Politik

Minister sagt, ob Schulen trotz Omikron offen bleiben

Martin Polaschek ist der neue Minister für Bildung und Forschung. Mit "Heute" sprach er über offene Schulen, offene Herzen und offene Haare.

Christian Nusser
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Martin Polaschek in seinem Büro am Minoritenplatz.
Martin Polaschek in seinem Büro am Minoritenplatz.
Helmut Graf

"Heute": Herr Minister, Sie sind zehn Tage im Amt. Wir sitzen in Ihrem Büro am Minoritenplatz. Was haben Sie hier verändert?
Martin Polaschek: Das Büro habe ich so übernommen, ich hab einen weißen Weihnachtsstern hineingestellt, ich hab ein paar Bücher mitgenommen, die ich immer wieder gerne zur Hand nehme.

Wie darf man sich vorstellen, wie man in Österreich Minister wird?
Karl Nehammer hat mich am 2. Dezember gegen halb zehn am Abend angerufen und gefragt, ob ich grundsätzlich bereit wäre, dieses Amt anzunehmen. Ich habe das dann auch mit meiner Frau besprochen. Freitag in der Früh kam dann noch ein Anruf von Karl Nehammer, ob ich es mir denn überlegt hätte, und er hätte mich gerne als Minister, und ich habe gerne zugesagt.

Haben Sie mit dem Angebot gerechnet?
Nein, nein, gar nicht, ich war mitten in meiner universitären Arbeit, ich habe nur mitbekommen, dass am Vormittag Sebastian Kurz seine politischen Ämter niedergelegt hat, aber weiter habe ich keine Gelegenheit gehabt darüber nachzudenken. Man hat auch als Rektor einen sehr ausgefüllten Terminkalender und deshalb war's glaub ich 22 Uhr, als ich das erste Mal meine E-Mails angeschaut hab.

War Ihre Frau dagegen oder dafür, dass Sie den Job annehmen?
Weder noch, wir haben das abgewogen und wir waren uns eigentlich bis zuletzt nicht wirklich sicher.

"Wenn einen die Pflicht ruft" 

Was sprach dafür?
Jetzt bin ich vielleicht ein bisserl kitschig und zitiere Cincinnatus, "wenn einen die Pflicht ruft". Aber ich hab schon den Eindruck, wenn einen der designierte Bundeskanzler der Republik Österreich fragt, ihn in seiner Aufgabe zu unterstützen und man Verantwortung für das Land annimmt, dann fällt's mir schon schwer zu sagen: "Nein, mir ist meine Universität wichtiger als mein Land", das kann ich irgendwie nicht.

Was war die Motivation?
Ich bin dafür bekannt, dass ich mich immer gerne schwierigen Aufgaben gestellt habe, ich habe immer wieder Schwierigkeiten in meinem Leben zu meistern gehabt und ich habe mich immer gerne in Aufgaben hineingekniet. Ich bin ein Arbeitstier und jetzt die Chance etwas für dieses Land zu bewirken, jetzt das gemeinsam neu und groß anzugehen, ist für mich eine wirklich tolle Herausforderung.

Das Geld war wohl nicht die Motivation? (Anm. Als Minister verdient Polaschek 18.112 Euro im Monat, etwa so viel wie als Rektor der Uni Graz)
Das Gehalt war nicht ausschlaggebend. Ich kann mit dem, was ich verdiene, sehr gut leben und bin sehr dankbar dafür. Aber es ging mir nie ums Geld... Es ist allerdings ein Unterschied, ob man im Grunde genommen jeden Abend auch zu Hause arbeitet, ob man die Familie jeden Abend und auch jede Früh sieht, oder ob man jede Woche, so wie ich, in Wien wohne, und arbeitet und nur am Wochenende heimkommt. Das ist das Schwierigere für mich, mit meiner Familie nicht mehr so viel Zeit verbringen zu können.

Radeln in Wien? 

Haben Sie in Wien schon eine Wohnung?
Nein, ich bin gerade auf Wohnungssuche.

Pendeln Sie zukünftig per Auto oder per Zug?
Das wird vom Anlassfall abhängen. Es ist zum Teil sicher möglich, mit dem Zug nach Wien zu kommen, aber das wird von den Terminen abhängen.

