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Nein-Lager in der Türkei wird eingeschüchtert

Ein adäquater Wahlkampf in der Türkei ist unmöglich, sagt der Direktor der (OSZE) Michael Link.

Heute Redaktion
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Die Gegner der Verfassungsänderung in der Türkei sind bei ihrem Wahlkampf laut OSZE-Wahlbeobachtern erheblichen Behinderungen ausgesetzt. Der Direktor des OSZE-Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR) in Warschau, Michael Link, sagt, das läge unter anderem an der seit dem Putschversuch vom Juli 2016 eingeschränkten Versammlungsfreiheit.

In einem Interview der "Welt" sagte er, zudem sei die Medienberichterstattung in der Türkei unausgewogen. Zahlreiche Abgeordnete seien inhaftiert, darunter auch 13 Parlamentarier der kurdischen Oppositionspartei HDP.

"Schon allein deshalb ist es für diese Partei, die einer der wesentlichen Träger der Nein-Kampagne ist, unmöglich, einen adäquaten Wahlkampf zu machen."

"Es gibt leider eine teilweise Einschüchterung der Anhänger der Nein-Kampagne, und viele regierungsnahe Medien zeichnen über die Nein-Anhänger ein Bild voller Feinde, Machenschaften und Konspiration", fügte Link hinzu. Das ODIHR ist verantwortlich für die Wahlbeobachtermission der OSZE in der Türkei, die dort von der Italienerin Tana de Zulueta geleitet wird.

Knapper Vorsprung für Erdogan

Recep Tayyip Erdogan kann sich bis zuletzt nicht sicher sein, dass die Türken dem von ihm angestrebten Präsidialsystem zustimmen. Nach einer aktuellen Umfrage des Instituts Gezici wollen am Sonntag 51,3 Prozent der Wahlberechtigten für die Verfassungsreform stimmen und 48,7 Prozent dagegen.

Befragt wurden 1.400 Wahlberechtigte in zehn Provinzen am 8. und 9. April. Unklar war, wie hoch der Anteil der noch Unentschlossenen ist. Vor einer Woche lag die Zustimmung bei einer Gezici-Umfrage bei 53,3 Prozent.

Hunderte mutmaßliche militante Kurden festgenommen

Sicherheitskräfte haben bei einer landesweiten Großrazzia 412 mutmaßliche militante Kurden festgenommen. Das teilte das Innenministerium in Ankara mit. Die Polizei habe am Mittwoch in 21 Provinzen nach kurdischen Extremisten gefahndet. Die Einsätze erfolgten nach einem Anschlag auf eine Polizeiwache in der südosttürkischen Stadt Diyarbakir am Dienstag, zu dem sich die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK bekannt hatte.

Das Ministerium teilte weiter mit, dass bei Razzien in 13 Provinzen 131 mutmaßliche Mitglieder der Terrormiliz Islamischer Staat festgenommen worden seien.

Verletzung von Recht auf Arbeit

Ein UN-Gremium aus Menschenrechtsexperten hat der Türkei eine Verletzung des Rechts auf Arbeit und Bildung wegen Entlassungen unter einem Ausnahmezustand vorgeworfen. Die Experten kritisierten die Entlassung von bis zu 134.000 Beamten, darunter Tausende Lehrer, ohne fairen Prozess oder Entschädigung, aufgrund mutmaßlicher Verbindungen mit Organisationen, die von der Türkei als Terrorgruppen bezeichnet werden. (nag/sda)