Österreich

Innenministerium erklärt, warum Asylwerber frei war

Heute Redaktion
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Nach der Tat in Dornbirn spricht die Polizei von "kaltblütigem Mord". Landeshauptmann Wallner (ÖVP) sieht Innenminister Kickl (FPÖ) gefordert.

Nach der Bluttat in Dornbirn informierten ÖVP-Landeshauptmann Markus Wallner, ÖVP-Landesrat Christian Gantner, Bezirkshauptmann Helgar Wurzer und Chefinspektor Norbert Schwendinger über die Details. Wallner äußerte dabei sein "völliges Unverständnis darüber, dass das Asylverfahren des Täters trotz bestehendem Aufenthaltsverbot eingeleitet worden ist". Der mutmaßliche Täter, gegen den seit 2009 wegen etlicher Delikte ein Aufenthaltsverbot im Schengenraum besteht, hat am 7. Jänner in Thalham einen Asylantrag gestellt.

"In Kenntnis des Aufenthaltsverbots hat das Land am 18. Jänner die Übernahme in die Grundversorgung abgelehnt", so Wallner. Der Täter sei daraufhin privat in Vorarlberg eingereist und bei Verwandten untergekommen. Am 23. Jänner habe er bei der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn um Mindestsicherung angesucht und danach mehrmals die Bezirkshauptmannschaft besucht.

"Wir müssen von kaltblütigem Mord ausgehen."

"Der Täter hat am 6. Februar nach einer verbalen Auseinandersetzung mit dem Leiter der Sozialabteilung die Bezirkshauptmannschaft verlassen und ist nach circa einer halben Stunde mit einem Küchenmesser bewaffnet zurückgekehrt und in das Büro des Opfers gegangen. Kurz darauf hat er mehrfach auf das Opfer eingestochen", so . Bei seiner Festnahme zeigte der Täter keinerlei Reue, so Schwendinger. "Wir müssen von kaltblütigem Mord ausgehen."

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Wallner kritisiert, dass der Mann trotz bestehendem schengeweiten Aufenthaltsverbots einen Asylantrag stellen konnte und dass er sich danach auf freiem Fuß befand ("völlig unverständlich"). Er habe Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) in einem Telefonat gebeten, sich die rechtliche Seite des Falles genau zu prüfen. Es soll aufgearbeitet werden, warum der Täter zwischen Asylantrag am 7. Jänner 2019 und der Tat am 6. Februar 2019 trotz Aufenthaltverbots unbehelligt agieren konnte.

"Aggressive Bürgerinnen und Bürger würden Mitarbeitende unter Druck bringen."

Als erste Sofortmaßnahme wurden indes die Sicherheitsmaßnahmen beim Landhaus und den vier Bezirkshauptmannschaften in Vorarlberg verschärft, ein externer Sicherheitsdienst kontrolliert die Zugänge. Bedienstete sollen Alarmknöpfe bekommen, alle Zugänge sollen videoüberwacht werden.

Man nehme laut Wallner auch eine zunehmende Besorgnis bei den Behördenmitarbeitern wahr. "Aggressive Bürgerinnen und Bürger würden Mitarbeitende unter Druck bringen", so der Landeshauptmann zu seiner Wahrnehmung. Hier wolle man zum Schutz weitere Maßnahmen ergreifen, "zum einen bauliche, zum anderen Schulungen".

"Ich werde alle rechtsstaatlich zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausschöpfen, um diese Schieflage im Asylwesen wieder gerade zu richten, auch wenn ich mich dafür mit EU-Regelungen anlegen muss."

Auf Wallners Unverständnis antwortet nun Innenminister Kickl: "Dieser tragische Fall hat klar gezeigt, dass unser derzeitiges Asylsystem Täter schützt und nicht die Bürger vor diesen Gewalttätern", so Kickl, und: "Ich werde alle rechtsstaatlich zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausschöpfen, um diese Schieflage im Asylwesen wieder gerade zu richten, auch wenn ich mich dafür mit EU-Regelungen anlegen muss." Auf seinem Facebook-Profil verlinkt Kickl auf eine Stellungnahme des Innenministeriums (BMI) zum Dornbirner Fall.

"Das 'Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl' bedauert den tragischen Vorfall in der BH Dornbirn, ist aber rechtlich an folgende Grundlagen gebunden: Genfer Flüchtlingskonvention, EU-Recht, Menschenrechtskonvention", heißt es darin. Mit dem Asylantrag, den der mutmaßliche Täter am 7. Jänner gestellt hat, habe er laut BMI "ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht und einen faktischen Abschiebeschutz".

"Nicht jedes ausgesprochene Aufenthaltsverbot ist ein bestehendes Aufenthaltsverbot."



"Im gegenständlichen Fall" hätte es laut BMI "bei einer genaueren Prüfung voraussichtlich auch kein aufrechtes Aufenthaltsverbot mehr gegeben", da "laut EUGH-Judikatur mit der Rückführungs-Richtlinie Aufenthaltsverbote zeitlich befristet werden". Eine Schubhaft wäre nach BMI-Ansicht deswegen rechtswidrig gewesen, "auch wenn kein Asylantrag gestellt worden wäre", denn "nicht jedes ausgesprochene Aufenthaltsverbot ist ein bestehendes Aufenthaltsverbot".

Brisant sind auch folgende Zeilen: Im Fall des mutmaßlichen Mörders von Dornbirn hätte es im Asylverfahren aller Wahrscheinlichkeit nach einen negativen Bescheid gegeben. Jedoch wäre der Türke (34), der in Dornbirn zum Messer griff, nicht abgeschoben worden. "Das bedeutet, dass selbst nach Ausstellung eines negativen Asylbescheids im vorliegenden Fall letztendlich aufgrund der möglichen Unzulässigkeit einer Abschiebung eine Duldung ausgesprochen hätte werden müssen", so das BMI. (rfi)