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"Musste zusehen, wie ein Hund lebend gegrillt wurde"

Ein Ex-Facebook-Mod erzählt, was er sich bei seiner Arbeit beim sozialen Netzwerk ansehen musste: Die abscheulichen Szenen beschäftigen ihn bis heute.

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    "Du erhältst dauernd Beiträge, die du bewerten musst", erzählt ein ehemaliger Facebook-Moderator.
    "Du erhältst dauernd Beiträge, die du bewerten musst", erzählt ein ehemaliger Facebook-Moderator.
    Screenshot Youtube / Vice

    Er sitzt da mit einer Maske, kurzen Hosen und Shirt – und erzählt. Der Mann ist ein ehemaliger Moderator des sozialen Netzwerks Facebook und von Vice.com interviewt worden. In dem rund sieben Minuten langen Video schildert der anonyme Mitarbeiter, wie er die Arbeit bei Facebook erlebt hat: "Ich kam am Morgen ins Büro, drückte einen Knopf und dann kam der Inhalt auf meinen Bildschirm", sagt er.

    Als Moderator war der Mann beim sozialen Netzwerk dafür verantwortlich, dass Inhalte den Richtlinien entsprechen. "Mein Job war es, acht Stunden pro Tag die schlimmsten Sachen zu sichten, was Leute auf dem Netzwerk teilen", erklärt er.

    Was er dabei an verbotenen Sachen gesehen hat, lässt einen erschaudern: "Ich habe Leichen gesehen, Morde, Personen, die feierten, nachdem sie Leute umgebracht hatten und ein Hund, der lebendig verbrannt wurde", so der Mann. Es sind Bilder, die einem bleiben. Er habe lange gebraucht, bis er realisiert habe, wie sehr ihn das, was er gesehen hat, belastet hat.

    "Ich stand im Bett und realisierte, dass ich vielleicht eine falsche Entscheidung getroffen hatte"

    "Ich arbeitete oft die Abendschicht von 18 Uhr bis 2 Uhr nachts", erklärt der Mann mit Maske. Vielfach sei er später in der Nacht aufgewacht, weil ihn die Bilder so beschäftigten. "Ich stand im Bett und realisierte, dass ich vielleicht eine falsche Entscheidung getroffen hatte, weil ich etwas nicht gesehen hatte", erzählt er. Es gebe beim Ganzen einfach ein großes Problem: "Es ist uns nicht erlaubt, mit anderen Leuten über die Arbeit zu sprechen. Das ist vertraglich so geregelt."

    Er habe durch seine Arbeit bei Facebook eine posttraumatische Belastungsstörung erlitten, wie er sagt. Zwar hätte es vor Ort ein sogenanntes Wellness-Team gegeben, das seien jedoch keine ausgebildeten Psychologinnen und Psychologen oder Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten gewesen. Als er den Moderations-Job gekündigt hatte, sei er sehr erleichtert gewesen, erzählt er.

    Es ist nicht das erste Mal, dass Inhaltsmoderatorinnen und –moderatoren von Facebook auspacken. Bereits Mitte 2019 schilderten drei Personen ihre Erfahrungen bei Facebook gegenüber Medien. Die Mitarbeitenden waren im US-Bundestaat Florida für die Firma Cognizant tätig, die in Facebooks Auftrag arbeitet. "Es gab schreckliche Tiervideos. Ich habe Welpen gesehen, die mit einem Seil erhängt wurden. Schweine, die man angezündet hat", sagte damals eine ehemalige Moderatorin.

    "Einige Mitarbeiter schmierten Fäkalien an die Wände und urinierten auf den Boden"

    Ein anderer Mitarbeiter beschreibt seinen ehemaligen Arbeitsplatz als toxische Umgebung. "Leute tranken Alkohol und rauchten Joints auf dem Parkplatz. Es gab außerdem Probleme mit dem Badezimmer", erklärt er. "Einige Mitarbeiter schmierten Fäkalien an die Wände und urinierten auf den Boden", so seine Schilderung. In dem Gebäude habe es nur ein einziges WC für 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gegeben, sagt er.

    Facebook hat 2020 in den USA eine Sammelklage von Inhaltsmoderatorinnen und –moderatoren beigelegt. Die Firma erklärte sich bereit, insgesamt 52 Millionen Dollar an ehemalige und aktuelle Mitarbeitende in dem Bereich auszuzahlen, bestreitet aber ein rechtswidriges Verhalten. Facebook versprach damals außerdem, dass künftig mehr Technologie eingesetzt werde, um den Kontakt der Mitarbeitenden mit regelwidrigen Inhalten zu begrenzen. Zudem sollen für die Mitarbeitenden psychologische Fachkräfte zur Verfügung stehen, die sich mit posttraumatischer Belastungsstörung auskennen.