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"Burschenschafter-Dreckstypen" ärgern Nazar

Austro-Rapper Nazar sagt, was er sich denkt und packt im "Heute"-Talk über glattgegelte Kollegen, Politik und Selbstwahrnehmung aus.

Heute Redaktion
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"Heute": Was bedeutet Glück für Sie?

Nazar: Glück hat bei mir sehr viel mit meiner Mama zu tun. Wenn es ihr gut geht, geht es mir auch gut. Das ist für mich das Allerwichtigste. Es geht ihr grad sehr gut, Gott sei Dank.

"Heute": Ihr neues Album heißt "Mosaik" (ab 15. Juni im Handel). Kriegen wir damit einen fertigen Nazar oder ist das nur ein weiteres Teilchen auf Ihrem Weg?

Nazar: Das Coole an dem Namen ist, das man viel reininterpretieren kann. Den haben wir schon ganz gut gewählt. Das letzte Album hieß "Irreversibel", das war dann, wie ich gehört habe, eine ziemlich beschissene Idee, weil den Namen keiner aussprechen konnte und niemand wusste, was es bedeutet. Bei "Mosaik" dachten wir uns, es passt, weil das Album sehr facettenreich ist. Man kann es nicht definieren, in welche Richtung es genau geht. Es ist auch von den Themen nicht so, dass es ständig nur ein Thema anspricht.

"Heute": Wie facettenreich gestaltete sich die Arbeit an der Scheibe?

Nazar: Ich hab das Album in meinem Haus in Baden aufgenommen. Wir haben insgesamt ein Jahr daran gearbeitet - im Vorfeld schon viel an den Beats. Und dann noch mal ein halbes Jahr im Haus. Es war interessant, weil mein kleiner Bruder auch sehr oft da war und uns gesagt hat, was cool ist - und was nicht. Der ist gerade 18 geworden und ist selber in der Musik aktiv. Er ist mittlerweile einer meiner Studioengineers, es ist alles von ihm entschieden, was auf dem Album ist. So auch Richard Lugner: Es war nicht ganz so mein Song, ist es auch noch immer nicht. Aber er meinte, den musst du unbedingt nehmen. Krasserweise - denn wenn ich jetzt die Spotify-Zahlen ansehe, muss ich ihm sogar Recht geben.

"Heute": Was unterscheidet denn die Privatperson von der Kunstfigur Nazar?

Nazar: Ziemlich viel, vor allem in der Außenwahrnehmung. Wenn Menschen mich in Musikvideos oder im TV sehen, glauben die, dass ich vielleicht ein cooler Typ mit einem spannenden Leben bin. Aber die Realität ist halt, dass ich nur zuhause auf der Couch oder im Studio bin. Ich bin kein großartiger Restaurantgänger, ich gehe sehr ungern in Clubs, hasse Aufmerksamkeit über alles. Ich habe mich definitiv für den falschen Beruf entschieden. Ich bin ein extrem unspektakulärer Mensch.

"Heute": Heuer gab es ja beim "Echo" eine besondere Aufregung. Zwei Rapper haben mit ihren Texten aufgewühlt …

Nazar: Das konnte nur deswegen sein, weil der "Echo" wusste, dass er mittlerweile sehr irrelevant ist. Sie haben auch nur einen Grund gesucht, um eine Begründung dafür zu haben, den Echo (wie er aktuell halt noch da war), zu schließen. Und ihn dann nächstes oder übernächstes Jahr zu erneuern. Und sie haben sich ein perfektes Opfer dafür gesucht - der Song ist ja schon älter, hat niemanden interessiert, diese Textzeile hat niemanden interessiert. Bis sie dann verwendet wurde, damit es Menschen interessiert. Dann hat der "Echo" noch alles rausgeholt, um Einschaltquoten zu generieren und das auf den Schultern der Jungs. Das finde ich überhaupt nicht richtig.

