Welt

Darf ich noch eine Pizza Hawaii bestellen?

Linke Politaktivisten wollen, dass man künftig eine Pizza mit Ananas bestellt. Pizza Hawaii sei problematisch. 

20 Minuten
Teilen
Über die Pizza Hawaii wird kontrovers diskutiert.
Über die Pizza Hawaii wird kontrovers diskutiert.
picturedesk.com

"Bestellt Pizza mit Ananas statt Pizza Hawaii. Gilt auch für den Toast!" Diesen Beitrag postete die Gruppe Linke PoC/Migrantifa vor wenigen Tagen auf Facebook. Im Beitrag erklärt sie, dass der Ausdruck Pizza Hawaii problematisch sei. Nicht, weil sie gegen italienische Sitten – und für manchen Leser auch gegen den guten Geschmack – verstößt, sondern weil damit eine Geschichte des Kolonialismus und der Aneignung verbunden sei.

"Hawaii war ursprünglich von Polynesiern besiedelt und wurde 1898 von den USA kriegerisch annektiert. Schon davor wurden Polynesier durch Besiedlung zur Minderheit im eigenen Land gemacht", schreiben die Aktivisten. Die Ananas sei für den Kolonialisierungsprozess wesentlich gewesen: "Sie wurde im 19. Jahrhundert von Siedlern eingeführt und bildete das hauptsächliche Exportprodukt der Plantagenwirtschaft. Die lokale Bevölkerung und das Land wurden von weißen Siedlerinnen zum Ananasanbau ausgebeutet", heißt es weiter.

"Frauen werden fetischisiert"

Ein Problem seien auch die Stereotype zu Hawaii, welche durch einen "weißen Blick" entstanden seien: «"in den 50er-Jahren wurde der Tourismus auf Hawaii wichtiger. Der weiße, oft männliche Tourist, der mit Hawaii Urlaubs- und Tropenstimmung in Verbindung brachte, fetischisierte insbesondere hawaiische Frauen", kritisiert die Facebook-Gruppe.

Das widerspiegle sich auch in der Pizza Hawaii: «Die hawaiische Kultur wurde zwar als positiv, aber trotzdem als fremd, anders und exotisch dargestellt. So wurde Hawaii als Ziel dargestellt, wo sich Weiße erholen können.» Der Name Pizza Hawaii sollte der Pizza laut dem Post zu Marketing-Zwecken einen exotischen Touch geben, habe aber nicht mit hawaiischer Küche oder Kultur zu tun.

"Überhebliche und ignorante Grundhaltung"

Noëlle Delaquis ist Inhaberin von Aloha Spirit, einem Zentrum für hawaiische Körperarbeit und Kultur in Meilen und Zürich. Seit 1995 reist sie regelmäßig nach Hawaii und beschäftigt sich eingehend mit der Kultur und der Bevölkerung. "In der hawaiischen Küche gibt es Pizza und Toast Hawaii nicht. Der Name ist Ausdruck einer zutiefst überheblichen und ignoranten Grundhaltung von uns weißen Menschen", ist Delaquis überzeugt.

Die Sprache anzupassen, sei wichtig, ob beim "Mohrenkopf" oder bei der Pizza Hawaii. "Damit ist das Problem aber längst nicht gelöst", sagt Delaquis. Die hawaiische Bevölkerung werde seit 250 Jahren unterdrückt und enteignet. "Noch heute kämpfen die Hawaiier für ihre Landrechte. Das ist das eigentliche Problem. Dazu kommen die Klischees von Frauen in Kokos-BHs, die leicht zu haben sind, oder das Vorurteil, der Hula-Tanz sei lediglich eine sexuelle Anmache." Diese Stigmatisierung der Kultur und der Lebensweise der Hawaiier sei tief in weissen Menschen verankert. Dagegen kämpft seit einiger Zeit auch die hawaiische Tourismusbehörde.

Für den Schweizer Historiker Hans Fässler stehen solche Diskussionen nicht zuoberst auf der Prioritätenliste. Sie sollen aber trotzdem einen Platz in der Gesellschaft haben: "Ob Pizza Hawaii problematisch ist, habe ich mir bislang noch nie überlegt. Die Kolonialgeschichte und die Unterdrückung von Hawaii waren mir aber bekannt. Ich würde sagen: Wenn die Diskussion dazu führt, dass die Leute sich mehr Gedanken über Unterdrückung und Kolonialisierung machen, ist das begrüßenswert. Ob dem so ist, wird sich zeigen müssen."

    Nach dem Tod von George Floyd protestieren Tausende auch vor dem Weißen Haus. Donald Trump soll dabei in einen Bunker geflüchtet sein - er bestreitet das.
    Nach dem Tod von George Floyd protestieren Tausende auch vor dem Weißen Haus. Donald Trump soll dabei in einen Bunker geflüchtet sein - er bestreitet das.
    Reuters
    Mehr zum Thema
    ;