Haben Sie sich in Wien schon der Lebensgefahr ausgesetzt, Rad zu fahren?'
Nein, noch nicht. Wettermäßig hat's noch nicht gepasst, ich bin auch bislang hier aus dem Ministerium noch nicht viel herausgekommen, außer ins Bundeskanzleramt oder ins Parlament, und mein Hotel ist fußläufig von hier. Es wird davon abhängen, wo ich eine Wohnung habe. Aber ich halte grundsätzlich das Rad für Wege in der Stadt für sehr angenehm, sehr praktisch.

Bleiben die Schulen offen?

Sperren die Schulen am 10. Jänner wieder auf?
Nach derzeitigem Stand ja.

Was könnte ein Aufsperren am 10. Jänner noch verhindern?
Ich denke, das hängt davon ab, wie sich generell die Infektionslage in Österreich entwickelt. Sollte Omikron überwiegen, und sollten generell wieder Lockdowns verhängt werden müssen, wird man sich das überlegen. Mein Ziel ist, die Schulen so lange wie möglich offen zu halten.

Können Sie das garantieren?
Ich glaube, es kann kein Mensch garantieren, was in einem Monat sein wird. Wenn man sich anschaut, wie in einigen Ländern die Infektionszahlen in die Höhe schießen, wäre das schwer vorherzusagen, aber mein Ziel ist es, die Schulen offen zu lassen.

Teile der Gewerkschaft wollen die Schulen am 20. Dezember schließen. Sind Sie dafür?
Nein, wir haben ganz klar gesagt, die Schulen bleiben bis zu den Weihnachtsferien offen und ich halte das auch für ganz wichtig gegenüber den Eltern, die sich überlegen müssen, wie sie die Kinder betreuen. Deshalb brauchen wir klare Regelungen.

Sollte man Noten abschaffen oder mit Fünfern aufsteigen können?

Nein, ich glaube das jetzige System hat sich gut bewährt, daher sehe ich keinen Grund irgendetwas zu ändern.

Sollen die Tests an den Schulen gratis bleiben?
Ich hab das jetzt mit dem Finanzminister noch nicht im Detail besprochen, aber aus meiner Sicht ja.

"Universitäten leisten großartiges Pandemiemanagement" 

Über die Unis wurde in der Pandemie wenig geredet. Warum?
Da kann ich als Betroffener berichten, Universitäten haben in der Selbstverwaltung ein großartiges Pandemiemanagement gemacht. Die Fallzahlen an den Universitäten waren gering, die Zahlen bei den Studierenden sehr gering. Es war gut und richtig, dass jede Universität für sich selbst entscheiden konnte, ich sehe keinen Grund hier einzugreifen. Das, was ich eher mitgenommen habe, war, dass die Universitäten zum Teil dafür von der Öffentlichkeit kritisiert worden sind. Den einen haben die Unis zu viel aufgemacht, den anderen haben sie zu wenig aufgemacht. Ich sehe es eher als meine Aufgabe, den Universitäten da den Rücken zu stärken, und für die Universitäten die Stimme zu erheben und zu erklären, warum das ebenso ist.

Aber es gab fast keine Präsenzveranstaltungen, neue Studenten und Studentinnen kennen ihre Unis kaum von innen?
Im März 2020 binnen weniger Tage von voller Präsenz in volle Distanz zu gehen, das muss man erst einmal managen. Das war ein riesen Aufwand, und das war eine riesige Leistung vonseiten der Lehrenden, und auch extreme Flexibilität vonseiten der Studierenden. Es haben sich an allen Universitäten alle sehr bemüht, den Studierenden möglichst rasch alles, was sie brauchen wieder zur Verfügung zu stellen. Dort wo ein Bibliotheksbesuch nicht möglich war, hat man auf E-Books umgestellt. Man hat Millionen von Buchseiten eingescannt, damit die Studierenden zu Zeitschriften kommen, es haben in den Bibliotheken die Leute Überstunden gemacht, damit die Studierenden zu Zeitschriften kommen, - jeder in einem Raum mit einem Scanner, ich weiß das von meiner Universität. Ich sehe das nicht als verlorenes Jahr.

Aggressionen im Alltag

Sie haben im Oktober bei einer Expertentagung gesagt "Man hat den Eindruck, dass es zum guten Ton gehört zu pöbeln". Wie erleben Sie die Aggression im Alltag?
Also mich hat zum Teil schon erstaunt, wie aggressiv manche Personen reden, wie wenig wertschätzend und beleidigend sie von manchen Personen sprechen. Ich bin aus dem universitären Bereich gewohnt, dass es verschiedene Meinungen gibt. Aber gerade diese offen zur Schau gestellte Wissenschaftsfeindlichkeit, dieses wirklich aggressive Wegschreien von wissenschaftlichen Fakten und ganz bewusste Leugnen von Tatsachen, das hat mich eigentlich wirklich erschrocken.

