warner Bros. Games (für PlayStation 5, Xbox Series X|S, Nintendo Switch und PC). Die ausufernde Brutalität und die extremen Gewaltdarstellungen in den Kämpfen behält sich aber auch das neue "Mortal Kombat 1" bei. Und auch das Gameplay wurde eher verfeinert und ergänzt, als dass es sich komplett neu zeigt. Dafür aber haben die Entwickler ordentlich dort zugepackt, wo es dringend nötig war, nämlich der bei den jüngsten Teilen eher lahmen Handlung. Zwar führte "Mortal Kombat 11" neue Bösewichte ein, recht zünden wollte das aber nicht.

"Mortal Kombat 1" ist nun bei der Story Fortsetzung und Neustart der Prügler-Serie zugleich. Um es komplett Spoiler-frei zu halten: Nach dem Ende von "Mortal Kombat 11" führen die jüngsten Geschehnisse um den Protagonisten Liu Kang dazu, dass das "Mortal Kombat"-Universum "zurückgesetzt" und neu geschaffen wird. In dieser neuen Welt startet man im Story-Modus wieder mit einer Handvoll bekannter Helden wie Liu Kang, Kung Lao und Raiden, die aber nicht die bisher bekannten Kämpfer-Legenden sind, sondern sich in völlig neuen Rollen wie einfachen Feldarbeitern wiederfinden. Das alles spielt sich nicht nur ganz frisch, sondern hat auch etwas von einer "Mortal Kombat"-TV-Serie – und das Spiel ist auch so aufgebaut.

Die Kämpfer-Figuren zeigen ihre ganz neuen Seiten

Statt Bombast-Szene an Kracher-Geschehnis zu setzen, haben sich die Entwickler lobenswerterweise die Zeit genommen, ganz neue Seiten ihrer Bösewichte und Heldinnen zu zeigen, ihre Hintergrundgeschichten auf neue Beine zu stellen und ihre Motivationen nachvollziehbar zu machen. Und jedes Mal, wenn man sich auf bekannten "Mortal Kombat"-Wegen wähnt, kommt der neue Teil mit Überraschungen um die Ecke – mal sind einstige Todfeinde nun die engsten Freunde, mal spielen Nebencharaktere eine tragende Rolle und manchmal werden sogar die bösesten Bösewichte zu neuen Helden. "Mortal Kombat 1" stellt uns die bekannten Charaktere nicht nur neu vor, sondern begeistert bei aller Brutalität auch mit viel Humor.

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    Eine Legende erfindet sich neu und vergisst trotzdem auf ihre Wurzeln nicht. So zeigt sich der neue Prügler "Mortal Kombat 1" des Entwicklerhauses NetherRealm Studios ...
    Eine Legende erfindet sich neu und vergisst trotzdem auf ihre Wurzeln nicht. So zeigt sich der neue Prügler "Mortal Kombat 1" des Entwicklerhauses NetherRealm Studios ...
    Warner Bros. Games

    Es wäre aber kein "Mortal Kombat", wenn es nicht auch um das titelgebende Kampfsport-Turnier ginge, bei dem das Erdenreich unter ständiger Gefahr steht, von außerweltlichen Truppen überrannt und von gewalttätigen Tyrannen unterjocht zu werden. Und so startet natürlich auch in "Mortal Kombat 1" eine neue Prügelei um die Macht. Und während dieser machen die in den bisherigen Teilen so steifen Charaktere wunderbare Entwicklungen und Wandlungen durch, die kaum vorhersehbar sind und inhaltlich für jede Menge Abwechslung sorgen. Diese Abwechslung setzt sich auch beim Gameplay fort, das um schlaue Möglichkeiten ergänzt wurde, ohne es sonderlich kompliziert zu machen. Übung erfordert aber auch der neue Teil.