Es war nie anders - wenn irgendetwas im Fernsehen oder in einem breiterem Spektrum passiert ist, wo man nicht nur die Hörer oder Zuseher von einem gewissen Genre dabei hat, sondern auch viele Menschen, die vielleicht gar nicht so die Musikinteressierten sind, sich aber dann die Musik aussuchen, hat man immer den Bösewicht unter den Rappern gesucht. Das ist ein schnell gefundenes Fressen: Menschen, die sich nicht mit Hip Hop beschäftigen, zu überzeugen, dass Rapper ganz schlechte Menschen sind. Überhaupt in Österreich: Wenn ich da Kommentare lese, wo Leute "Möchtegern-Musiker" schreiben. Von FPÖ-Wählern kommt meistens oft "Möchtegern-Rapper" – was soll das bedeuten?

"Heute": Also wurde das bewusst vom Echo gesteuert?

Nazar: Na klar! Also wenn man sich etwas mit Medien auskennt und wie Medien arbeiten, wie Marketing funktioniert, dann braucht man darüber nicht diskutieren. Warum das keiner so anspricht? 80 Prozent der Musiker sind halt ekelhafte Menschen, die einfach alles versuchen, damit sie im besten Fall die gesamte, breite Masse für sich gewinnen können mit ihren Aussagen. Da will natürlich niemand anecken. Wenn du mit denen ohne Kameras sprichst, weiß natürlich jeder, was da abgelaufen ist. Alles was mit Musik im TV zu tun hat (wie "Deutschland sucht den Superstar" oder "The Voice Of Germany") - das ist alles gelenkt, das sind manipulierte Sendungen, wo wir selber wissen, wie diese Jurykandidaten ausgewählt werden für diese Sendungen: Dass da meistens für die jungen Menschen, die da mitmachen, nicht die besten Verträge im Spiel sind. Das ist alles eine Maschinerie, das ist Showbusiness. Es ist wie es ist. Ab einem gewissen Alter hört man bei dem Genre Hip Hop nicht mehr hin und vergisst vielleicht, dass man als Jugendlicher das aber schon konsumiert hat - da haben ältere Menschen plötzlich kein Verständnis mehr dafür und vergessen, dass sie selber einmal jung waren. Weißt du, was ich meine? Ich seh es locker, es ist wie ähnlich bei mir in der Politik in Österreich. Einige arbeiten da gegen mich und machen das auch sehr öffentlich bewusst auf ihren Facebookseiten oder bei Präsidentschaftswahlkämpfen im Fernsehen, dann meine Bilder herzuzeigen. Was sie aber dabei nicht bedenken ist, dass sie ihr Klientel - das sind Menschen, die mich sowieso nicht leiden können wegen meiner politischen Einstellung - dass bei denen nicht gelingen wird, mich noch mehr zu hassen. Weil die hassen mich eh schon so. Das einzige, was sie halt machen, ist, dass sie unglaublich viel Gratis-Werbung für mich machen. Deswegen – macht's ruhig weiter, alles gut!

Jemand, der das cool findet, dass sich ein Präsidentschaftskandidat in die Sendung setzt und Van der Bellen ein Bild von mir zeigt und sagt: "Mit solchen Menschen haben Sie etwas zu tun" und versucht, mich so darzustellen, als hätte ich schlimme Dinge getan: Mörder, Vergewaltiger, … und es dann Menschen gibt, die sagen: "Ja, das ist genau mein Mann, der sollte Präsident werden!" Oder Anhänger unseres Vizekanzler, der seine Facebook-Seite wie so ein Blogger betreibt und Missstände aufzeigen will, aber das nur in eine Richtung tut, und zwar gegen Ausländer und Islam und der dann auch immer Artikel verwendet, um zu zeigen, was für ein böser, böser Mensch ich bin – so einen Menschen möchte ich gar nicht überzeugen, dass es nicht so ist: Weil diese Menschen sind sowieso schon blind. Blind und taub, weil die hören und sehen nur in eine Richtung.

"Heute": Wie beurteilen Sie die aktuelle politische Situation in Österreich?