Was haben Sie sich über die ÖVP-Chats gedacht?
Die kenn ich nur in Ansätzen, das ist eine andere politische Debatte. Ich bitte um Verständnis, dass ich jetzt eigentlich über Bildungspolitik reden möchte.

Waren Sie ein guter Schüler?
Ja. Ich war immer sehr wissbegierig, deshalb hab ich gut und leicht gelernt, ich war auch in der achten Klasse Schulsprecher in der Schule. Mir war Wissen immer wichtig, ich lese gerne.

Was denn aktuell?
Derzeit mehr Fachliteratur, aber auch gerne Wissenschaftsliteratur. Mir hat auch, als eines der letzten Bücher, "Per Lastenrad durch die Galaxis" von Ruth Grützbauch extrem gut gefallen. Ich hab sehr gerne die Bücher von Florian Freistetter und Martin Puntigam gelesen. Ich mag diese Art der Wissenschaftskommunikation

Sie sind ja Rechtshistoriker: War Dollfuß Austrofaschist?
Ja, aber diese Begriffsdebatte, die zieht sich ja mittlerweile schon über die Jahrzehnte dahin, und da gibt's ja auch so Trends und ich würde mich weniger an den Begriffen festhalten. Dass der Parlamentarismus, also der Nationalrat im März 1933 ausgehebelt wurde und dass es seitdem keine demokratische Gesetzgebung mehr gegeben hat, steht wissenschaftlich außer Zweifel.

"War nie Mitglied einer Partei" 

Warum sind Sie nicht auf Social Media aktiv?
Ich bin auf Instagram aber das Konto ist privat. Ich habe bisher nicht den Bedarf gesehen. Es ist mir bewusst, dass es jetzt eine andere Erwartungshaltung gibt, also werde ich höchstwahrscheinlich auch ein offizielles Instagram-Konto einrichten.

Treten Sie nun der ÖVP bzw. einer Teilorganisation bei?
Nein, das ist kein Thema, ich war nie Mitglied einer Partei, es hat mich auch niemand darauf angesprochen. Ich fühle mich der ÖVP nahestehend, aber ich habe auch gute Kontakte zu Personen in anderen Parteien.

Sind sie beim Cartellverband?
Ich bin auch bei keiner Verbindung. Aber ich engagiere mich  bei einem Rotary-Club.

Zu alt für lange Haare? 

Sind Sie nicht zu alt für lange Haare?
(lacht) Sind Sie für kurze Haare nicht zu jung?

Eigentlich nicht.
Ich hatte einmal lange Haare, dann hatte ich kürzere, dann kam der erste Lockdown, dann sind die Haare länger geworden, weil ich nicht zum Friseur konnte, dann bin ich zum Friseur gegangen, dann hat meine Friseurin gesagt: "Die Haare, eigentlich steht dir das nicht schlecht. Lass sie dir doch ein wenig wachsen." Dann hab ich sie wachsen lassen, dann war so die Überlegung, sie doch wieder zu kürzen und ich hätte am 3. Dezember schon einen Termin gehabt um meine Haare wieder ein wenig zu kürzen. Dass es Menschen gibt, denen meine langen Haare nicht gefallen mag sein. Ich glaube aber nicht, das ich ein schlechterer oder besserer Minister bin, weil ich lange Haare habe.

Wie leben Sie privat?
Ich bin verheiratet, sehr glücklich, meine Frau hat aus erster Ehe zwei Söhne mit in die Familie gebracht, wir sind eine Patchwork-Familie. Die beiden Söhne sind 18 und 20, der eine studiert und der andere beginnt jetzt mit dem Zivildienst. Meine Frau ist in einem Bürojob tätig.

Worauf wollen Sie als Minister einmal stolz sein?
Dass die Menschen ein Gefühl haben in einem guten Bildungssystem zu leben, dass wir möglichst viel Chancengerechtigkeit haben und dass man in einigen Jahren vielleicht sagt: "Da kam ein Mann mit langen Haaren, aber eigentlich hat der wahnsinnig viel bewegt."

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