    Kameo-Kämpfer sind das neue Gameplay-Herzstück

    Wie die Story stellt auch das Gameplay unsere insgesamt 23 spielbaren Charaktere (einige davon werden erst im Verlauf der Story freigeschaltet) erst mit eingeschränkten Angriffen vor und lässt Spieler dann die Entwicklung am eigenen Leib erleben. Heißt: Je mehr Erfahrung man sammelt, umso mehr Angriffe und Kombos schalten sich frei und umso mehr Freiheiten bekommt man im Kampf. Das kennt man zum Teil bereits aus dem Vorgänger, das System wurde für "Mortal Kombat 1" aber noch verfeinert. Herzstück des Gameplay sind aber die neuen Kameo-Auftritte, die das Spiel etwas komplexer machen und als zusätzliche taktische Komponente eingesetzt werden können, aber für Profis vollkommen neue Möglichkeiten bieten. 

    Vereinfacht erklärt darf neben dem Hauptkämpfer ein zweiter Charakter in den laufenden Kampf eingreifen, allerdings nur kurzzeitig und für ein Manöver. So dürfen Spieler per Knopfdruck etwa einen von 15 Kameo-Kämpfern am Bildschirm auftauchen lassen und damit entweder Angriffs-Kombos noch weiter verlängern oder sich aus einem Dauerhagel an gegnerischen Attacken befreien. Einmal aktiviert, können die Kameo-Kämpfer bis zu vier verschiedene Angriffe ausführen, verschwinden nach der jeweiligen Attacke aber wieder vom Bildschirm. Die Abwechslung ist dennoch gigantisch – denn diese Ergänzung im Kampf führt dazu, dass man bisherige Schwächen von Figuren nun fast vollkommen ausgleichen kann. 

    Riesige Experimentierfreude durch die Kameo-Kämpfer

    Ein Beispiel: Steuert man General Shao als durchschlagenden Boden-Kämpfer in den Matches und holt sich etwa Sonya Blade als Kameo-Kämpferin, kann diese die Angriffsschwäche des gefürchteten Generals in der Luft ausgleichen und Feinde mit einem gezielten Tritt auf den Boden der Arena zurückholen. Innerhalb der Story bekommt man Kameo-Kämpfer oftmals automatisch ausgewählt an die Seite gestellt, in vielen anderen Modi darf man aber die Besetzungen vollkommen frei selbst wählen. Die Experimentierfreude ist dabei riesig, denn nicht nur kämpferisch ergänzen sich manche Paarungen weit besser als andere, auch erwarten Spieler Überraschungen, wenn die beiden Kämpfer bei Kombos plötzlich miteinander interagieren.

    Wie auch die Videosequenzen sehen die Kameo-Auftritte und das gesamte Gameplay optisch fantastisch aus. Animationen sind superflüssig, die Kämpfer wurden etwas beschleunigt, die Arenen und Figuren sind fantastisch scharf, mit tollen Details und auch guten Gesichtsanimationen und körperlichen Erschöpfungserscheinungen. Weiterhin sehr unterhaltsam sind auch die Sprüche der Charaktere zu Kampfstart und am Ende der Runden, die noch besser auf die jeweils aufeinander treffenden Figuren abgestimmt wurden. Spielerisch mag jeder Kampfspiel-Fan seine Vorliebe zur Komplexität haben und "Street Fighter" oder "Tekken" bevorzugen, in Sachen Kampagne und Unterhaltung setzt "Mortal Kombat 1" aber völlig neue Maßstäbe. 

    Altbekanntes kehrt jetzt in ganz neuem Gewand zurück

    Begleitet wird das Game wieder von einem unfassbar guten Tutorial, das selbst kompletten Neulingen schnelle Erfolge und ein stetes Lernen der immer knackigeren Kombo-Attacken ermöglicht. In den letzten Stufen dieses Tutorials sind die Aufgaben dann so komplex, dass man damit beinahe bereits zum E-Sports-Profi wird. "Mortal Kombat 1" bietet dabei zwar nicht die größte Auswahl an Kampf-Möglichkeiten, versteht es aber wie kaum ein anderes Game, die vorhandenen bis zur Perfektion auszureizen. Ein Comeback feiert übrigens "Air Combo"-System aus "Mortal Kombat: Armageddon" (ebenso wie einige seit diesem Titel nicht mehr gesehene Charaktere), das Kombos in der Luft ermöglicht und etwas verfeinert wurde.

