Österreich

Nachbarschaftsprojekt "StoP" kommt nach Wien

Heute Redaktion
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Margareten wird "Stadtteil ohne Partnergewalt": Männer- und Frauenstammtische stehen am Programm. Der "Nachbar" wird als Gewaltpräventions-Mittel mobilisiert.

Im fünften Bezirk startet das Nachbarschaftsprojekt Stop, bekannt bereits aus der deutschen Stadt Hamburg. Margareten will der erste „Stadteil in Wien ohne Partnergewalt" werden. Das Gemeinschaftsprojekt von Bezirk, dem Verein der autonomen österreichischen Frauenhäuser und dem Verein Zara und anderen organisiert Frauen- und Männerstammtische und mobilisiert den „Nachbarn" als Gewaltvorsorge.

An diesem Montag wurde der Auftakt bei einer Pressekonferenz präsentiert. Das Nachbarschaftsprojekt setzt auf die, die den Opfern und Tätern am nächsten sind: Ihren Nachbarn. Der Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF) hat seit 30 Jahren den Sitz in Margareten und ist die Dachorganisation der autonomen österreichischen Frauenhäuser. Sie bringen StoP gemeinsam mit der Bezirksvorstehung Margareten, wohnpartner Wien, dem neunerhaus, Jugendzentrum/Parkbetreuung und dem Verein ZARA nach Margareten.

StoP-Frauentische

Sie finden ab 8.4.2019 jeden zweiten Montag jeweils von 17 bis 20 Uhr im wohnpartner-Lokal im Reumannhof, Margaretengürtel 100-110/5/1, Zugang Brandmayergasse 39, 1050 Wien statt.

StoP-Männertische

Sie finden ab 4.4.2019 jeden zweiten Donnerstag jeweils von 17 bis 20 Uhr im neunerhaus café, Margaretenstraße 166, 1050 Wien statt.

Das Projekt startet genau dort – wo es im vergangenen Jahr zu einer äußerst brutalen Gewaltat auf eine junge Frau gekommen ist - im fünften Gemeindebezirk. Dort hatte ein Mann eine Frau mit einer Eisenstange attackiert und ihr schwere Verletzungen zugefügt, weil sie ihn, laut Aussage des mutmaßlichen Täters „mit Blicken provoziert hatte". Insgesamt zählt die aktuelle Statistik acht Frauenmorde in diesem jungen Jahr. StoP gibt ein Beispiel, wie rechtzeitige Zivilcourage aussehen könnte:

"Frau S. ist seit drei Jahren verheiratet, sie hat zwei Kinder und ist mit ihrem dritten Kind bereits im 6. Monat schwanger. Die ersten körperlichen Übergriffe begannen bald nach der Hochzeit. Ihr Mann hat sie geschlagen, gestoßen und ihr dabei den kleinen Finger gebrochen. Bei jedem Streit wurde er laut, aufbrausend, schnell aggressiv und verbal ausfällig. Er hat sie oft sexuell genötigt, sie sollte Dinge tun, die sie nicht wollte. Er drohte ihr immer wieder: "Wenn Du mich verlässt, finde ich dich überall und dann passiert etwas Fürchterliches". Beim letzten Streit verdrehte er ihr den linken Arm und gab ihr eine starke Ohrfeige, sodass sie gegen die Wand fiel. In diesem Moment läutete es an der Tür. Ihre Nachbarn standen an der Tür und teilten mit, dass sie die Polizei gerufen haben. Es kam zu einer Wegweisung ihres Mannes."



Was tun? Was sagen? StoP empfiehlt:

Nachbarn drehen nicht den Fernseher lauter, wenn Schreie aus der Nachbarwohnung kommen, sondern machen ihn aus und hören hin. Sie unterbrechen die Gewalt, indem sie schnell an der Haustür klingeln, sie rufen die Polizei, sie aktivieren andere Nachbarn, sie bieten Unterstützung an.

–Häusliche Gewalt wird zum öffentlichen Thema.

–Die Schule integriert das Thema in den Unterricht.

–Die Bezirksvertretung und die Sportzentren bieten –Selbstbehauptungs- und Deeskalationstrainings an.

–Männer setzen sich mit Männern zusammen, reden über Gewalt, darüber was man dagegen tun kann. Bei sich und anderen.

–Ein zentraler Platz im Bezirk wird unbenannt. Er trägt den Namen einer Frau, die von ihrem Mann ermordet wurde.

Polizei nimmt Gewalttäter in die Verantwortung und arbeitet mit Männerberatungsstellen zusammen.

–Zivilcourage bei häuslicher Gewalt wird verstärkt trainiert.

–In Schaufenstern hängen Plakate mit den Telefonnummern der Polizei, der Frauenhelpline, von Frauenhäusern und Beratungsstellen.

–Beim Friseur, im Supermarkt, im Kaffeehaus und in der Arztpraxis hängen ebenfalls Plakate und es liegen (mehrsprachige) Flyer und Broschüren auf.

–Frauen huschen nicht mehr mit Sonnenbrille durchs Treppenhaus, weil sie sich ihrer Misshandlung schämen, sondern gehen selbstbestimmt mit der Situation nach außen.

–Sie wissen, sie werden auf Verständnis und Unterstützung treffen und nicht auf Hilflosigkeit oder werden gar mit Schuldzuweisungen konfrontiert.

–Lokale und soziale Netzwerke fangen Betroffene auf und stoppen die Partnergewalt

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"Über Gewalt in Partnerschaften wird leider immer hinter vorgehaltener Hand gesprochen! Ziel des Projektes StoP ist es mehr Bewusstsein zu schaffen. Jeder kann einen Beitrag leisten, indem er nicht wegsieht", so die Bezirksvorsteherin Susanne Schäfer-Wiery (SPÖ). Die stellvertretende Bezirksvorsteherin Nikola Furtenbach ergänzt, dass Studien zeigen, dass in einer funktionierenden Nachbarschaft, Gewalt verringert werden kann. Das Projekt StoP sei praxisnah, versetze Menschen im Umfeld der Täter wie auch der Betroffenen in die Lage, Probleme zu erkennen und die richtigen Schritte zu setzen.

Projektpartner der Nachbarschaftsinitiative sind die Wiener Sozialorganisationen wohnpartner, neunerhaus, Verein Zara (Zivilcourage und Anti-Rassismusarbeit), Institut für Erlebnispädagogik und wird unterstützt vom Sozialministerium und Fonds Gesundes Österreich.

Insgesamt erhielt die Initiative Förderungen in der Höhe von 270.000 Euro für die nächsten drei Jahre. Im Kernteam arbeiten derzeit 4 Personen. Auch die "Grätzlpolizisten" wollen an diesem Projekt mitwirken, wie die Gesamtkoordinatorin des Projekts, Maria Rösslhumer, zu Heute sagte. Die Evaluierung des Gesamtprojekts wird vom Institut für Konfliktforschung durchgeführt.

Die Hotline des Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF) lautet: 0800/ 222 555

(no)