Ukraine
Streng geheim – Nato plant für atomares Schreckensszena
Wie wahrscheinlich ist ein nuklearerer Schlag Russlands? Im Nato-Bündnis wird für den atomaren Ernstfall geplant.
Die Nato-Staaten bereiten sich auf das Schreckensszenario eines russischen Atomwaffenangriffs gegen die Ukraine vor. Die Verteidigungsminister von 29 der 30 Bündnisstaaten berieten am Donnerstag bei einem als streng geheim eingestuften Treffen der sogenannten Nuklearen Planungsgruppe über die jüngsten Entwicklungen und Drohungen von Russlands Präsident Wladimir Putin.
Im Raum stand dabei unter anderem die Frage, was ein russischer Atomwaffeneinsatz in der Ukraine für das Bündnis bedeuten würde und wie die nukleare Abschreckung der Nato angesichts der aktuellen russischen Drohungen maximiert werden könne.
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Beteiligt an den Beratungen waren mit Ausnahme von Frankreich alle Nato-Staaten. Die derzeit einzige Atommacht unter den EU-Ländern setzt seit Jahrzehnten auf das Prinzip der "nuklearen Unabhängigkeit" und ist deswegen nicht Mitglied der Nuklearen Planungsgruppe.
Das öffentliche Schweigen über mögliche Reaktionen der Nato auf einen russischen Atomwaffeneinsatz ist dabei auch Teil der Abschreckungsstrategie. Für Russlands Präsident Putin soll das Risiko eines solchen Schrittes unkalkulierbar gehalten werden.
Das könnte bei Atomangriff passieren
Für den Fall eines russischen Atomwaffenangriffs auf Großstädte wie Kiew gilt nicht einmal ein direktes Eingreifen der Nato als ausgeschlossen. Sollten alle Bündnispartner zustimmen, könnte die Nato dann etwa versuchen, die russischen Invasionstruppen in der Ukraine militärisch auszuschalten. Eine weitere Option wäre nach Angaben aus Bündniskreisen ein massiver Cyberangriff – zum Beispiel, um kritische Infrastruktur wie die Stromversorgung oder die Kommunikation lahmzulegen.
Ein weiterer Teil der verstärkten Abschreckungs- und Verteidigungsbemühungen ist ein am Donnerstag von Deutschland und 14 Partnerländern gestartetes Projekt zum Aufbau eines besseren europäischen Luftverteidigungssystems. Dieses soll helfen, bestehende Lücken im derzeitigen Nato-Schutzschirm für Europa zu schließen.
Biden schockt "Armageddon"-Sager
Die Meinungen darüber, wie wahrscheinlich ein russischer Atomwaffeneinsatz in der Ukraine ist, gehen in der Nato unterdessen auseinander. Nato-Generalsekretär Stoltenberg nannte die nuklearen Drohungen Putins zuletzt "gefährlich und unverantwortlich" und erklärte, man habe Russland deutlich wissen lassen, dass ein Nuklearwaffeneinsatz für das Land "ernsthafte Konsequenzen" haben werde. Zugleich betonte er, dass die Nato bislang keine Veränderungen der russischen Nuklearstrategie gesehen habe.
Deutlich düsterer äußerte sich dagegen jüngst US-Präsident Joe Biden. Die Welt habe seit der Kuba-Krise 1962 nicht vor der Aussicht auf ein "Armageddon" gestanden, sagte der US-Amerikaner in der vergangenen Woche. Er kenne Putin ziemlich gut. Der Kremlchef scherze nicht, wenn er über den potenziellen Einsatz taktischer Atomwaffen sowie Chemie- und Biowaffen spreche, da das russische Militär in den Kampfhandlungen in der Ukraine schwächele.
Die Nukleare Planungsgruppe der Nato plant für die kommende Woche eine Atomübung, während Russland nach Angaben aus Nato-Kreisen in naher Zukunft, möglicherweise sogar zeitgleich mit der Nato, dasselbe vorhat. "Russland wird ebenfalls seine jährliche Übung durchführen, ich denke, in der Woche nach oder kurz nach der jährlichen Übung", sagte der britische Verteidigungsminister Ben Wallace. Die Übung der Nato sei Routine, es gehe allein um die Bereitschaft. Die Nato-Übung "Steadfast Noon" findet jedes Jahr etwa zur gleichen Zeit statt und dauert rund eine Woche