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Griechischer Minister tritt nach Zugunglück zurück

Mindestens 36 Tote und Dutzende teils schwer Verletzte: Dies ist die vorläufige Bilanz des schweren Zusammenstoßes zweier Züge in Griechenland.

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Beim Zusammenstoß eines Personenzugs mit einer Güterzugkomposition sind in Griechenland Dutzende Menschen getötet oder schwer verletzt worden.
Beim Zusammenstoß eines Personenzugs mit einer Güterzugkomposition sind in Griechenland Dutzende Menschen getötet oder schwer verletzt worden.
REUTERS

Nur langsam können sich die Rettungskräfte vorarbeiten: Trümmerteil für Trümmerteil wird von großen Kränen vorsichtig aus den Überresten der Waggons gehoben. Immer wieder rücken Sanitäter mit Bahren an, doch Hoffnung gibt es nach dem schweren Zugunglück, das sich in der Nacht zum Mittwoch bei Larisa in Mittelgriechenland ereignete, kaum noch. Aus den zerquetschten, zum Teil verbrannten und verkohlten Resten der Züge werden nur noch Leichen geborgen. Sichtlich getroffen versprach Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis am Mittag an der Unfallstelle die vollständige Aufklärung der Ursache des Unglücks.

Offiziell lag die Zahl der Toten nach dem Frontalcrash zweier Züge am Mittwochmittag bei 36. Doch sie dürfte steigen. Weil die ersten Waggons der Züge ausbrannten, sei die Identifikation vieler Opfer nur noch durch eine DNA-Analyse möglich, berichtete der Staatssender ERT. "Die Temperaturen erreichten 1300 Grad Celsius, was es schwierig macht, die Leute zu identifizieren, die drin waren", sagte Feuerwehrsprecher Vassilis Varthakoyiannis.

Mehr als 70 Personen schwer verletzt

72 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt und in umliegende Krankenhäuser gebracht. Insgesamt sollen 354 Menschen von dem Unfall betroffen gewesen sein, darunter zehn Bahnmitarbeiter und die beiden Lokführer, die sofort getötet wurden. Die beiden Züge – einer war mit 350 Passagieren besetzt, darunter viele Studenten, die nach den Karnevalsfeiern wieder nach Hause wollten – waren laut griechischen Medien mit über 140 km/h unterwegs.

"Überall hingen Kabel herunter, überall war Feuer"

"Ich dachte, ich würde sterben", sagte ein Passagier der Tageszeitung "Kathimerini". Der junge Mann saß nach eigenen Angaben in einem der hinteren Waggons. Er habe am Boden Schutz gesucht, Menschen hätten geschrien und geweint. Andere Passagiere berichteten, sie hätten die Fenster eingedrückt und sich im Dunkeln aus dem halb umgekippten Waggon retten können. "Wir hörten einen großen Knall, es waren zehn albtraumhafte Sekunden: Wir fielen hin und dann brach Panik aus. Überall hingen Kabel, überall war Feuer. Als wir uns umdrehten, brannte es", wird Passagier Stergios Minensis vom "Spiegel" zitiert. "Wir sprangen aus zwei Metern Höhe, darunter lagen zerbrochene Eisentrümmer – aber was konnten wir tun?"

Traf der Bahnhofsvorsteher die falsche Entscheidung?

Erste Berichte über die mögliche Ursache deuten darauf hin, dass technische Probleme und in der Folge menschliches Versagen eine Rolle gespielt haben könnten. So soll das elektronische Leitsystem auf der Strecke schon länger nicht richtig funktioniert haben, weshalb die jeweiligen Bahnhofsvorsteher für die korrekte Weiterleitung der Züge verantwortlich waren. Mehrere möglicherweise Verantwortliche befinden sich bereits in Polizeigewahrsam und werden befragt, darunter der 59-jährige Bahnhofsvorsteher von Larisa. Der Personenzug könnte dieser Theorie zufolge schon vom Bahnhof der Stadt Larisa aus auf die falsche Spur geschickt worden sein, auf der ihm dann später der Güterzug entgegenkam.

Trotz der Modernisierung mit neuen Brücken und Tunneln und zwei Gleisen entlang der rund 500 Kilometer langen Strecke Athen – Thessaloniki gab es schon länger erhebliche Probleme bei der elektrischen Koordination der Verkehrskontrolle, hieß es im Staatsfernsehen. "Wir fahren wie in alten Zeiten von einem Streckenteil zum anderen per Funk. Die Stationsleiter geben uns grünes Licht", sagte Kostas Genidounias, Präsident der Gewerkschaft der Lokführer, im staatlichen Rundfunk. Warum das moderne Leitsystem nicht funktionierte, konnte er nicht sagen. Die Gewerkschaft habe den Zustand schon wiederholt beanstandet.

Der griechische Verkehrsminister Kostas Karamanlis kündigte als Konsequenz aus dem Unglück seinen Rücktritt an. Er fühle sich verpflichtet, die Verantwortung für die Fehler des Staates zu übernehmen, sagte er zur Begründung. Die Strecke zwischen Athen und Thessaloniki war in den letzten Jahren modernisiert worden. Dennoch gab es immer wieder Meldungen über technische Probleme.

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    Knapp 400 Kilometer nördlich der griechischen Hauptstadt Athen kam es in der Nacht zu einem schweren Zugunglück. Ein Güterzug kollidierte mit einem Personenzug und Waggons fingen Feuer.
    Knapp 400 Kilometer nördlich der griechischen Hauptstadt Athen kam es in der Nacht zu einem schweren Zugunglück. Ein Güterzug kollidierte mit einem Personenzug und Waggons fingen Feuer.
    Vaggelis Kousioras / AP / picturedesk.com
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