Welt

"Nato-Entscheid bedeutet weitere Eskalationsstufe"

Der Entscheid der Nato, Russland als Feind zu bezeichnen, wirft hohe Wellen. Experten sehen darin teils eine weitere Eskalation des Konflikts. 

20 Minuten
Teilen
Seit Beginn des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine hat das Militärbündnis Nato Russland am Mittwoch, 29. Juni, erstmals offiziell als Feind bezeichnet.
Seit Beginn des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine hat das Militärbündnis Nato Russland am Mittwoch, 29. Juni, erstmals offiziell als Feind bezeichnet.
via REUTERS

Am Mittwochnachmittag erklärte die Nato anlässlich des Gipfels von Madrid Russland offiziell zum Feind. Die Nato könne einen Angriff auf die territoriale Integrität der Alliierten nicht mehr ausschließen. Einige Schweizer Außenpolitikerinnen und -politiker sehen darin eine weitere Eskalationsstufe des Konflikts. Ein Experte glaubt, dass die Härte und Einigkeit der Nato zu einem strategischen Stolperstein werden könnten.

Elisabeth Schneider-Schneiter, Mitte-Nationalrätin

"Der Konflikt hat damit eine nächste Eskalationsstufe erreicht. Das muss uns Sorgen bereiten. Klar ist aber: Russland ist ein Feind der westlichen Werte und die sind nicht verhandelbar. Die Nato muss sich auf das Schlimmste vorbereiten."

Roland Rino Büchel, SVP-Nationalrat

"Dass die Nato Russland zum Feind erklärt, ist definitiv nicht sinnführend. Es braucht jetzt einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen auf neutralem Boden. Wir erleben aktuell eine unglaubliche Kriegsrhetorik von allen Seiten. Ich hoffe, dass es bei der verbalen Eskalation bleibt und sich die Situation nicht noch mehr hochschaukelt."

Christa Markwalder, FDP-Nationalrätin

"Die Nato nennt die Sache endlich beim Namen und bezeichnet Russland als Feind. Es gab nie einen Grund für Putin, diesen Angriffs- und Zerstörungskrieg zu beginnen. Bei der Annexion der Krim und der Unterstützung der Separatisten im Donbass hat sich der Westen noch mit Sanktionen begnügt. Jetzt spricht er Klartext, was richtig ist. Die Diplomatie hat versucht, den Krieg zu verhindern, und ist gescheitert. Würden Russland jetzt territoriale Zugeständnisse gemacht, würde man damit symbolisieren, dass es okay ist, wenn Russland in ein souveränes Land einmarschiert und dass das sogar noch mit Gebietsgewinn belohnt wird. Außerdem würde man sich über die Souveränität der Ukraine hinwegsetzen, die den Waffenstillstand nur unter der Bedingung der Unversehrtheit der Grenzen erreichen will."

1/20
Gehe zur Galerie
    Immer wieder gibt es Gerüchte über schwere Erkrankungen von Wladimir Putin. Nun heißt es, dass ihm nicht mehr viel Zeit bleiben würde.
    Immer wieder gibt es Gerüchte über schwere Erkrankungen von Wladimir Putin. Nun heißt es, dass ihm nicht mehr viel Zeit bleiben würde.
    via REUTERS
    Nik Gugger, EVP-Nationalrat

    "Keinen Dialog finde ich nicht der richtige Weg, damit Frieden jemals wieder Realität wird. Dass die Nato das Kriegsbeil auch ausgräbt, glaube ich nicht, solange kein Nato-Staat angegriffen wird. Es braucht klare strategische Antworten auf die neue Bedrohungslage. Daher ist es verständlich, dass das Strategiepapier angepasst wurde, da Russland die Sicherheit und Stabilität in Europa und weltweit massiv in Gefahr gebracht hat."

    Martin Bäumle, GLP-Nationalrat

    "Einerseits zeigt man Härte und Entschlossenheit gegenüber Putin, was richtig ist. Russland hat diesen sinnlosen Angriffskrieg begonnen. Andererseits versäumt man es aber seit langem, diplomatische Bemühungen für eine Beendigung des Kriegs zu unternehmen. Ich sage seit Wochen, dass man am Verhandlungstisch einen Waffenstillstand anstreben muss. Es geht nicht, dass Russland von der Ukraine fordert, die Waffen niederzulegen, aber auch nicht, dass die Ukraine erst zu Verhandlungen bereit ist, wenn Russland sich gänzlich aus der Ukraine zurückgezogen hat. Es braucht eine gewisse Ergebnisoffenheit für Lösungen von beiden Seiten. Vor diesem Hintergrund ist es heikel, Russland nur als Feind hinzustellen und nicht aktiv zu versuchen, Lösungen zu finden."

    Remo Reginold, Direktor Swiss Institute for Global Affairs

    Für Remo Reginold sind die Härte und Einigkeit gegenüber Russland auf der einen Seite nachvollziehbar. "Andererseits kann es für die Nato zu einem strategischen Stolperstein werden. Es zeichnet sich ab, dass die Einigkeit innerhalb der Nato-Staaten leider nur scheinbar funktioniert und mittelfristig auch Widersprüche und Uneinigkeiten produzieren könnte." Russland werde versuchen, sein eigenes strategisches Narrativ zu bewirtschaften: "Dass dabei die Nato-Strategie von Moskau als Einkesselung interpretiert wird, ist anzunehmen. Für viele Länder auf der Welt wird dieses russische Narrativ durchaus auch so wahrgenommen", sagt Reginold. Diese Lesart biete auch Opportunitäten für Länder wie Indien oder China. "Interessant ist zu beobachten, dass die Nato-Mitgliedsländer durchaus unterschiedliche und mehrdeutige Positionen gegenüber China einnehmen."