    Eine Überarbeitung erhielt das "Fatal Blow"-System des Vorgängers. Diese einmalig auslösbaren und durchschlagenden Attacken können wieder bei einem unter 30 Prozent gefallenen Gesundheitsbalken aktiviert werden, um den Gegner kalt zu erwischen und den Kampf noch zu drehen, sie werden nun aber gemeinsam vom Haupt- und Kameo-Kämpfer absolviert. Und: Zurück kehren die "Röntgen-Aufnahmen" mit splitternden Knochen und brechenden Schädeln, die man zuletzt in "Mortal Kombat X" gesehen hatte. Apropos Brutalität: Natürlich sind die ultragewalttätigen Fatalities und Brutalities wieder an Bord, bei denen alles über den Bildschirm spritzt und die Unterlegenen in den absurdesten Wegen in den Tod geschickt werden.

    "Invasionen" als neuer und kurzweiliger Spiel-Modus

    Neben dem Story-Modus sind auch "Invasionen" und "Türme" die beiden weiteren Modi der Einzelspieler-Kampagne. Obwohl ein Solo-Modus, erfordert "Invasionen" eine Internet-Verbindung – laut den Entwicklern, um den Fortschritt erfassen zu können. Doch worum handelt es sich überhaupt? Der neue Modus ist so etwas wie ein saisonaler Spielplatz, auf dem einzigartige Belohnungen der jeweiligen Saison ergattert werden können. Auf einer Spielkarte lässt man seinen Kämpfer zwischen Punkten umherwandern, wobei man mit Siegen in den Duellen neue Wegpunkte freischaltet. Einige Punkte beinhalten dabei Kämpfe, andere wiederum Belohnungen oder Minispiele, bei denen es meist um schnelle Reaktionen geht.

    Anders als der Story-Modus gibt es in den "Invasionen" keinen einstellbaren Schwierigkeitsgrad, was sie sehr herausfordernd macht. Zusätzlich kommen noch Spezialregeln ins Spiel, bei denen man gegen mehrere Kämpfer hintereinander siegreich sein muss oder durch die bestimmte Attacken mehr Schaden anrichten. Der Modus kann schnell zum "Grind" und auch Glücksspiel werden, denn mit erworbenen Erfahrungspunkten steigert man fünf verschiedene Attribute wie Schaden und Gesundheit des eigenen Kämpfers oder kauft sich in Shops Hilfsitems, Schlüssel für Beutetruhen oder Extra-Leben. Abseits des dennoch kurzweiligen Modus darf man Ingame-Währung auch in Schreine für besondere Kostüme und Co. stecken.

    "Mortal Kombat 1" im Test – atemberaubender Neuanfang

    Fast unverändert zum Vorgänger zeigt sich wiederum der "Türme"-Modus, der aber nun als Sahnehäubchen einen eigenen Epilog für jeden einzelnen Charakter bietet und deshalb am besten erst angegriffen wird, wenn man sich durch die Story geprügelt hat. Daneben darf man sich noch auf der Couch oder online gegen menschliche Kontrahenten messen, wobei es online die Wahl zwischen gewerteten Matches mit ebenbürtigen Gegnern, ungewerteten Kämpfen mit in etwa gleich starken Spielern oder private Begegnungen mit Freunden möglich sind. Auch eigene King-of-the-Hill-Partien oder Turniere in den verschiedensten Formaten gibt es. Über die Zeit werden da natürlich noch weitere Kämpfer und neue Inhalte dazukommen.

    "Mortal Kombat 1" erfindet sich ganz neu und bleibt trotzdem gut wie immer. Den Machern ist mit dem neuesten Teil ein Meisterstück gelungen, das spielerisch auf den Punkt getroffen wurde und inhaltlich komplett überrascht. Während das Gameplay nicht grundlegend verändert, sondern stellenweise behutsam verfeinert wurde, sind die neuen Kameo-Kämpfer ein echtes Highlight. Bei der Handlung wiederum werfen die Macher alles bisher Bekannte komplett über den Haufen und zeigen uns ein neues Prügel-Universum, das mit legendären Kämpfern in völlig neuen Rollen und nun sogar mit viel Humor, Emotionen und einer glaubhaften Entwicklung punktet. "Mortal Kombat 1" ist ein atemberaubender Neuanfang für die Serie.