Nazar: Ich muss ehrlich sagen und das wird auch ein paar Leute schockieren: Ich hätte es mir schlimmer vorgestellt. Es ist ja auch noch nicht so viel passiert, aktuell wird halt noch viel geredet, was sie vorhaben. Und man muss man auch mal die Lanze brechen. Ich finde es auch nicht korrekt, wenn man jetzt kein Freund der ÖVP und FPÖ ist, dass man dann nur aufgrund der Vergangenheit alles was sie irgendwie vorschlagen und versuchen zu verändern, pauschal schlechtreden will. Es sind auch einige Vorschläge dabei, die ich persönlich gar nicht so schlecht finde. Man muss es dann auch ehrlich ansprechen, weil es ist nicht richtig, dauernd nur zu sagen, dass die scheiße sind. Die haben es bestimmt auch nicht einfach - sie haben eine Arbeit übernommen, die viele Jahre davor in anderer Hand war. Da sind Dinge auch ziemlich schief gelaufen - ansonsten wäre es nicht so gekommen, wie es eben jetzt gekommen ist. Man muss noch ein bisschen abwarten und dann ein ehrliches Resümee daraus ziehen. Was mich aber stört: Wenn es wieder einmal von Seiten der FPÖ irgendwelche Kellernazis und Burschenschafter-Dreckstypen, die in dreckige Nazischeiße verwickelt sind, dass da der Aufschrei nicht viel größer ist und die Leute da nicht verurteilt werden. Sondern da wird eine Woche darüber berichtet, ein paar Leute regen sich auf und dann ist es vergessen. Das ist genauso schlimm, wie wenn Menschen dann nicht ehrlich zugeben können, wenn diverse Vorschläge von ihnen (Regierung, Anm.) gar nicht so schlecht sind. Es verschwimmt gerade und das haben beide Parteien, also SPÖ und ÖVP, selber verschuldet, weil sie es geschafft haben, dass die Bevölkerung nur in Schubladen denkt. Es gibt es also nur Rechts und Links. Und ich bin weder Links noch Rechts, ich möchte einfach nur in der Mitte sein. Aber das gibt es gerade nur noch sehr, sehr wenig.

"Heute": Sie trauen sich als einer der wenigen Musiker, politische und vor allem kritische Töne anzuschlagen: Sehen Sie sich als Sprachrohr?

Nazar: Der Einfluss wurde mir erst später bewusst, nachdem ich sehr, sehr viel Feedback bekommen habe. Spätestens, wenn ich durch den 10. Bezirk gehe und jeder Kiosk oder jedes Restaurant mir was schenken will, da wird es mir wirklich klar. Es war nie meine Intention, Menschen davon zu begeistern, was ich gut finde. Du hast als Musiker eine begrenzte Zeit und dir wird sehr viel geschenkt. Unabhängig von einem coolen Leben, was du gerne tust und wo du Geld verdienst, dazu kommt einfach, dass sehr viele Menschen zuhören und sich dafür interessieren, was deine Meinung zu gewissen Dingen ist. Deswegen mag ich keine Popmusiker und Schlager, weil das halt sehr glattgegelte Personen sind, die sehr ungern andere Dinge ansprechen, wo sie wissen, dass man damit nicht alle Meinungen anspricht. Das versuchen sie dann zu vermeiden. Mir ist das scheißegal! Man muss mich nicht mögen und ich bin auch definitiv kein sympathischer Mensch. Das höre ich oft genug und das ist einfach so. Ich seh nicht sympathisch aus und ich bin auch nicht der sympathische Typ und ich bin auch nicht cool und ich bin auch nicht nett und auch nicht charmant. Ich bin, wer ich bin. Mit der Rolle bin ich aufgewachsen, deswegen habe ich auch kein Problem, dass es Leute gibt, die das dann nicht so toll finden, was ich sage. Aber es ist halt meine Meinung und ich finde es wichtig, diese zu vertreten.

"Heute": Haben Sie sich schon mal gedacht: Hätte ich doch lieber den Mund gehalten?

Nazar: Ja oft! (lacht) Jedes Mal, wenn mein Anwalt anruft und mir eine Rechnung per Email schickt. Aber ja, ist halt so.

"Heute": Wie viel hat Nazar noch zu sagen?

Nazar: Es hängt davon ab, in welcher Verfassung ich bin. Musikalisch? Wird man sehen. Ich habe mir schon beim letzten Album gedacht, ob ich noch eines machen soll oder nicht. Ich mache das nur so lange, wie ich Freude dran habe. Ich habe sie eine Zeit lang verloren, dann kam sie aber wieder. (tim)