Wien

Nach Tschick fragen kostet Wiener 500 € Strafe

Was für eine Operette! Unweit des Volkstheaters an der Wiener Zweierlinie wurde ein Mann angezeigt, da er - laut eigenen Angaben - einen Passanten um eine Zigarette bat. Die Polizei sieht die Sache anders. Konsequenz: Der Magistrat entschied im abgekürzten Verfahren: 500 Euro Strafe.

Clemens Oistric
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    Ein Obdachloser soll bei der Frage nach einer Zigarette den Mindestabstand nicht eingehalten haben: 500 Euro Strafe!
    Ein Obdachloser soll bei der Frage nach einer Zigarette den Mindestabstand nicht eingehalten haben: 500 Euro Strafe!

    Der letzte Vorhang ist noch nicht gefallen in dieser mehr als skurrilen Darbietung. Unweit des Wiener Volkstheaters, bei der Busbahnstation Volkstheater in Neubau, soll ein Wiener am Nachmittag des 19. April einen öffentlichen Ort betreten und gegenüber Menschen, mit denen er nicht in einem gemeinsamen Haushalt lebt, den Mindestabstand von einem Meter nicht eingehalten haben, steht in der Strafverfügung, die Caritas-Geschäftsführer Klaus Schwertner am Freitag auf seinem Twitter-Profil teilte. Er versah dieses Posting mit dem Hashtag "Kleinwalsertal" - wohl in Anspielung auf den Besuch des Kanzlers in Vorarlberg, bei dem bekanntlich die vorgeschriebene Distanz zwischen Kurz-Fans nicht eingehalten wurde. Einen Polizeieinsatz gab es im Lände nicht.

    Caritas-Grande und Neos-Chefin verärgert

    Schwertner schreibt im Internet: "Schon wieder ist etwas passiert: Obdachloser erhält 500 Euro Strafe wegen Verstoßes gegen Covid-19-Maßnahmengesetz. Tatbestand: Er hat einen Passanten um eine Zigarette gefragt. Sind vor dem Gesetz alle gleich?" Auch Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger sprang umgehend auf den Protest-Zug auf: "So können wir als Gesellschaft nicht mit Menschen umgehen. Gerade auch jetzt. Politik mit Anstand und Augenmaß ist gefragt", tippte sie im Internet.

    "Ich bin obdachlos"

    In seinem Einspruch gegen die 500-Euro-Strafe schreibt der Betroffene: "Ich bin obdachlos und halte mich üblicherweise in dieser Gegend auf. Als eine Person an die Haltestelle gekommen ist, habe ich sie kurzum nach einer Zigarette gefragt. Danach haben wir zwei Sätze über die Corona-Krise getratscht. Das Ganze hat weniger als fünf Minuten gedauert, als die Polizei kam. Nachdem die Polizisten uns verwarnt haben, sind wir sofort auseinandergegangen."

    "Ist mir wurscht, wir saufen weiter"

    "Heute"-Recherchen stützen diese Darstellung nicht. Aus Polizeikreisen war zu erfahrendass sich die Herrschaften bei dem Einsatz am 19. April in keinster Weise einsichtig und kooperativ verhalten haben. Im Protokoll zu dem Einsatz wurde daher vermerkt, dass auf der Bank, auf der die beiden saßen, nicht einmal ein 20-Zentimeter-Abstand eingehalten, dafür aber Alkohol konsumiert wurde. Als die Polizisten auf die geltenden Maßnahmen hinwiesen, sagte einer der Männer: "Ist mir wurscht, wir saufen weiter."

    Der Wiener bittet dennoch um Milde: "Da ich obdachlos und aktuell ohne Einkommen bin, ist es mir nicht möglich, die Strafe in dieser Höhe zu bezahlen. Außerdem finde ich sie verhältnismäßig viel zu hoch und ersuche um Einstellung der mir angeordneten Strafverfügung beziehungsweise um eine Herabsetzung der Höhe der Strafe."

    Strafe auf Zehntel reduziert

    "Heute" ersuchte die Magistratsdirektion um Stellungnahme. Eine Sprecherin: "Wir bestätigen, dass der Betroffene gerade Einspruch erhoben hat. Selbstverständlich werden die Ausführungen zu den ungünstigen Einkommensverhältnissen berücksichtigt. Auch wenn Anzeige und Einspruch unterschiedliche Darstellungen enthalten, ergibt sich aus beiden letztlich ein Verstoß gegen das Covid-19-Maßnahmengesetz." Wie "Heute" auf Nachfrage erfuhr, soll die Strafe auf 50 Euro - also ein Zehntel des Betrags, der beim sogenannten 'abgekürzten Verfahren' festgeschrieben wurde - reduziert werden.