Wien

Nach der Flucht träumt Musiker Jan (17) vom Neuanfang

Jan ist einer von 266 ukrainischen Jugendlichen in den Wiener Übergangslehrgängen. Der Musiker weiß was er will – Tipps gab es bei einer Berufsmesse.

Yvonne Mresch
In Wien hat der 17-jährige Jan ein zweites Zuhause gefunden. Sein Vater musste zurückbleiben – Angst ist der ständige Begleiter der Familie.
In Wien hat der 17-jährige Jan ein zweites Zuhause gefunden. Sein Vater musste zurückbleiben – Angst ist der ständige Begleiter der Familie.
Denise Auer

Krieg, Flucht, Angst: All das ist Jan nicht fremd. Kurz nach Beginn des russischen Angriffskrieges machte sich der Schüler mit seiner Schwester und seiner Mutter auf. Der einzige Wunsch: Raus aus der Ukraine. Der Vater blieb zurück, er durfte das Land nicht verlassen.

Flucht nach Wien: "Es war so schmerzhaft"

"Die Reise war sehr schwer", erzählt der 17-Jährige. Alle Brücken waren blockiert, wir waren lange im Zug unterwegs." Die erste Zeit in Wien waren geprägt von Flashbacks: "Ich dachte immer wieder an mein Leben zuvor und was sich plötzlich alles geändert hat. Es war so schmerzhaft." Bis heute könne er nicht wirklich begreifen, was passiert ist – und warum das alles sein musste.

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    "Nehmt so viel an Bildung mit, wie nur geht", sagt Bildungskoordinator Daniel Landau.
    "Nehmt so viel an Bildung mit, wie nur geht", sagt Bildungskoordinator Daniel Landau.
    Denise Auer

    Trotz all dem Leid sieht Jan auch Positives: "Ich wurde hier sehr gut aufgenommen, wir haben viel Hilfe erfahren. Sowohl von Organisationen als auch von Privatpersonen." Aktuell lebt die Familie in einem Hotel, eine langfristige Unterkunft zu finden gestaltet sich als schwierig. 

    Stadt bietet Übergangslehrgänge an

    Indes kümmert sich der Teenager um seine berufliche Zukunft. Er ist einer von 266 Jugendlichen in den sogenannten Wiener Übergangslehrgängen. Die Kurse, die seit Herbst 2022 von der Bildungsdirektion angeboten werden, sollen geflüchtete Jugendliche auf den Einstieg ins österreichische Bildungssystem vorbereiten. Gelehrt werden neben Deutsch auch Mathematik und Berufsorientierung, Voraussetzung ist ein Pflichtschulabschluss sowie ein Mindestalter von 16 Jahren.

    Am Montag organisierten Industriellenvereinigung und Bildungsdirektion zudem eine Informationsinitiative zu Ausbildungen und Perspektiven. In Form einer kleinen Berufsmesse in der Daumegasse (Favoriten) stellten sich Siemens, A1, ÖBB und die Wiener Stadtwerke vor, die Jugendlichen konnten mit den Verantwortlichen ins Gespräch kommen. So auch Jan: "Ich bin eigentlich Musiker, interessiere mich aber auch für die Tontechnik dahinter. Ich möchte schauen, was es für Möglichkeiten gibt", erklärt er.

    Landau: "Nehmt so viel an Bildung mit wie möglich"

    Ein hoher Anteil der Jugendlichen wolle eine Lehre absolvieren, sagt Bildungskoordinator Daniel Landau. "Bei der Berufsmesse erfährt man, welche Ausbildung in Frage kommt." Viele wollen aber auch wieder zurück in die Heimat, sobald es möglich ist. Das steht für Landau jedoch in keinem Widerspruch: "Ich sage immer, sie sollen versuchen so viel an Bildung mitzunehmen wie nur geht. Gerade der Spracherwerb bleibt als Mehrwert erhalten. Was man lernt, sind Fähigkeiten, die bleiben. Versucht die Zeit hier gut zu nutzen."

    Himmer: "Jugendliche brauchen eine Perspektive"

    "Es war und ist uns wichtig, Kindern und Jugendlichen, die aus ihrer Heimat fliehen müssen, so rasch wie möglich Sicherheit, Tagesstruktur und ein Stück Normalität zu geben. Gerade Jugendliche brauchen Perspektive, eine Idee, wie ihre Zukunft aussehen kann", erklärt Bildungsdirektor Heinrich Himmer. "Daher sind uns die Übergangslehrgänge ein besonders großes Anliegen und ich freue mich, dass die jungen Menschen an einem Nachmittag sehr viel von Wiener Unternehmen erfahren und ein Gefühl dafür bekommen können, welcher Beruf sie interessiert."

    Die Berufsmesse fand in Wien zum ersten Mal statt, eine Fortsetzung ist laut Daniel Landau nicht ausgeschlossen. Dann wird auch Jan sicher wieder dabei sein: "Ich träume von einer Zukunft als Musiker, aber wer weiß, es schadet nie, sich in alle Richtungen zu erkundigen", lacht er.